Mehr als einmal wird das Management von Volga-Dnepr Airlines es bereut haben, dass es am 27. Februar 2022 – im Auftrag der kanadischen Behörden – eine Antonow An-124 ins kanadische Toronto schickte. Der Schwerlastfrachter brachte seinerzeit eine ganze Ladung COVID-19-Testkits aus China nach Kanada – durfte das Land aber anschließend nicht mehr verlassen. Bereits drei Tage vor der Landung auf dem Pearson Airport in Toronto hatte Russland die Ukraine angegriffen. Am 28. Februar reagierte der Westen darauf mit massiven Sanktionen gegen Russland, die unter anderem den Luftverkehr betrafen. Auch in Kanada traten diese Sanktionen in Kraft – mit der Konsequenz, dass die russische Antonow samt Besatzung plötzlich in Toronto festhing, weil sie nicht mehr abheben durfte.
Die Crew konnte Kanada einige Zeit später zwar verlassen, doch die An-124 mit dem Kennzeichen RA-82078 parkt auch heute noch am Pearson Airport. Zwischenzeitlich erließ die kanadische Regierung ein Gesetz, das die formelle Übertragung des Eigentums an der Maschine auf die Ukraine möglich machen soll. Und wie es aussieht, wird das – allen Protesten aus Russland zum Trotz – allmählich konkret.

Die An-124 RA-82078 gehört der russischen Volga-Dnepr Airlines. Seit dem 27. Februar 2022 sitzt sie in Toronto fest.
Antonow "zum Transport von Waffen und Munition"
Für diese Annahme gibt es aktuell mehrere Anzeichen. Eines davon sind Äußerungen aus den Reihen der staatlichen ukrainischen Agentur ARMA, die laut Selbstbeschreibung für die "Identifizierung, Suche und Verwaltung von Vermögenswerten aus Korruption und anderen Straftaten" zuständig ist. Deren amtierende Chefin Jaroslawa Maksymenko gab der ukrainischen Nachrichtenagentur Ukrainski Novyny vor einigen Tagen ein Interview, in dem sie ausführte, dass sich unter den der ARMA zugeschlagenen, beschlagnahmten Vermögenswerten derzeit "31 Flugzeuge" befänden, was "de facto der Flotte einer mittelgroßen Fluggesellschaft" entspreche.
Um welche Flugzeuge es sich dabei konkret handelt, sagte Maksymenko nicht – nur eine Maschine nannte sie ausdrücklich als Beispiel: die in Kanada festgesetzte An-124 von Volga-Dnepr. Diese könne "zum Transport von Waffen und Munition eingesetzt werden", erläuterte die ARMA-Chefin. Das entspreche der Prämisse der Agentur, die in Beschlag genommenen "Vermögenswerte der ukrainischen Wirtschaft, ihrem Wiederaufbau und ihrer Verteidigungsfähigkeit" zugutekommen zu lassen. "Wir arbeiten daran, dass Vermögenswerte dieser Kategorie in erster Linie der Verteidigung unseres Landes dienen", so Maksymenko weiter.
Technische Inspektion der An-124 in Toronto
Unterdessen machte die An-124, um die es geht, ihrerseits vor Kurzem Schlagzeilen. Für eine technische Inspektion zogen Mitarbeiter des Flughafens Toronto das 29 Jahre alte Flugzeug, das im russischen Uljanowsk gebaut wurde, vorübergehend auf einen anderen Standplatz. Beobachter berichteten im Zuge dessen auch von Triebwerkstestläufen. Andere spekulierten, man habe vor Ort eine Bestandsaufnahme vorgenommen, welche Ersatzteile es brauche, um den festgesetzten Riesenfrachter wieder flugklar zu bekommen. Der Pearson Airport selbst erklärte öffentlich, die Antonow durchlaufe bis zum 29. September diverse Wartungsarbeiten – was wiederum die rechtmäßige Eigentümerin Volga-Dnepr auf die Palme brachte, die eindringlich davor warnte, Personal an der Antonow arbeiten zu lassen, das dafür nicht qualifiziert sei.
Juristisches Tauziehen um den russischen Transporter
Die russische Seite versucht weiter nach wie vor, ihren Anspruch auf das beschlagnahmte Flugzeug doch noch auf juristischem Wege durchzusetzen – während Kanadas Regierung ihr Vorhaben rechtlich absichern und durchsetzen möchte. In Ontario läuft zu der Sache gegenwärtig ein Gerichtsverfahren. Die Erfolgsaussichten für Volga-Dnepr dürften angesichts der gegenwärtig herrschenden Stimmungslage eher bescheiden sein. Ob sich die Ukraine die RA-82078 tatsächlich einverleiben und sie in die Ukraine bringen kann, muss sich aber ebenfalls erst noch zeigen.