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Spezialtransporter Beluga: Die stillen Helden des Airbus-Erfolgs

Spezialtransporter Beluga
Die stillen Helden des Airbus-Erfolgs

Eine interne Airbus-Airline verknüpft die Werke der Partner mit den Endmontagelinien. Dabei kommen großvolumige Spezialtransporter zum Einsatz, die maßgeschneidert in Kleinserie entstanden – eine Übersicht.

Die stillen Helden des Airbus-Erfolgs
Foto: Airbus

Es klingt verblüffend, aber ausgerechnet der seltenste, dickste und nur von Insidern beachtete Airbus ist der wichtigste: der Airbus Beluga ST beziehungsweise sein noch größerer Nachfolger, der Airbus Beluga XL. Nur mithilfe der voluminösen Großraumtransporter kann Airbus arbeitsteilig, hochspezialisiert und dadurch effizienter dezentral in den Werken der Partner produzieren und am Ende deren vormontierte, verkabelte und getestete Sektionen, Flügel und Leitwerke an die zentralen Endmontagelinien liefern. Dort muss man alles nur noch zusammenstecken. 95 Prozent der Arbeit und Wertschöpfung sind dann schon "upstream", also "stromaufwärts", wie es im Branchenjargon heißt, bei den Partnern erledigt worden. Das klappt aber nur, wenn alle Teile pünktlich am richtigen Ort sind.

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Airbus / Archiv FLUG REVUE
Ende der Neunziger reichte die Super Guppy Turbine nicht mehr aus. Die auf der A300-600 basierenden Belugas sollten abhilfe schaffen.

Die Idee zum Lufttransport

Die kühne Idee zum Lufttransport ganzer Sektionen und kompletter Flügel und Leitwerke soll auf den ersten Airbus-Produktionsdirektor Felix Kracht zurückgehen, der Anfang der Siebzigerjahre auf die Super Guppy aufmerksam wurde, einen bei Aero Spacelines in Kalifornien aus gebrauchten Boeing C-97J Stratocruisern umgebauten, viermotorigen Großraumfrachter für Raketensektionen. Die UTA-Tochter "Aéromaritime" flog mit gebraucht gekauften Super Guppies bald auch für den "Airbus Skylink", die interne Frachtlinie zwischen den Partnern. In den Neunzigerjahren reichte die Super Guppy jedoch größenmäßig nicht mehr aus und kam als altgedienter Turboprop-Transporter auch langsam, aber sicher an die Grenze ihrer wirtschaftlichen Lebensdauer.

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Entwicklung eines Super Transporters

Genau jetzt standen bei Airbus die Zwillingsprogramme A330 und A340 vor der Tür, deren viel größere Flügel ebenfalls per Flugzeug transportiert werden sollten. – Das Aufkommen stieg erheblich. Also entwickelte Airbus dafür einen eigenen Spezialtransporter, die Beluga ST. Das zweistrahlige Flugzeug – gebaut wurden zwischen 1992 und 1995 fünf A300-600ST (Super Transporter) – basiert kostensenkend auf der damals bei Airbus ohnehin produzierten A300-600R, deren Flügel, Leitwerk und unterer Rumpf übernommen wurden. Nach dem Muster der Super Guppy erhielt der Rumpf einen voluminösen, aber hier wesentlich größeren Aufbau zur Aufnahme der Fracht. Anders als die Super Guppy, die zur Beladung ihren Bug mit Cockpit seitlich wegschwenken und öffnen kann, hat die Beluga am Bug ein nach oben hochklappbares Frachttor. Das Cockpit wurde tiefergelegt, in eine tropfenförmige, feste Gondel unter dem Hauptdeckniveau. Dadurch kann man eine Beluga bequem und schnell von vorn beladen.

Airbus testet in Manching die Verladung einer Sikorsky CH-53 der Luftwaffe in eine BelugaST.
Airbus
Beluga-Verladung einer CH-53. Der Rotorkopf muss nicht demontiert werden.

Viel Fracht auf kurzer Piste

Erneut stiegen die Transportbedürfnisse mit dem Bau der A350. Deren CFK-Flügel großer Streckung – sie sind bei 64,7 Metern Spannweite 4,5 Meter länger als ein A330-Flügel und tiefer – sollten nun sogar gleich paarweise befördert werden können, und zwar für jeweils ein komplettes Flugzeug, um bei vertretbarem Aufwand mit den geplanten Produktionsraten Schritt halten zu können. In die Beluga ST passte immer nur eine A350-Flügelseite. Außerdem wollte Airbus auch für die geplanten höheren Produktionsraten der A320-Familie die Transporterflotte erweitern, denn auch die Sektionen und Flügel der heute in nie gekannter Stückzahl zu bauenden A320neo-Familie werden, jedenfalls innerhalb Europas, per Luftfracht transportiert. Allein zwischen 2014 und 2017 hatte sich das Beluga-Flugaufkommen verdoppelt.

Airbus
Auch für die stark steigende Produktion der A320neo-Familie ist die neue Beluga XL nützlich.

Großer Bruder

Die A330-743L Beluga XL, so der Name der vergrößerten Generation mit 30 Prozent mehr Nutzlast, basiert auf der A330-200F, also der serienmäßigen A330-Frachtversion. Dabei ist die Rumpflänge eine Mischung aus A330-200 und A330-300, denn einerseits soll die Beluga XL für die A350-Flügel möglichst lang und voluminös sein, andererseits muss ihre Startleistung mit voller Beladung für Starts am Airbus-Flügelwerk im walisischen Broughton reichen, wo am Flugplatz Hawarden nur eher knappe 2042 Meter Pistenlänge zur Verfügung stehen. Beim Programmbeginn für die Beluga XL, Ende 2014, wurde der Kostenrahmen für die Entwicklung und den Bau von fünf Flugzeugen mit einer Milliarde Euro festgelegt – nicht viel für eine Kleinserie maßgeschneiderter Spezialtransporter. Später erhöhte man die Stückzahl auf sechs Flugzeuge.

Airbus
Die maßgeschneiderte Beluga XL hat einen 45 Meter langen Frachtraum und schluckt mühelos A350-Flügelpaare.

Computer konstruiert mit

Als Basis für die Beluga XL nimmt Airbus A330-200-Frachter aus der laufenden Serienfertigung. Die oberen Rumpfröhren der schon vormontierten Zellen werden gleich wieder oberhalb des Hauptdeckfußbodens abgetrennt, damit hier später der voluminöse Beluga-XL-Aufbau aufgesetzt werden kann. Er entsteht bei P3 Voith Aerospace in Hamburg (Entwurf) und bei Deharde in Varel (Bau) mithilfe einer neuartigen Computersoftware, die, erstmals bei Airbus, aus den strukturellen Lastvorgaben der Ingenieure automatisch die optimale Struktur für den Mittelteil des Aufbaus, die sogenannte "Bubble" (Blase), errechnete. Wesentliche Zulieferungen kommen außerdem von STELIA Aerospace (Bugspitze und Frachttor), Aernnova (Rumpfheck) und Aciturri (verlängertes Höhenleitwerk mit Endscheiben). Endmontiert beziehungsweise umgebaut werden alle Beluga XL im Hangar L34 in Toulouse, also separat von der A330-Endmontagelinie.

Airbus
Die tropfenförmige Cockpitsektion bietet auch noch Platz für ein kleines WC und für bis zu vier mitreisende Kuriere. Man steigt durch eine Art Boden- luke mit eingebauter Trittleiter ein.

Damit man von vorn zur Beladung direkt an den Frachtraum kommt, rückte das Cockpit, wie bei der Beluga ST, auch bei der XL eine Etage tiefer, auf das Niveau des vorderen Unterdecks. Zur ständigen Besatzung gehören zwei Piloten und ein Lademeister. Außerdem können im Cockpitdeck, das sogar über eine kleine Toilette verfügt, noch bis zu vier Frachtbegleiter mitfliegen. Elf Stammdestinationen werden mit der Beluga-XL-Flotte regelmäßig bedient. Damit die Großraumtransporter bei jedem Wetter pünktlich sind, hat Airbus alle Hauptstandorte mit einem Baukastensystem sturmfester Ladehallen ausgestattet, in welche die Beluga jeweils mit der Nase voran rollt. Die Hallenhöhe reicht, um das Frachttor innen sturmgeschützt zu öffnen. Dann fährt das bereits auf Spezialpaletten verankerte Ladegut von einer rollenden Hubplattform direkt ans Maul der Beluga XL, die nach dem Be- oder Entladen sofort wieder starten kann.

Airbus
Das Cockpit der Beluga XL entspricht dem einer normalen A330, es liegt aber eine Etage tiefer auf Unterdeckniveau.

Altersteilzeit als Frachter

Weil die neue Flotte der verbesserten Beluga XL die bisherige Beluga ST im täglichen Transportbetrieb bei Airbus abgelöst hat, bietet der Flugzeughersteller seine fünf kleineren, aber technisch noch jungen Transporter mittlerweile am kommerziellen Frachtmarkt für Luftfracht mit Übermaß an. Typisches Ladegut sind kostbare Einzelstücke, deren Zerlegung sehr aufwendig wäre, darunter Hubschrauber und Satelliten. Aber auch besonders eiliges Ladegut auf konventionellen Paletten, etwa für die Katastrophenhilfe, lässt sich jederzeit transportieren. Sogar großformatige Louvre-Ölgemälde wurden bereits schonend per Beluga verschickt. Für das kommerzielle Einsatzfeld der Beluga ST, abseits der bisherigen Airbus-Ladedocks, hat der Hersteller mittlerweile eine zerlegbare Ladeplattform entwickelt, die vorab am Zielort aufgebaut werden kann. Alternativ gibt es auch einen etwas kleineren Hubtisch, der an Bord mitreisen kann und leichtes und mittelschweres Ladegut selbsttätig, ohne jegliche Bodengeräte, an Bord hievt.

Airbus
Endscheiben am Höhenleitwerk und Strakes unter dem Heck verbessern die Stabilität hinter dem XL-Rumpfaufbau.

Die Familie der Supertransporter

Airbus Beluga XL
Herstellerbezeichnung: Airbus A330-743L Beluga XL (Extra Large)

Nr. 1, F-GXLG
Erstflug 19. Juli 2018 als F-WBXL. Ausgeliefert im September 2022. Aktiv. ILA-Besuch im Juni 2022.

Nr. 2, F-GXLH
Erstflug 15. April 2019 als F-WBXS. Ausgeliefert im Januar 2022. Aktiv.

Nr. 3, F-GXLI
Erstflug 2. Juli 2020 als F-WWKY. Aktiv.

Nr. 4, F-GXLJ
Erstflug 20. Juli 2021 als F-WWCO. Ausgeliefert im Oktober 2021. Aktiv.

Nr. 5, F-GXLN
Erstflug 21. Juli 2022 als F-WWKO. Ausgeliefert im September 2022. Aktiv.

Nr. 6
Dezember 2021: Lieferung des A330-Rumpfes in die Umbauhalle, Werknummer MSN2041, im Bau.

Airbus Beluga ST
Herstellerbezeichnung: Airbus A300B4-608ST (Super Transporter)

Nr. 1, F-GSTA
Erstflug 13. September 1994 als F-WAST, Einsatz ab Oktober 1995 bei Airbus Transport International. Eingelagert im April 2021.

Nr. 2, F-GSTB
Erstflug 26. März 1996. Ausgeliefert im April 1996. Eingelagert im Oktober 2020.

Nr. 3, F-GSTC
Erstflug 21. April 1997. Ausgeliefert im November 1997. Eingelagert im März 2021, aktive Rückkehr im Mai 2021.

Nr. 4, F-GSTD
Erstflug 9. Juni 1998, Ausgeliefert am 18. Dezember 1998, aktiv und im Einsatz als kommerzieller Spezialfrachter. Darunter im Dezember 2021 mit einem Hubschrauber aus Marseille nach Kobe, Japan.

Nr. 5, F-GSTF
Erstflug 12. Dezember 2000. Ausgeliefert im Januar 2001. Aktiv.

Airbus Super Guppy
Herstellerbezeichnung: Aero Spacelines 337SGT-201F Super Guppy

Nr. 1, F-BTGV
Erstflug 24. August 1970, seit 1971 bei Airbus, abgestellt 1996, Verbleib: Bruntingthorpe, British Aviation Heritage Museum, nach der Museumsschließung dort 2020 verschrottet.

Nr. 2, F-BPPA
Erstflug 24. August 1971 als N212AS, seit 1973 bei Airbus, abgestellt 1996, Verbleib: Museum Aeroscopia Toulouse, Innenraum begehbar als Kinosaal.

Nr. 3, F-GDSG
Erstflug 1. Juli 1982, abgestellt 1997, Verbleib: Airbus-Sammlung Finkenwerder, Lackierung erneuert.

Nr. 4, F-GEAI
Erstflug 21. Juni 1983, abgegeben 1997 an NASA, aktiv als N941NA.

Die aktuelle Ausgabe
FLUGREVUE 06 / 2023

Erscheinungsdatum 05.05.2023