Für Suchoi Civil Aircraft hätte die Woche kaum schlimmer starten können: Erst kostete die Bruchlandung eines Aeroflot-Superjet in Moskau-Scheremetjewo am Abend des 5. Mai 41 Menschenleben, weil das Flugzeug beim harten Aufsetzen auf der Runway Feuer fing. Nur einen Tag später erklärte die russische Yamal Airlines, sie wolle ihre derzeit 15 Superjets schnellstmöglich loswerden und auch die noch ausstehenden zehn Maschinen nicht übernehmen. Als Grund nannte Yamal-Chef Vasily Kryuk der Nachrichtenagentur Tass, das Regionalflugzeug sei im operativen Betrieb zu teuer. Zusammenhänge mit dem Aeroflot-Unglück tags zuvor gibt es offenbar nicht.

Gescheiterte Deals und Service-Ärger
Doch Vasily Kryuk ist nicht allein mit seiner Einschätzung: Erst Anfang des Jahres verlor Suchoi den prestigeträchtigen Westeuropa-Kunden Cityjet aus Irland, der 15 Superjet bestellt und bereits sieben davon im Dienst hatte – teilweise im Wet Lease für SN Brussels Airlines. Auch Cityjet monierte damals die hohen operativen Kosten des bei Passagieren beliebten Flugzeugs. Ebenso wie die mexikanische Interjet, die bei Suchoi 22 Superjets gekauft hatte. Als Hauptgründe für die hohen Kosten stehen immer wieder die mangelnde Ersatzteilversorgung und das schlecht ausgebaute Servicenetz von Suchoi im Raum. Dies führt dazu, dass die Superjets bei einem Defekt oft tage- oder gar wochenlang am Boden bleiben müssen. Als Folge dessen hatte Suchoi Anfang des Jahres angekündigt, sich in Zukunft verstärkt auf den Aftersales-Support zu konzentrieren und dafür die Produktion neuer Flugzeuge bis auf Weiteres herunterzufahren. Ein beinahe sicher geglaubter Deal mit der slowenischen Adria Airways, immerhin Mitglied der Star Alliance, scheiterte ebenfalls und endete in gegenseitigen Schuldzuweisungen. Adria Airways sah plötzlich bei Suchoi keine Basis mehr für eine langfristige Partnerschaft – Suchoi konterte wenig später mit der Mitteilung, man habe das Geschäft auf entsprechende Empfehlung selbst gestoppt, weil die Slowenen nicht die nötige finanzielle Sicherheit mitbrächten. Für Letzteres spricht, dass Adria sich nicht nach Alternativen für die 15 (ab)bestellten Superjets umsieht, sondern seine Flotte nun lässt wie sie ist.

Die aktuellen Nutzer
Nichtsdestotrotz sind nach Recherchen der FLUG REVUE aktuell 133 Superjets im aktiven Dienst. Bis auf Interjet stammen jedoch nach dem Wegfall von Cityjet alle gegenwärtigen kommerziellen Superjet-Kunden aus Russland. Und auch wenn die Untersuchung zur Unglücksursache am 5. Mai noch am Anfang steht und längst nicht klar ist, ob ein technischer Defekt für den Tod der 41 Menschen verantwortlich ist, dürfte es für Suchoi nun noch schwerer werden, neue Märkte außerhalb der bekannten Sphären zu erschließen. So bleibt es bis auf Weiteres beim bisherigen Kundenstamm, der sich wie folgt zusammensetzt.
Aeroflot

Mit derzeit 49 aktiven Exemplaren - die in Moskau verunfallte Maschine ist bereits abgezogen - ist die größte russische Fluggesellschaft Aeroflot auch der mit Abstand größte Superjet-Betreiber. Zu den bereits gelieferten Maschinen kommen noch einmal 100 fest bestellte Flugzeuge hinzu, die in den kommenden Jahren zur Flotte stoßen sollen.
Aeroflot setzt die Superjets vom Drehkreuz Moskau-Scheremetjewo aus vorrangig innerrussisch ein, fliegt damit jedoch auch ins osteuropäische Ausland und sogar nach Deutschland. So wird etwa die Strecke Moskau-Dresden regelmäßig mit einem Suchoi Superjet bedient.
Interjet

Interjet aus Mexiko hatte 2013 30 Superjets bestellt und sich Optionen auf weitere zehn Maschinen gesichert. 22 Flugzeuge sind bisher ausgeliefert worden - und mehr werden es auch nicht mehr werden: Die ausstehenden Lieferungen hat Interjet anulliert, zudem möchte die Airline offenbar ihre bestehende Superjet-Flotte gerne loswerden. Der geringe Klarstand der Maschinen macht den Mexikanern zu schaffen. Zeitweise sollen nur sieben Superjets flugtüchtig gewesen sein. Suchoi verpflichtete sich zu Entschädigungszahlungen. Glätten konnte dies die Wogen wohl nicht - auf dem Papier ist Interjet dennoch der derzeit zweitgrößte Superjet-Nutzer.
Yamal Airlines
Auch Yamal ist mit dem Superjet unzufrieden, gegenwärtig mit 15 Exemplaren allerdings der drittgrößte Superjet-Betreiber. Die Fluggesellschaft mit Sitz im sibirischen Salechard bestellte 2015 auf dem Moskauer Aerosalon (MAKS) 25 der russischen Regionaljets. Die erste Maschine stieß am 30. April 2016 zur Yamal-Flotte. Die Airline mit dem Eisbären auf der Heckflosse setzt ihre Superjets vorrangig innerrussich ein - so zum Beispiel zwischen Moskau und Ufa oder Novosibirsk und Tyumen. Anders als Aeroflot fliegt Yamal in der russischen Hauptstadt den Flughafen Domodedovo an.
Gazpromavia
Die Werks-Airline des russischen Gaskonzerns Gazprom bestellte bei Sukhoi zehn Superjets, von denen sie den ersten im August 2013 erhielt. Mittlerweile sind alle zehn Maschinen ausgeliefert und haben in der Gazpromavia-Flotte die veralteten Yak-40 und Yak-42 ersetzt.

Als vollständige Gazprom-Tochter ist Gazpromavia vorrangig für den Personaltransport zwischen Gasförderanlagen und Firmensitzen zuständig. Heimatbasis der Airline ist der ehemalige Militärflughafen Ostafyevo bei Moskau, der Gazpromavia zu 100 Prozent gehört. Für Passagierflüge wird aber auch der Moskauer Airport Vnukovo genutzt.
IrAero

Die 1999 gegründete Regional-Airline IrAero aus Irkutsk in Sibirien setzt den Superjet seit 2016 ein und besitzt mittlerweile neun Exemplare des Regionalfliegers. Vier der Flugzeuge übernahm IrAero gebraucht von Red Wings Airlines, die zwischen 2015 und 2016 fünf Superjets im Einsatz hatte. Davon waren wiederum vier zuvor bei der bankrotten Moskovia Airlines geflogen. Eine weitere Maschine war bis 2018 bei Lao Central Airlines aus Laos im Einsatz.
Azimuth

Seit 2014 fliegt Azimuth Airlines vom Drehkreuz Rostow am Don diverse Ziele innerhalb Russlands an, darunter St. Petersburg, Jekaterinburg, Novosibirsk und Moskau. Hauptsitz der Airline ist Krasnodar, von wo aus ebenfalls regelmäßige innerrussische Linienflüge stattfinden. Von Anfang an setzte Azimuth dabei als einzige Airline weltweit auf eine reine Superjet-Flotte und betreibt gegenwärtig neun Maschinen dieses Typs. Das neunte Flugzeug stieß erst Mitte April zur Flotte.
Yakutia

Mit gegenwärtig drei Maschinen reiht sich auch die aus Jakutsk stammende Yakutia Airlines in die Liste der Superjet-Betreiber ein. Dazu gesellt sich eine noch offene Bestellung über zwei weitere Exemplare. Ihren ersten Superjet erhielt Yakutia bereits 2012. Eines der drei Flugzeuge, es trägt die Kennung RA-89021, flog früher bei Red Wings Airlines.
Severstal Air
Ebenfalls drei Superjets nennt derzeit Severstal Air ihr Eigen. Das erste Flugzeug wurde 2018 geliefert. Drei weitere Flugzeuge sollen bis 2022 noch zur Flotte stoßen. Alle sechs Maschinen sind für zwölf Jahre von Ilyhushin Finance geleast. Severstal möchte mit den Superjets die bisherige Flotte, bestehend aus sechs Bombardier CRJ200 und einer Yak-40, ersetzen. Heimatbasis der Airline ist Tscherepowez im Nordwesten Russlands.
Comlux Kazakhstan
Comlux Kazakhstan erhielt 2015 den ersten von zwei bestellten Superjets in VIP-Ausführung. Die Tochtergesellschaft des Geschäftsreiseunternehmens Comlux, dessen Firmenzentrale in Zürich residiert, setzt die Maschine für Charterflüge und Business-Reisen von ihrer Basis Almaty aus ein.

Weitere Betreiber
Einzelne Exemplare des Superjet fliegen außerdem bei Center South Airlines aus Belgorod (ein Flugzeug, ein weiteres bestellt) und RusJet aus Vnukovo (ein Flugzeug).
Regierungen, Ministerien, Behörden

Als VIP- und Verbindungsflugzeug für Regierungen und Behörden erfreut sich der Superjet ebenfalls gewisser Beliebtheit. So setzt das russische Innenministerium derzeit einen, das Notfallministerium zwei und die russische Präsidialverwaltung ebenfalls zwei Superjets ein - macht also insgesamt fünf Flugzeuge. Sechs weitere Regierungs-Superjets sind bestellt. Dazu gesellt sich eine VIP-Maschine für den staatlichen russischen Rüstungs-Exporteur Rosoboronexport. Außerdem besitzt der kasachische Grenzschutz einen Superjet.
Einen kleinen Coup landete Suchoi darüber hinaus in Thailand: Die Royal Thai Air Force erhielt ab 2016 drei Exemplare des SSJ 100 und ist damit seither im Dienste der Regierung unterwegs.
Offene Bestellungen
Ebenfalls aus Thailand erreichte Suchoi Civil Aircraft Ende Dezember 2018 eine weitere frohe Botschaft: Die neue thailändische Fluggesellschaft Kom Airlines unterzeichnete in Bangkok eine Absichtserklärung über den Kauf von sechs Superjets - am 28. Februar 2019 zurrten Suchoi und Kom Airlines den Deal fest. Die Lieferungen sollen im Herbst 2019 beginnen.

Schon in naher Zukunft könnte sich außerdem Rossija Airlines in den Kreis der Superjet-Betreiber erheben: Die staatliche russische Fluglinie hat 2016 Absichten über ein Langzeit-Leasing von 20 Superjets erklärt, die von VEB-Leasing beschafft werden sollten. Bislang ist jedoch noch keine Lieferung erfolgt.
Mögliche Zukunftsmärkte
Suchoi ist zudem bestrebt, seinen Superjet baldmöglichst in den Iran und auch nach Nordkorea zu verkaufen. Die Flugzeugflotten beider Länder sind veraltet und bedürfen dringend einer Erneuerung - allerdings stehen der Lieferung neuer Flugzeuge in beiden Fällen Sanktionen entgegen, die den Abschluss eines Geschäfts bislang unmöglich machten. Die russische Regierung setzt sich bei der UN seit geraumer zeit für eine Lockerung der Sanktionen ein. An Bestellungen mangelt es nicht: Am 25. April 2018 gaben sowohl Iran Aseman Airlines als auch Iran Airtours bekannt, jeweils 20 Superjets kaufen zu wollen.