Köln Bonn Airport rüstet sich gegen Chaos-Sommer

Neues Airport Operations Control Center
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Der Flughafen Köln Bonn rüstet sich gegen Chaos-Sommer

© Köln Bonn Airport 9 Bilder

Nach dem Chaos bei der Abfertigung im Sommer 2022 rüsten sich die deutschen Verkehrsflughäfen in diesem Jahr gegen eine Wiederholung. Am Köln Bonn Airport ist das neue Airport Operations Control Center (AOCC) Herzstück der Hoffnung.

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Der Jahres-Spitzentag beim Aufkommen sei 2022 nicht im Sommer, sondern erst im Herbst mit über 40 000 abgefertigten Passagieren erreicht worden, erinnert sich Kölns Flughafenchef Thilo Schmid Mitte März bei einer Führung durch das neue Airport Operations Control Center (AOCC). Damals seien massenweise zurückkehrende Sommerurlauber auf in großer Zahl abfliegende Herbstpassagiere getroffen. Die neue Betriebszentrale in einer oberen Etage des Kölner Hauptgebäudes versammelt Spezialisten aus allen operativen Bereichen des Flughafens, von Behörden und Fremdfirmen in einem Saal. Die Idee dahinter: kürzeste Wege und maximale Reaktionsschnelligkeit. Denn typische Ausnahmesituationen an Flughäfen fielen häufig sehr unterschiedlich aus. Es gehe deshalb nicht darum, standardisierte Verfahren abzuspulen, sondern gemeinsam schnell zu einer jeweils maßgeschneiderten, neuen Lösung zu finden. Dafür sitzen hier rund um die Uhr Vertreter aus 24 Betriebsbereichen des Flughafens, bei Bedarf situationsabhängig ergänzt um weitere Spezialisten, etwa für die Flugzeugenteisung.

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Eine verstärkte Prozessorientierung sei die Philosophie des AOCC, sagt dessen Leiter Patrick Gontar, der von der DFS kommt. So begleite man Passagiere, Gepäck oder Fracht vom Eintreffen bis zum Abheben oder nach der Landung möglichst nahtlos durch die Abläufe.

Chaos verhindern

Das neue AOCC soll ein nochmaliges Abfertigungschaos wie im Jahr 2022 verhindern, als coronabedingt hohe Krankenstände, den noch flauten- und sparkursbedingt geschrumpften Personalstamm überforderten, während reiselustige Urlauberscharen in unerwartet großer Menge schon wieder vor der Tür standen. Ganze Nächte schlugen sich genervte Passagiere damals stehend um die Ohren, um die stundenlange Warteschlange zu passieren, die wie ein massiver Menschenblock quer durch beide Terminals führte und zeitweise sogar noch bis auf die Straße davor reichte. Mancher Passagier verpasste seinen Flug, einmal musste die Bereitschaftspolizei sogar tumultartige Szenen schlichten.

Aufbau in sechs Monaten

Im Schnellverfahren ließ Thilo Schmid daraufhin ab Herbst sein AOCC einrichten. Seit Mitte März läuft es im regulären Betrieb, ab Mai, rechtzeitig zum Sommer, dann mit voller Leistung. Gut zehn Millionen Euro kosten die Infrastruktur und die neuen Arbeitsprozesse. Die Investition werde sich rentieren, verspricht der Flughafengeschäftsführer. Bei den großen Drehkreuzflughäfen seien vergleichbare Einrichtungen schon länger üblich, bei Flughäfen wie Köln –mit zehn Millionen Passagieren im Jahr eher in der mittleren Kategorie – seltener. Man nutze die Erfahrungen der Vorgänger für eine verbesserte Generation. Vor einer 15 Meter breiten Bildschirmwand, die sich frei belegen lässt, sitzen die Spezialisten an ihren Plätzen, nochmals mit eigenen Monitoren für ihre jeweiligen Bereichspläne, Tabellen und Lagedaten. An der zentralen Bildschirmwand in der Mitte sehen alle groß ein aktuelles Luftlagebild der DFS, ganz links den Bereitschaftsstatus der Flughafenfeuerwehr, daneben detaillierte Flugpläne und Gate-Belegungen, Webcam-Bilder der jeweils wichtigsten Vorfelder und Flugbetriebsflächen sowie ausführliche Wind- und Wetterdaten und die Website von "Windy", die, weit aufgezogen, eine Live-Wetterkarte etwa zwischen Posen und Südengland abbildet, natürlich mit Köln in der Mitte.

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Flughafen-Geschäftsführer Thilo Schmid sieht das AOCC auch als strategische Investition, um zusätzliche Airlines für den Köln Bonn Airport zu gewinnen.

Alles im Blick

Den wichtigsten Job hat der "Airport Duty Manager", dem ein großer Lageplan, wie ein Live-Grundriss von oben, die aktuelle Situation an den Sicherheitskontrollen zeigt. Als rote Punkte erkennt man stilisierte Passagiere, die gerade die Kontrolle passieren. "39 Sekunden Wartezeit", sagt die Duty-Managerin zufrieden. Im März war noch nicht so viel los, im Durchschnitt etwa 15 000 Fluggäste am Tag. Das kann sich schnell ändern. Am 14. April gab es bereits einen Spitzentag mit etwa 30 000 Passagieren. Im Sommer könne sich die Passagierzahl pro Tag sogar verdreifachen und auch kurzfristig anschwellen, und zwar in unregelmäßigen Wellen über den Tag gehäuft, sagt Schmid. An Donnerstagen, Freitagen und Samstagen bildeten sich oft Spitzen, die mehr Steuerungsaufwand erforderten.

Neben dem allgemeinen Passagierkomfort sei die dauerhaft pünktliche Abfertigung für den Flughafen aber auch wichtig, um neue Airlines zu akquirieren. Diese müssten sich darauf verlassen können, dass neue Flüge stets regelmäßig abgefertigt würden. Auch die Passagiere brauchten Verlässlichkeit am Flughafen, schlimmstenfalls wanderten diese sonst an Konkurrenzstandorte ab.

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Platzhirsch Eurowings beteiligt sich am Ausbau der Abfertigungsschalter und Automaten.

Security in eigener Regie?

Auf mittlere Sicht träumt Thilo Schmid davon, die praktische Steuerung der Sicherheitskontrollen in "CGN" von der Bundespolizei übernehmen zu dürfen, so wie der Flughafen Frankfurt. Bisher könne er keine zusätzlichen CT-Handgepäckscanner zur schnelleren Passagierkontrolle bestellen, da dies ausschließlich über das Bundespolizeipräsidium in Potsdam und dessen Beschaffungsstelle laufen dürfe. Immerhin habe der Flughafen schon 200 neue Mitarbeiter eingestellt und setze die Werbung fort. Im Terminal gehen vor dem Sommer neue Abfertigungsautomaten und getrennte "Baggage-Drop"-Schalter in Betrieb. Zudem werden mehr Sitzgelegenheiten, auch für Reisende mit eingeschränkter Mobilität, geschaffen. Große Packtische sollen den abfliegenden Passagieren das Umpacken und Aussortieren in letzter Sekunde erleichtern, so dass sich keine Staus in den Sicherheitskontrollspuren bilden. Auch mehr Vorabend-Check-in und vorbestellte Termine für die Sicherheitskontrolle ("CGNGateWay") sollen die Aufkommensspitzen besser bändigen.

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Etwaige Störungen können dank des AOCC frühzeitig erkannt und angegangen werden. Dafür sitzen hier rund um die Uhr Vertreter aus 24 Betriebsbereichen des Flughafens, bei Bedarf situationsabhängig ergänzt um weitere Spezialisten.

Die Spezialisten im AOCC

Airport Duty Manager: Steuerung
Operations Control: Passagierabfertigung und Gepäck
Ops Support: Verspätungen und fehlende Passagiere
Ops Controller: Fracht
Ops: Flugzeugabfertigung
Verkehrsleiter vom Dienst: sicherer Flugbetrieb
Verkehrszentrale: Passagiere Schengen/Non-Schengen
Gepäckdienst: Be- und Entladen von Flugzeugen
Flugzeugabfertigung: Busse, Geräte, Ladegruppen
Winterdienst: Enteisung von Flächen und Flugzeugen
Terminalservice im Sommer
Bundespolizei: 14 "normale" Kontrollspuren und zwei mit modernsten CT-Scannern (doppelte Kapazität)
Bundespolizei-Dienstleister: Securitas
Dienstleister: Cologne Aviation Services für die Allgemeine Luftfahrt
Abfertiger: AHS und WISAG
Airlines: UPS und Eurowings

AOCC in Zahlen

Gesamtfläche: 500 m²
Fläche Leitstand: 310 m²
Betriebszeit: 24 Stunden an sieben Tagen pro Woche
Ständige Arbeitsplätze: 24, mit Erweiterungsmöglichkeiten
Airlines im Winterflugplan: 18
Ziele im Winter: 71
Airlines im Sommer: rund 30
Ziele im Sommer: rund 100
Passagiere im Jahr 2022: 8,8 Mio.
Flugbewegungen im Jahr 2022: 120 000
Erwartete Passagiere 2023: 9,5 Mio.

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