Hybrid-elektrische Antriebe: Forschungsprojekt HECATE

Hybrid-elektrische Antriebe
Hochspannendes Forschungsprojekt HECATE

Veröffentlicht am 28.04.2023

Von Hunderten Kilowatt heute bis in den Megawatt-Bereich: Das elektrische Leistungsniveau künftiger Flugzeuge wird durch hybrid-elektrische Antriebe einen enormen Sprung machen. Damit sind auch neue Energieverteilungsnetze an Bord nötig. Collins Aerospace, Safran sowie 37 weitere Industriepartner, darunter Thales, Diehl Aerospace, Airbus Defence and Space und Leonardo, entwickeln im Rahmen des europäischen Luftfahrtforschungsprogramms Clean Aviation die entsprechenden Technologien.

Hybrid-elektrische Architektur

Das Projekt HECATE (Hybrid-ElectriC regional Aircraft distribution TEchnologies) fokussiert sich auf Regionalflugzeuge. Das Ziel ist es, bis 2025 eine hybrid-elektrische Architektur im Leistungsbereich von mehr als 500 Kilowatt bis zu einem Technologiereifegrad von 5 (auf einer Skala von 1 bis 9) zu entwickeln und im Copper-Bird-Labor von Safran in Lyon am Boden zu testen. Würde man die höhere Leistung mit den heute in Flugzeugen vorhandenen Spannungspegeln – nämlich 115 Volt Wechselstrom und 28 Volt Gleichstrom – verteilen, wären große Ströme das Resultat. "Das bedeutet massive Kabeldicken und große, schwere Leistungskomponenten. Damit würde man das Gewicht des Flugzeugs deutlich nach oben treiben", sagt Josef Maier, Geschäftsführer der deutschen Collins-Tochter HS Elektronik Systeme in Nördlingen. Das Unternehmen ist bei HECATE zusammen mit der Collins-Division Electronic Control and Motor Systems (ECMS) im englischen Solihull für die Entwicklung der Leistungskonvertierung und der Sekundärverteilung zuständig.

Hohe Spannungen

Hybrid-elektrische Antriebe erfordern einen Technologiewechsel hin zu höheren Spannungen, um das Kabel- und Systemgewicht zu verringern. "Wir sprechen im Antriebsbereich von 800 bis 1500 Volt, im Primärverteilungsbereich von 540 Volt und wir haben die klassische, alte 28-Volt-Spannung im Sekundärbereich, wenn es zu den Endverbrauchern kommt", so Maier. Aus der vom Antriebsstrang zur Verfügung gestellten Leistung werden über Spannungswandler 540 Volt generiert, die eine Leistung im Bereich mehrerer Kilowatt an jene Systeme bringen, die viel Energie verbrauchen, zum Beispiel Avionik und Bordküche. Man spricht hier von Hauptverteilung. Die Sekundärverteilung nimmt lokal die Umwandlung von 540 auf 28 Volt vor und führt sie direkt zu den Verbrauchern – beispielsweise die Kabinenbeleuchtung. Die hohen Spannungen bergen einige Herausforderungen: In großen Flughöhen nehmen Dichte und Durchschlagsfestigkeit von Luft ab; beides sind wichtige Größen für die Isolationsfähigkeit. Dies kann zu sogenannten Corona-Effekten wie Lichtbögen führen oder Teilentladungen begünstigen. HECATE soll Designs liefern, um mit solchen Fehlersituationen umzugehen oder sie zu verhindern. Dafür müssen potenziell neue Materialien abseits der klassischen Leiterplatten aus faserverstärktem Kunststoff untersucht werden, beispielsweise Keramiken. Auch die neuesten Halbleitertechnologien (Siliciumcarbid, Galliumnitrid) sollen zum Einsatz kommen. Maier weist auf einen zweiten wichtigen Punkt hin: "Sie müssen schaltungstechnisch und von den Komponenten her in der Lage sein, auf einen Fehlerfall so schnell zu reagieren, dass es nicht zu einem Schaden kommt."

Leonardo

Große Herausforderungen

Ein Hochspannungsverteilungssystem wird nach Angaben von Maier komplexer als heutige Lösungen. Denn hybrid-elektrische Flugzeuge erfordern ein Energiemanagement, das Batterien, Motoren und Inverter, aber auch das Kühlsystem umfasst. "Es wird eine Herausforderung, ein solches System so zu designen, dass es für die Luftfahrt zulassungsfähig wird." Viele der benötigten Komponenten sind für die Luftfahrt noch nicht vorhanden. Innerhalb der nächsten drei Jahre sollen nun mit Schlüsseltechnologien Labor- und Bodentests durchgeführt werden. Wenn die Anschlussfinanzierung geklärt ist, sind in der nächsten Phase auch Flugtests denkbar. HECATE wird mit rund 34 Millionen Euro von Clean Aviation gefördert, weitere 6 Millionen Euro kommen von UK Research and Innovation.