Neues Boeing-Verkehrsflugzeug: 777-9 biegt auf die Zielgerade im Zulassungs-Endspurt

Triple-Fortschritt bei neuem Verkehrsflugzeug
Zulassungs-Endspurt für die Boeing 777-9

ArtikeldatumVeröffentlicht am 31.08.2025
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Flughafen Paine Field, in Everett bei Seattle, am Vormittag des 5. August: Nahe der gigantischen Boeing-Werkhalle setzt Boeing-Testpilot Ted Grady Startschub, um mit der nagelneuen, heute nur leicht betankten Boeing 777-9, N2007L (Werknummer 1723, Boeing-Produktionskürzel WH286), als Flug "BOE 286" von der Runway 16R kraftvoll-kurz abzuheben. Zweieinhalb Stunden dauert der heutige "B1"-Flug, ein standardisierter Erstflug, mit dem der Hersteller alle Funktionen jedes neu gebauten Flugzeugs nach einem festen Ablauf überprüft. Eine große Runde über Washington State, erst nach Westen an die Pazifikküste, dann nach Süden, schließlich nach Osten, dann nordwärts und, nach einem niedrigen Überflug am Flughafen Moses Lake, zurück nach Everett.

Erstflug der Boeing 777-9 WH286 am 5. August 2025
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Von Everett in die Testflotte

Bei seinem jüngsten Erst- und "B1"-Flug erreichte die 777-9 typische 11 900 Meter Flughöhe und bis zu Mach 0.84 (511 Knoten) Geschwindigkeit. An Bord waren neben 777-Cheftestpilot Kapitän Ted Grady auch noch 777-9-Projektpilot Kapitän Mark Brown und in der Kabine die Test-Systemingenieure Zach Lewis und Joel Conard sowie die Flugtest-Analysten Cody Bruinsma und Mike Deutsch. "Sie fliegt sich sehr schön und bringt genau die erwarteten Leistungen", lobte Grady nach dem Flug. "Jetzt werden wir die 777-9 gemeinsam zulassen und sie in die Kundenflotten bringen." Fast fünf Jahre dauerte es, bis wieder eine neue 777-9 starten konnte; 20 Kundenflugzeuge warten, bereits auf Halde gebaut und noch mit Ballastgewichten statt Triebwerken behängt, auf einer früheren Startbahn in Everett auf ihre Fertigstellung und Auslieferung. Die kann aber erst erfolgen, wenn das FAA-Zulassungsprogramm abgeschlossen ist. Und genau dabei soll auch die neueste WH286 als jetzt fünftes Flugzeug helfen, damit es endlich schneller geht. Außergewöhnlich lange 4000 Stunden waren die vier bisherigen Testflugzeuge bei 1400 Testflügen bereits für das Programm in der Luft. Etwa doppelt soviel wie sonst üblich.

Ted Grady, Boeings 777X Chief Pilot, bei der Vorflugkontrolle
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Fünfter Jet hilft beim Testen

Noch vor einem Jahr blieb die Flotte kurzzeitig am Boden, weil Boeing Risse in den Triebwerksaufhängungen entdeckt hatte. Ursache waren Resonanzen im Triebwerk, die durch veränderte Materialstärke der Träger und anders montierte Anbauteile im Triebwerk beseitigt werden konnten. Mittlerweile ist die Flotte wieder in der Luft und absolviert auch anspruchsvollere Tests, wie Bremsentests und Seitenwindlandungen, die man erst gegen Ende eines Testprogramms ansetzt. Die neueste WH286, ein späteres Kundenflugzeug von 31 bestellten 777-9 für Singapore Airlines, soll nun vor allem für die Überprüfung der elektromagnetischen Störfestigkeit genutzt werden. "High Intensity Radiated Field" (HIRF), nennt Boeing dieses Kapitel, zu dem auch Blitzschutztests gehören.

Boeing 777-9 Cathay Pacific
Boeing

Weltpremiere bei Lufthansa

Für 2026 hofft Boeing neuerdings auf die ersten Auslieferungen– um Jahre verspätet. Wahrscheinlich wird Lufthansa die weltweit ersten Kundenflugzeuge übernehmen. Die 777-9 ist heute das größte Verkehrsflugzeug am Markt und der größte Zweistrahler.

Boeing 777-8 Frachter
Boeing

Erster Frachter im Bau

Schon seit dem 22. Juli läuft unterdessen bei Boeing in Everett auch der Bau des ersten Frachters der neuen 777-Generation 777X. Den Beginn der Metallbearbeitung für den knapp 33 Meter langen Holm der ersten 777-8F übernahm Boeing-Mitarbeiter Casey McDowell mit einem spanischen Präzisions-Bohrroboter von MTorres. Er setzt Bohrungen, versäubert und versiegelt diese und kann auch sogenannte Filler und Bolzen einsetzen. Allein 100 Mitarbeiter hat Boeings Abteilung für den neuen 777X-Verbundwerkstoffflügel, der im neuen Composite Wing Center gleich neben der Endmontagehalle gebaut wird. Der erste 777-8 Freighter, zugleich das erste Flugzeug der verkürzten Version 777-8, soll 2028 ausgeliefert werden. Als dritten großen Fortschritt konnte Boeing schließlich noch einen neuen Großauftrag für die 777-9 von Cathay Pacific verbuchen. Die renommierte chinesische Airline aus Hongkong orderte nochmals 14 Boeing 777-9 und bringt ihren Auftragsbestand damit auf 35 Exemplare. Im zweiten Quartal 2025 hatte auch schon Qatar Airways 30 Boeing 777-9 bestellt. Damit hat Boeing bereits 550 feste Aufträge für den erneuerten Riesentwin, der eine Reichweite von 13 510 km schafft, dabei 20 Prozent weniger Treibstoff verbrauchen, entsprechend weniger Abgas ausstoßen und 40 Prozent leiser fliegen soll.