Cockpitpersonal gesucht: Wie wird man Linienpilot?

Cockpitpersonal gesucht
Wie wird man eigentlich Linienpilot?

Veröffentlicht am 11.02.2024

Pilotinnen und Piloten werden wieder gesucht: 1000 neue Cockpit-Mitarbeiter wolle alleine der Lufthansa-Konzern im Jahr 2024 einstellen, kündigte der LH-Vorstand für Personal und Infrastruktur, Michael Niggemann, Mitte Januar an. "Wir fokussieren uns weiterhin darauf, neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter für uns zu gewinnen und ein attraktiver Arbeitgeber zu sein", versprach Niggemann, der insgesamt sogar 13 000 neue Stellen im Konzern besetzen will, darunter auch Flugbegleiter, Techniker und IT-Spezialisten.

Lufthansa Aviation Training

Hoher Bedarf

Branchenweit sagen Airbus, Boeing und die IATA übereinstimmend weltweit einen Bedarf für 500 000 bis 600 000 neue Piloten in den nächsten zwanzig Jahren voraus. Die wachsende Erdbevölkerung, eine neu reisende Mittelschicht in vielen Schwellenländern und die großen Distanzen in Asien werden die globale Verkehrsflugzeugflotte in dieser Frist verdoppeln, so die Prognosen. Diese Tendenz spiegelt sich bereits in den Flugzeugbestellungen wider. Bei den Piloten sorgen zudem anstehende Pensionierungswellen und weniger verfügbare Militärpiloten am zivilen Markt für verstärkte Nachfrage nach "Ab initio"-Bewerbern, die sich vom "Fußgänger" ohne Vorkenntnisse bis zum Linienpiloten ausbilden lassen wollen.

So läuft das Auswahlverfahren

Der erste Schritt ist der berühmte DLR-Test. Dieser wissenschaftliche Computertest prüft Mathematik, Physik, technisches Verständnis, englische Sprache, Konzentrations- und Merkfähigkeit, Informationsverarbeitung und Arbeitsfähigkeit unter Zeitdruck und Mehrfachbelastungen. Man kann den jeweils inhaltlich gleichen Test in Hamburg oder Zürich absolvieren, im Lufthansa-Konzern und bei anderen Airlines ist er die Zulassungsvoraussetzung für jeden Piloten. Weil der strenge DLR-Test eine entscheidende Bedeutung hat, gibt es dafür mittlerweile kommerzielle Trainingsanbieter, die Bewerber vorab mit Übungsfragen im ähnlichen Stil bombardieren und an die betont stressigen Aufgabenstellungen gewöhnen.

Neben einem ausreichend gut abgeschlossenen DLR-Test, dem "Zertifikat", braucht man für eine Bewerbung in der Lufthansa Group aber auch noch ein bestandenes Konzern-Auswahlverfahren. Dieses "Lufthansa Group Assessment" ist ein Gruppentest, der prüft, wie motiviert der Bewerber ist, wie gut er in Gruppen Aufgaben konstruktiv löst und ob er in den Konzern passt. Nach diesem Test ist das Auswahlverfahren fast komplett, nun fehlt nur noch der Fliegerarzt, genauer ein "Aeromedical Center" für die Erstunteruntersuchung. Beim Fliegerarzt muss jeder Pilot fortan regelmäßig zur flugmedizinischen Begutachtung erscheinen, um seine Tauglichkeit zu bestätigen. Gesucht werden dabei keine Supermenschen, aber drogenfreie Bewerber mit einer grundsätzlich robusten, gerne sportlich trainierten Gesundheit und sehr guten Sinneswahrnehmungen.

Lufthansa

Bereit für die Bewerbung

Besonders wichtig sind die Augen, etwa beim Farb- und dreidimensionalen Sehen. Gemäßigte Brillen sind zulässig. Plus fünf oder minus sechs Dioptrien sind behördlich gestattet, viele Airlines setzen aber strengere Limits bei der erlaubten Fehlsichtigkeit. Dafür ist das Augenlasern, einst Ausschlussgrund, mittlerweile oft gestattet. Ein saniertes Gebiss wird wegen der Druckunterschiede erwartet, da sonst ständig starke Zahnschmerzen drohen. Mit dem DLR-Zertifikat, dem bestandenen LH-Group-Assessment-Center und der medizinischen Flugtauglichkeit, dem sogenannten EASA-Class-1-Medical und einem zusätzlichen FAA-Class-3-Medical für die Flugausbildung in den USA, darf man sich schließlich formell zur Ausbildung bewerben und erhält dann von Lufthansa Aviation Training ein Kursangebot.

Lufthansa Aviation Training

Kosten

Die Lufthansa Group setzt rund 110 000 Euro (in der Schweiz 140 000 Franken) für die Ausbildung zum "frozen" ATPL an, der Linienpilotenlizenz, die ab einer Flugerfahrung von 1500 Flugstunden zur vollwertigen Airline Transport Pilot Licence wird. Diesen sechsstelligen Betrag (plus Lebenshaltungskosten) als junger Mensch selbst aufzubringen, ist fast nie möglich. Aber über die eigene Hausbank oder Finanzdienstleister wie Albatros kann man Kredite beantragen oder unter Umständen sogar eine Ausbildungsförderung nach dem BAföG-Programm. Die Chancen, nach dem harten Auswahlverfahren am Ende auch die Lizenz zu schaffen, stehen nun gut, und die Aussichten einer Anstellung sind derzeit ebenfalls günstig. Lufthansa ist sich so sicher, erfolgreichen Pilotenbewerbern eine Stelle im eigenen Konzern anbieten zu können, dass sie ohne Jobvermittlung im eigenen Haus nach 24 Monaten die Hälfte der Ausbildungskosten erlässt.

Doch selbst Bewerber ohne Finanzpolster können in die Luft kommen: Sobald 30 000 Euro Startkapital vorliegen, die man sich notfalls per Kredit besorgen kann, streckt die Brain Capital GmbH den Rest der Ausbildungskosten vor. Die Rückzahlung wird erst nach der Ausbildung fällig, und dann auch erst nach einer Anstellung und nur in Jahren, in denen mindestens 30 000 Euro verdient werden. Dann tilgt der nun festangestellte Pilot von seinem Gehalt einen vorher vereinbarten, festen prozentualen Anteil. Zum Beispiel zwölf Prozent bei 80 000 Euro Kreditsumme über zwölf Jahre. Verdient der Pilot später sehr viel Geld, sind zwölf Prozent davon unter Umständen deutlich mehr als der einst beanspruchte Kredit. Verdient er aber unter 30 000 Euro in einem Jahr, pausiert umgekehrt die Tilgungsabgabe.

Theorie und Praxis

Die eigentliche, zweijährige ATPL-Schulung beginnt, um beim Beispiel Lufthansa Group zu bleiben, bei deren Konzerntochter European Flight Academy mit einem straff strukturierten Theoriejahr in Bremen mit LBA-Theorieprüfung. Dort erhalten die Schüler das Rüstzeug, um im Folgejahr sechs Monate in Goodyear, USA, und danach drei Monate in Rostock das Fliegen auf ein- und zweimotorigen Schulflugzeugen zu erlernen. Zuletzt folgt ein Monat im Jet-Simulator mit einer MCC-Schulung (Multi Crew Cooperations), dem Arbeiten mit verteilten Rollen im Cockpit. Der Lohn: der CPL/IR, also eine Berufsflugzeugführerlizenz, der sogenannte "Frozen ATPL". Erst nach diesem formellen Ende der Ausbildung, die bei Swiss-Flugschülern in Zürich und Grenchen erfolgt und hier noch eine Diplomarbeit enthält, werden die Karriereweichen gestellt, beim "Campus", einer Piloten-Jobvermittlungsbörse der LH Group. Auf den Karriereeinstieg können sich die Absolventen mit einem "Campus"-Online-Tool vorbereiten, wo sie auch Präferenzen äußern können. Am Ende entscheiden der jeweilige Bedarf und die Eignung. Vor einer Anstellung sichten die Airlines ihre Bewerber noch einmal extra.

Lufthansa A320
Lufthansa

Viele Wege führen ins Cockpit

Natürlich kann man auch außerhalb der Lufthansa Group Pilot werden. So lernen Condor-Piloten bei dem renommierten Mittelständler TFC Käufer in Essen. Die sogenannte MPL-Lizenz ist für Condor maßgeschneidert. Auch Aerologic lässt bei Käufer ausbilden. Andere Wege an den Himmel bieten die Lowcost-Riesen Ryanair und easyJet. Sie sind bekannt für straff organisierten, intensiven Flugbetrieb mit vielen Starts und Landungen, die einen Novizen in wenigen Jahren zum branchenweit vermittelbaren Piloten mit vielen Flugstunden reifen lassen. Auch der Aufstieg zum Kapitän kann hier schneller klappen als bei klassischen Linienairlines mit manchmal langen Nachrücker-Wartezeiten.

Schließlich kann man sich auch Stufe für Stufe die Ausbildungsleiter selbst emporhangeln, etwa mit einer ATPL-Ausbildung neben der Arbeit. Dann ist viel Disziplin gefragt, den geballten Stoff in der gebotenen Kürze zu verdauen. Der stark individualisierbare Weg führt vom PPL zum Instrumentenflug, Fluglehrer, CPL und über mehrmotorige Flugzeuge und Business Jets immer höher durch die Angebote der allgemeinen Luftfahrt. Dabei knüpft man auch schon die Kontakte, die einem typischerweise Beschäftigungen in der Werksfliegerei oder bei Regionalfluggesellschaften eröffnen. Einige Linienairlines schrecken vor derartig "exotischen" Bewerbern zurück, andere haben keine Einwände, auch nicht im großen Jet-Cockpit. Fazit: Vor dem Beginn der Ausbildung, die man heute selber finanzieren muss, stehen Hürden. Wer aber mit Fleiß, Talent und Selbstdisziplin die interessante Ausbildung besteht, wird als Nachwuchspilotin oder -pilot heute mit einem wieder rundum aufnahmewilligen Job-Markt belohnt.