Luftfahrtregion Hamburg: Das Herz der deutschen Luftfahrt

Luftfahrtregion Hamburg
Hier schlägt das Herz der deutschen Luftfahrt

Veröffentlicht am 06.07.2025

Der "Michel", Schiffe – und Flugzeuge: Bekannt ist die Hansestadt als Heimat der erfolgreichen A320-Familie von Airbus, heute wird dort auf vier Linien die Hälfte aller A320 endmontiert. An den Standorten Finkenwerder, Stade und Buxtehude beschäftigt der europäische Flugzeughersteller rund 18 000 Menschen. Fast 10 000 sind zudem bei Lufthansa Technik in Hamburg tätig. Insgesamt bietet die Luftfahrtbranche in der Metropolregion 48700 Menschen Arbeit. Die Wurzeln der Hamburger Luftfahrt reichen bis ins Jahr 1911 zurück, als nahe des Dorfes Fuhlsbüttel die erste Luftschiffhalle gebaut und der Hamburger Flughafen gegründet wird. Er gilt damit als einer der ältesten Verkehrsflughäfen der Welt und ist der dienstälteste internationale Airport in Deutschland. Mit 14,83 Millionen Fluggästen im Jahr 2024 liegt er im deutschen Vergleich auf Platz fünf.

Seefernaufklärer BV 138 von Blohm + Voss im Tiefflug über Gewässer
FR-Archiv

Von der Werft zum Flugzeugbau

Den Grundstein für den heute so erfolgreichen Flugzeugbaustandort legt 1933 ein Schiffsbauer: Walther Blohm, Ingenieur und Leiter von Blohm + Voss, gründet die Hamburger Flugzeugbau GmbH (HFB) als Tochterfirma der Schiffswerft. Die entsprechenden Produktionshallen werden in Finkenwerder gebaut. Bis 1945 entstehen dort, forciert durch die deutsche Luftwaffe, das Ganzmetallflugzeug Ha 136 B und das Flugboot BV 138 sowie weitere Eigen- und Lizenzbauten. Blohms Vision ist aber bereits damals der Bau großer Flugzeuge für Atlantiküberquerungen. Nach Ende des Zweiten Weltkriegs werden die Anlagen in Finkenwerder von den Engländern fast komplett demontiert und zerstört. Doch Blohm gründet 1954 die Flugzeugbau Nord GmbH, an der auch die HFB beteiligt ist. Das Unternehmen soll unter anderem für die Bundeswehr Noratlas-Transportflugzeuge in Lizenz herstellen. Später ist die Flugzeugbau Nord auch am Nachfolgemodell Transall C-160 beteiligt. 1956 baut HFB, ohne finanzielle Unterstützung der Stadt, die Start- und Landebahn in Finkenwerder. Die 1950er-Jahre sind auch für die Entstehung des heutigen Weltmarktführers in der Flugzeuginstandhaltung, Lufthansa Technik, prägend. Neben dem Flughafen Fuhlsbüttel wird 1954 das erste Werkstätten- und Lagergebäude für die Deutsche Lufthansa fertiggestellt. Ein Jahr später wird die Doppel-Flugzeughalle eingeweiht. Hier können bis zu zehn zweimotorige oder sechs viermotorige Flugzeuge gleichzeitig gewartet werden. Noch heute ist das Gebäude in Betrieb. In den 1960er-Jahren wird in Finkenwerder mit dem HFB 320 Hansa Jet der erste deutsche Passagierjet entwickelt und in kleiner Stückzahl gebaut. Die HFB schließt sich 1969 mit der zuvor fusionierten Messerschmitt AG und der Bölkow GmbH zur Messerschmitt-Bölkow-Blohm GmbH (MBB) zusammen. 1989 wird die MBB von der damaligen Daimler-Benz AG übernommen und geht später im Airbus-Konzern auf.

Roboter-gestützte Strukturmontage in Finkenwerder von Airbus
Airbus / Michael Lindner

Airbus-Werk in Finkenwerder

Enormen Aufschwung erlebt der Standort Hamburg mit der Einführung der A320 in den 1980er-Jahren. In Hamburg sitzt bis heute die Programmleitung der erfolgreichen Standardrumpfjet-Familie. Die vier Endmontagelinien außerhalb der Hansestadt (zwei in Toulouse, eine in Mobile/USA, eine in Tianjin/China) sind nach dem Muster in Hamburg aufgebaut. Auch der größte Airbus-Jet, die A380, ist bis zum Programmende im Dezember 2021 ein wichtiger Teil des Hamburger Flugzeugbaus: In Finkenwerder werden Sektionsmontagen für mehrere Rumpfsektionen durchgeführt, zudem befindet sich dort die Kabinenausrüstung und Lackierung sowie das Auslieferungszentrum, wo die neuen Superjumbos an die Airline-Kunden übergeben werden.

Netzwerk aus rund 300 Unternehmen

Airbus, Lufthansa Technik, der Hamburger Flughafen und ihre Vorgänger haben viele weitere Luft- und Raumfahrtunternehmen angezogen. Heute gibt es rund 300 Zulieferer und Dienstleister in der Metropolregion. Viele von ihnen werden von den drei Verbänden Hamburg Aviation, Hanse-Aerospace und HECAS vertreten. Neben Flugzeugbau und Instandhaltung ist der Bereich Flugzeugkabine in den vergangenen Jahrzehnten zu einem wichtigen Schwerpunkt für die Hamburger Luftfahrtindustrie geworden. Außer Airbus und Lufthansa Technik finden sich in der Metropolregion Hamburg weitere große Namen, darunter Diehl Aviation, der französische Technologiekonzern Safran, die französische Groupe Latécoère, der US-amerikanische Zulieferer Collins Aerospace – und Boeing. Diehl Aviation entwickelt und baut in Hamburg vor allem für Airbus Lavatories (siehe FR 04/25). Safran ist mit verschiedenen Geschäftsbereichen vertreten, darunter Safran Nacelles, das die LEAP-Triebwerksgondeln für die A320neo integriert, Safran Helicopter Engines, das unter anderem Hubschraubertriebwerke für Rettungs-, Polizei- und Militärhelikopter wartet, und Safran Cabin Hamburg, das Kabinenkontrollsysteme, integrierte elektronische Komponenten, Sensoren und Instrumentenpanels produziert. Latécoère plant und fertigt in der Hansestadt Kabelbäume. Collins Aerospace hat in Finkenwerder eine Niederlassung für die Triebwerksgondelintegration des Getriebefans von Pratt & Whitney. Der Airbus-Konkurrent Boeing betreibt in Henstedt-Ulzburg bei Hamburg mit Boeing Distribution Services ein Warenhaus, das hochvolumige Kleinteile und chemische Produkte für die Luft- und Raumfahrt vertreibt.

Safran Nacelles Werk in Hamburg-Harburg mit LEAP-1A-Triebwerken
Adrien Daste / Safran

Innovation aus Hamburg

Die Luftfahrtregion Hamburg hat aber auch weniger bekannte, jedoch nicht weniger interessante Firmen zu bieten. Beispiele sind Jetlite, 3D.aero und Soji AI. Jetlite beschäftigt sich mit Kabinenlösungen, die den Jetlag auf Langstreckenflügen reduzieren. Dazu gehört eine chronobiologisch wirksame Kabinenbeleuchtung. Mit Topmodel und Vielfliegerin Toni Garrn konnte das Unternehmen2018 eine prominente Gesellschafterin gewinnen. Zu den Kunden gehört unter anderem der Lufthansa-Konzern und Finnair. 3D.aero hat sich auf Automatisierungs- und Messtechniksysteme spezialisiert. Das 2017 gegründete Unternehmen bietet Sensorlösungen in den Bereichen Hochpräzisions-Oberflächeninspektion und Lackierautomatisierung sowie im Anlagenbau. Ende 2024 wurde 3D.aero vom Münchner Triebwerkshersteller MTU Aero Engines übernommen. Soji AI entwickelt KI-Lösungen für die Instandhaltungsbranche. So soll unter anderem die Wartungsplanung optimiert werden. Das 2023 gegründete Start-up hat auch eine Filiale in Singapur. Um den Nachwuchs passend auszubilden, gibt es in Hamburg gleich vier Hochschulen, die wichtige Fähigkeiten und Fertigkeiten für eine Tätigkeit in der Luftfahrt vermitteln: die Helmut-Schmidt-Universität (Universität der Bundeswehr), die Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW), die Technische Universität Hamburg (TUHH) sowie die Universität Hamburg (UHH). Im Angebot sind neben klassischen Ingenieursstudiengängen wie Maschinenbau und Elektrotechnik auch Flugzeugbau oder Luftfahrttechnik.

ZAL TechCenter von Lufthansa Technik
Lukas Kirchner

Forschung für die Zukunft

Auch im Bereich der zivilen Luftfahrtforschung hat sich Hamburg einen internationalen Namen gemacht. Neben forschenden Hochschulinstituten ist beispielsweise das ZAL Zentrum für Angewandte Luftfahrtforschung bekannt. Im ZAL TechCenter in Finkenwerder arbeiten seit 2016 Wirtschaft und Wissenschaft gemeinsam daran, Flugzeuge leiser, smarter und effizienter machen. Das Ziel ist dabei, neue Produkte schneller zur Marktreife zu bringen. Forschungsschwerpunkte sind neben Kabinentechnologien unter anderem die Bereiche Automatisierung, künstliche Intelligenz und Brennstoffzellen. Seit den 1950er-Jahren sind in Hamburg zudem das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) bzw. seine Vorgängerorganisationen angesiedelt. Heute befinden sich sechs DLR-Institute dort: für Instandhaltung und Modifikation, Systemarchitekturen in der Luftfahrt, Technische Thermodynamik, Luftverkehr, Luft- und Raumfahrtmedizin sowie Softwaretechnologie. Und auch für die Zukunft ist Hamburg in Sachen Flugzeugbau gut gerüstet. Nach der Auslieferung der letzten von 251 gebauten A380 im Dezember 2021 an den größten Betreiber Emirates wurden die Montageflächen umgewidmet – für das neue Airbus-Standardrumpf-Flaggschiff A321XLR. Bisher liegen mehr als 550 Bestellungen für den kleinen Langstreckenjet vor. Hamburg wird also weiter A320-Heimat sein.