Die Runway reichte nicht: Fast 300 Meter schoss Volga Dnepr-Flug VI4066 bei der Landung über die 3,6 Kilometer lange Piste 25 von Tomalchewo. Dabei verlor die riesige An-124 ihr Bugfahrwerk, setzte sich bäuchlings in den Schnee und kam nach bangen Sekunden endlich zum Stehen. Erste Fotos vom Unfallort zeigen die weiß lackierte Maschine mit geborstenem Triebwerk unter der linken Fläche, Rumpf und Flügelwurzel übersät mit Löchern. Eindrucksvolle Bilder, die schnell suggerieren: Hier geht es nicht allein um einen "Runway Overrun". Hier muss sich schon davor Dramatisches ereignet haben.

Explosion und Stromausfall
Wenige Minuten vorher war die Antonow mit der Kennung RA-82042 in Tomalchewo gestartet. Ziel sollte Wien sein, 4500 Kilometer westlich von Nowosibirsk. 14 Besatzungsmitglieder und 84 Tonnen Autoteile, tags zuvor aus Seoul abgeholt, hatte der Frachter an Bord, dazu eine entsprechend große Menge Sprit. Doch schon kurz nach dem Start, so schildert es Kapitän Jewgeni Solowjew hinterher im Interview, zerfallen sämtliche Pläne für diesen Tag schlagartig in ihre Einzelteile: In 300 Metern Höhe, mitten im Steigflug, vernimmt die Crew plötzlich einen lauten Knall. Triebwerk Nummer 2, backbord innenliegend, explodiert. Trümmerteile regnen zu Boden, andere bohren sich wie Geschosse durch Rumpf und Flügelwurzel, durchtrennen Kabelstränge und Hydraulikleitungen. Der Kontakt zum Tower bricht ab, am Funk herrscht Totenstille. Stromausfall.
Zurück zum Flughafen
Kapitän Solowjew handelt blitzschnell: Er schickt das havarierte Flugzeug in eine 180-Grad-Kurve, leitet eine Notlandung ein. Zu diesem Zeitpunkt befindet sich die Antonow rund 550 Meter über Grund, die Landeklappen noch in Startstellung. Auch sie sind ausgefallen. Ohne die meisten Instrumente und ohne Funkkontakt, so Solowjew, schiebt sich die riesige Maschine zurück nach Tomalchewo, umfliegt den Airport im Gegenanflug und dreht dann zur Landung auf Runway 25 ein. Solowjew und seine Crew setzen die An-124 sicher auf, doch ohne Schubumkehr und Bremsen schaffen sie es nicht, die schwere Maschine vor Ende der Landebahn zum Stehen zu bringen. Videos der Landung zeigen, wie beim Überschießen der Bahn das Fahrwerk wegknickt und die RA-82042 weiter durch den Schnee pflügt. Mindestens ein Triebwerk, Nummer 1 links außen, läuft auch nach dem Stillstand der Maschine deutlich hörbar weiter, unbestätigten Informationen zufolge mit 70 Prozent Leistung.
"Piloten machten alles richtig"
Dass bei diesem Drama trotz alledem niemand zu Schaden kommt, werten russische Experten im Nachgang als heroische Tat der Crew. Gegenüber der Zeitung Komsomolskaya Prawda erklärt der Testpilot Anatoli Nikolajewitsch Knyschow: "Die Piloten sind wahre Helden." Für ihr Manöver hätten sie nur zwei bis drei Minuten Zeit gehabt. Zudem sei eine 180-Grad-Kurve in geringer Höhe und mit einem havarierten Flugzeug äußerst anspruchsvoll. "Die Piloten machten alles richtig und landeten wieder auf der Landebahn. Und das trotz der Tatsache, dass sie noch Fracht an Bord hatten", so Knyschow. Dass sie nicht rechtzeitig zum Stehen kamen, sei kein Verschulden der Crew, sondern eine Folge der Triebwerksexplosion, die auch das Bremssystem beeinträchtigt habe. Die Piloten hätten es geschafft, das Flugzeug von bewohntem Gebiet fernzuhalten, sich selbst und sogar die Fracht zu retten. "Lassen Sie sie also nach Hause gehen und jeweils 'sto gram' Wodka trinken."