Seit fast 30 Jahren wartet im Antonow-Werk Swjatoschyn in der Nähe von Kiew der Rohbau eines Flugzeugs auf seine Fertigstellung. Seine gigantischen Dimensionen verraten schnell, dass es sich bei diesem Rohbau um die unvollendete Schwester der An-225 "Mrija" handelt. Zwei Exemplare des Sechsstrahlers hatte die Sowjetunion einst als Taxi für ihre Raumfähre Buran beauftragt. Das erste flog 1988, das zweite wurde zum Wendeopfer: 1994 brach die Ukraine die Bauarbeiten wegen Geldmangels ab. Seither lagert die halbfertige Riesin in Swjatoschyn. Ein Großteil der Zelle ist vorhanden, der Rumpf samt Fahrwerk bis auf das Bugtor fast komplett. Tragflächen und Leitwerk sind separat gebunkert.

Mehr als eine Milliarde US-Dollar Baukosten
Immer wieder gab es in der Vergangenheit Bestrebungen, den Bau zu vollenden und auch die zweite An-225 abheben zu lassen. Dazu gekommen ist es bislang nie. Selbst chinesische Investoren, die 2016 ernsthaftes Interesse kundtaten und gar eine Lizenzfertigung des Musters ins Gespräch brachten, sahen später von dem Unterfangen ab. Als der damalige Antonow-Chef Oleksandr Donets im Frühjahr 2020 zu den Chancen für den "Mrija"-Zwilling befragt wurde, winkte er ab: zu teuer sei ein Weiterbau – und deshalb wirtschaftlich schlicht nicht vertretbar. Obwohl das zweite Flugzeug bereits zu rund 70 Prozent fertiggestellt sei, müsse es komplett neu konstruiert werden, damit es künftigen Anforderungen entspreche. Dazu zählen auch neue Avionik und neue Triebwerke. Die Baukosten könnten deshalb laut Expertenschätzungen leicht eine Milliarde US-Dollar übersteigen.





"Gespräche mit mehreren Ländern"
Inzwischen ist Oleksandr Donetsk allerdings nicht mehr Chef von Antonow – und der Staatskonzern UkrOboronProm, zu dem Antonow gehört, möchte es anscheinend doch nochmal wissen. Einem Bericht der Agentur Ukrinform zufolge sucht UkrOboronProm einmal mehr nach Geldgebern, um die zweite "Mrija" aus dem Dornröschenschlaf wachzuküssen. Man führe "derzeit aktive Gespräche mit mehreren Ländern über die Entwicklung der ukrainischen Flugzeugflotte", zitiert Ukrinform den Generaldirektor von UkrOboronProm, Jurij Husew. Chancen für die "Mrija" sieht Husew etwa in Indien, wo man im Februar in Bangalore "eine der größten Waffenausstellungen" des Landes besuchen werde, um Kooperationen auszuloten. Auch die Türkei habe bereits im Oktober 2020 Interesse an dem Projekt bekundet, ungeachtet der immensen Kosten des Projekts. Konkrete Ergebnisse ergaben sich allerdings noch nicht.
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"Mrija" als fliegende Startplattform?
Unterdessen gibt es in der Ukraine seit geraumer Zeit Überlegungen, die An-225 in ein angedachtes Raumfahrtprogramm zu integrieren – und zwar nicht nur als Transport-, sondern auch als Startplattform für Trägerraketen. Derlei Gedankenspiele trug Mitte 2020 etwa der – inzwischen gefeuerte – Chef der ukrainischen Weltraumagentur Wolodimir Usow vor. Sollte die "Mrija" hierfür zum Zug kommen, brauche es die zweite Maschine als Backup, so Usow damals. Allerdings merkte Usow seinerzeit auch an: "Als eine Person, die möchte, dass die Ukraine noch in unserem Leben einen unabhängigen Zugang zum Weltraum erhält, möchte ich mich lieber auf andere Antonow-Flugzeuge konzentrieren, nicht auf die 'Mrija'."