Die Zahlen sind in der Tat beunruhigend: Allein in den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres gab es fünf schwerwiegende Zwischenfälle bei Mi-8-Hubschraubern, die auf Probleme mit den Triebwerken zurückzuführen waren. Die meisten davon, nämlich vier, betrafen zivil genutzte Hubschrauber: Im Februar musste eine Mi-8 auf der Jamal-Halbinsel notlanden, im März im Autonomen Kreis Chanty-Mansijsk, am 30. April und am 2. Mai je eine in Kamtschatka. Am 23. Mai stürzte schließlich eine Militär-Mi-8 nach Triebwerksausfall nahe der Stadt Orjol ab, beide Piloten kamen ums Leben.
Diese aktuelle Häufung ist der vorläufige Höhepunkt einer Entwicklung, die bereits seit Längerem im Gange ist. Im Vergleich zu 2022 haben die motorbedingten Unfälle bei Russlands Mi-8-Flotte deutlich zugenommen. So gab es 2022 und 2023 je zwei gemeldete Luftnotlagen nach Triebwerksausfall, 2024 waren es bereits drei. Ob es darüber hinaus eine Dunkelziffer nicht gemeldeter Probleme gibt, und wenn ja, wie hoch diese in etwa ausfallen könnte, ist nicht bekannt.
Lange Wartezeiten, teure Teile
Kein Geheimnis aber ist, dass gegenwärtig mindestens 100 Triebwerke in Russland im zivilen Betrieb eingesetzter Mi-8-Hubschrauber das Ende ihrer Lebenszeit erreicht haben und dringend ausgetauscht werden müssten. Darüber berichtet der Verband der russischen Hubschrauberindustrie. Ihm zufolge haben sich die Kosten für Triebwerksreparaturen an Mi-8 in den letzten zwei Jahren verdreifacht – von 25 bis 30 auf 75 bis 90 Millionen Rubel (817.000 bis 980.000 Euro). "Gleichzeitig dauert die Wartezeit auf Ersatzteile jahrelang an, viele Hubschrauber fliegen noch immer mit Triebwerken aus dem letzten Jahrhundert", heißt es aus Russland.

Die Mil Mi-8 ist und bleibt für den Passagier- und Frachtverkehr in vielen entlegenen Gebieten Russlands unverzichtbar.
Alte Hubschrauber, alte Triebwerke
Besondere Probleme macht demnach das ab Mitte der 1960er-Jahre entwickelte Klimow TW2-117. Dessen Produktion wurde in den Neunzigerjahren eingestellt. Nach Ansicht des Verbandes der Hubschrauberindustrie erfüllt das TW2-117 aus mehreren Gründen nicht mehr die heute gängigen Sicherheitsanforderungen. Der russische Staatskonzern Rostec habe außerdem bestätigt, dass eine unbegrenzte Verlängerung der Lebensdauer dieses Triebwerkstyps nicht möglich ist. Rostec empfehle stattdessen die Umrüstung betreffender Mi-8 auf das moderne WK-2500, mit dem die gegenwärtig produzierten, neuen Mi-8-Versionen Mi-8AMTSch, Mi-8AMT Arctic, Mi-171A2 und Mi-171A3 ausgerüstet sind. "Für viele Fluggesellschaften ist ein solcher Austausch jedoch finanziell untragbar", so der Industrieverband.
Davon abgesehen musste Russlands damaliger Industrie- und Handelsminister und heutiger Vize-Ministerpräsident Denis Manturow bereits 2023 eingestehen, dass die Produktion neuer WK-2500-Triebwerke "momentan der Hauptengpass" bei der Herstellung neuer Hubschrauber sei. Wenig deutet darauf hin, dass sich in der Zwischenzeit viel daran geändert hat.
Kannibalisierung der Mi-8-Flotte
Der Industrieverband moniert des Weiteren, die ohnehin problematische Lage für Mi-8-Betreiber werde durch den Umstand verschärft, dass man in Russland die Produktion von Ersatzteilen für alte Hubschraubermodelle schrittweise zurückfahre. Das habe zu einer Beinahe-Verdoppelung der Teilepreise geführt und ziehe zugleich enorme Wartezeiten auf neue Teile nach sich. So müssten Betreiber aktuell bis 2027 oder 2028 auf Komponenten für ihre Mi-8-Hubschrauber warten, wodurch wiederum der laufende Betrieb massiv eingeschränkt werde. "Einige Nutzer betreiben sogar Kannibalisierung, indem sie Maschinen zerlegen, um Ersatzteile für andere zu erhalten."
Der Verband der Hubschrauberindustrie hat die Regierung daher, nach eigenen Angaben, aufgefordert, ein Förderprogramm zu entwickeln, das auch bevorzugte Leasingmechanismen umfasst. "Ohne staatliche Beteiligung wird der Massenaustausch von Triebwerken für die meisten Betreiber unerschwinglich sein, was zu einer Verkleinerung der Hubschrauberflotte und einer Zunahme von Unfällen führen könnte", begründet der Verband seine Forderung.