Der Brite Jonathan Wood ist seit Februar 2020 Vice President Renewable Aviation beim finnischen Unternehmen Neste. Im Interview spricht der Wirtschaftswissenschaftler darüber, wie die Produktion von nachhaltigen Flugkraftstoffen (sustainable aviation fuels, SAF) angekurbelt werden kann und welche Rolle Wasserstoff in Zukunft spielen wird.
Die Gelegenheit hat gepasst. Ich hatte eine sehr gute, abwechslungsreiche Zeit bei BP, in verschiedenen Rollen und Ländern, vor allem auch in Deutschland. Die letzten zehn Jahre habe ich dort vor allem im Bereich Flugtreibstoff gearbeitet. Ich habe Investitionen in Low Carbon Fuels durchgeführt sowie die Einführung von SAF an Flughäfen begleitet, damit es für das normale Fliegen genutzt werden konnte. Das hat mich am Ende mit Neste zusammengebracht. Daher wusste ich, dass Neste vorhatte, mit SAF die Klimaschäden des Fliegens zu reduzieren – ein Thema, für das wir als Gesellschaft schnellstmöglich Lösungen finden und einsetzen müssen. Das war ein spannender Anreiz und passte zu meinen Erfahrungen und zu meiner Expertise. Und ich glaube, dass ich hier am Ende einen Unterschied machen kann.
Die letzten dreieinhalb Jahre haben wir enorme Fortschritte gemacht, als Neste, aber auch als Industrie. Wir sind an einem Punkt, an dem nicht mehr diskutiert wird, ob Netto-Null das Ziel ist. Es gibt im Detail immer noch unterschiedliche Meinungen, wie man es erreicht. Neste ist auch vorangekommen. Vor dreieinhalb Jahren haben wir noch kein SAF selbst hergestellt. Und jetzt ist das ausverkauft, was wir haben, nämlich die Kapazität von 100.000 Tonnen pro Jahr. Und wir sind gerade dabei, in Singapur und Rotterdam neue Kapazitäten aufzubauen. Das wird unsere Produktionskapazität auf 1,5 Millionen Tonnen bringen. Das sind schon circa drei Prozent der derzeitigen europäischen Nachfrage.
Die europäische ReFuelEU-Initiative hat das Ziel von zwei Prozent SAF ab 2025. Bis 2030 soll es auf sechs Prozent steigen, und danach schrittweise weiter angehoben werden. Allein Neste könnte bis einschließlich 2029 die ganze Nachfrage erfüllen. Neste wird natürlich nicht nur Europa beliefern, es werden auch andere Wettbewerber und Produzenten hinzukommen. Und das ist gut so. Wir brauchen aber als Industrie höhere Zielsetzungen. Mindestens zwei Drittel der gesamten Dekarbonisierung muss durch SAF erreicht werden. Die weltweite Treibstoffnachfrage lag vor Corona bei 300 Millionen Tonnen. Das ist künftig ungefähr die Menge an SAF, die wir benötigen, um die besagten zwei Drittel zu erreichen. Das zu produzieren, kostet hunderte Milliarden Euro. Je schneller andere Projekte und Produzenten auf den Markt kommen, umso besser. Dann bekommen die Gesetzgeber auch das Vertrauen, ambitioniertere Ziele zu setzen.

Am Ende müssen wir mehrere Hebel ansetzen. Aber eines ist klar: Wenn der Preis von SAF der gleiche wäre wie von fossilem Kerosin, dann würden alle SAF wählen. Fakt ist: SAF kostet in der Produktion deutlich mehr. Die zukünftigen Technologien, die wir brauchen, um nachhaltige Rohstoffmöglichkeiten zu erweitern, werden noch teurer sein, vor allem wegen der hohen CapEx-Kosten [Investitionskosten; d. Red.]. Das Problem liegt darin, dass der Preisvergleich nicht auf gleicher Basis ist, weil die Kohlenstoffkosten von fossilem Kerosin nicht adäquat abgebildet werden. Deshalb brauchen wir politische Lösungen, um den Preisunterschied zu überbrücken oder auszugleichen.
In Europa werden festgelegte SAF-Quoten als Hebel eingesetzt und es gibt Unterstützung, um neue Produktionstechnologien hochzufahren. Es werden auch Anreize geschaffen, beispielsweise müssen Airlines, wenn sie SAF nutzen, weniger Emissionszertifikate kaufen. In den USA erhalten SAF-Produzenten Steuervergünstigungen. SAF-Nutzer bekommen ein Zertifikat, dass sie wiederum an jene Akteure im Straßenverkehr verkaufen können, die ihre Quoten nicht erfüllt haben. Irgendjemand muss führen; Europa und die USA tun das. Dann werden auch andere folgen. Wichtig ist aber auch, dass wir als Industrie – Produzenten, Lieferanten, Fluggesellschaften – direkt bei den Endkunden eine freiwillige zusätzliche Nachfrage stimulieren. Dabei geht es zunächst um Geschäftsreisende, Frachtunternehmen, und Business Aviation, aber wir können und müssen es auch für Privatreisende so einfach wie möglich machen, sich für SAF zu entscheiden und ihren Beitrag zur Dekarbonisierung zu leisten.
Bis 2030 wird der SAF-Löwenanteil, rund 90 Prozent, HEFA sein, also aus Altölen und -fetten hergestelltes Kerosin. Wir streben es an, dass in Zukunft auf Land, das nicht für die Nahrungsmittelproduktion genutzt wird, oder als Zwischenbepflanzung Ölpflanzen für die Treibstoffproduktion angebaut werden können. Es gibt ungefähr 40 Millionen Tonnen von Altölen und Rückständen. Mit neuartigen Pflanzenölen könnten wir weitere 100 Millionen Tonnen generieren. Siedlungsabfälle könnten noch einmal 100 bis 200 Millionen Tonnen bringen. Algen und Power-to-Liquid sind weitere Optionen. Es gibt also viele Möglichkeiten, das erneuerbare Rohstoffpotenzial zu erweitern und am Ende diese 300 Millionen Tonnen und global mehr SAF zu produzieren.
Die PtL-Herstellung gilt derzeit noch als ineffizient und teuer, das hieß es auch schon beim bestehenden HEFA-SAF. Die Luftfahrt hat aber kaum eine andere Möglichkeit, als flüssige Kohlenwasserstoff-Treibstoffe zu nutzen. Deshalb muss Power-to-Liquid auch in der Luftfahrt als eine der Optionen zur Dekarbonisierung eine Rolle spielen. Wir müssen Lösungen finden, wir müssen die Technologie weiterentwickeln, um PtL in großen Mengen wirtschaftlicher zu machen. Dafür bedarf es enormer Investitionen, nicht nur in der SAF-Herstellung, sondern auch in der Produktion von erneuerbarem Strom, um grünen Wasserstoff dafür zu produzieren und CO2 über Direct Air Capture zu gewinnen. PtL mit Direct Air Capture ist das Teuerste, was es geben kann. Aber wir können und müssen dahinkommen. In der EU wurde die Quote auf 1,2 Prozent PtL ab 2030 gesetzt, danach soll sie weiter steigen. Das wird mehr kosten.
Im Rahmen seiner Wachstumsstrategie setzt Neste auf Innovation, wobei erneuerbarer Wasserstoff und Power-to-X zwei unserer wichtigsten Entwicklungsbereiche sind.
Auch wenn bis 2035 ein kommerzielles Wasserstoffflugzeug in Dienst gehen würde – bei einer Flotte aus 40.000 bestehenden Flugzeugen wird es eine Weile dauern, bis Wasserstoff einen signifikanten Anteil am Treibstoff ausmacht. Bis 2050 werden Wasserstoffflugzeuge meiner Meinung nach nicht das schaffen, was wir zur Dekarbonisierung brauchen. Auch die ganze Lieferinfrastruktur müsste neu aufgestellt werden.
Klimafreundliches Fliegen hat seinen Preis. Aber um das ins Verhältnis zu setzen: Ein Prozent SAF auf einem europäischen Flug würde vielleicht jeden Passagier einen Euro mehr kosten, zehn Prozent würden zehn Euro kosten – zumindest bei HEFA. SAF ist teurer, aber fossile Treibstoffe sind keine langfristige Lösung und ihre Auswirkungen werden uns als Gesellschaft deutlich mehr kosten.