Sie sollte längst im Dienst sein, die Il-114-300. Doch ein Absturz machte diesen Plan zunichte. Seit in Kubinka nahe Moskau am 17. August 2021 der verkorkste Militärtransporter Il-112W mit brennendem Triebwerk vom Himmel fiel, durfte auch die Il-114-300 nicht mehr fliegen. Denn Transporter und Passagierflugzeug besitzen das gleiche Triebwerk – das Klimow TW7-117ST. Und dessen Konstruktion war mangelhaft, wie das Unglück von Kubinka tragisch offenbarte.

Die Iljuschin Il-114-300 sollte eigentlich 2023 in Dienst gehen, aber es kam ganz anders.
Die erste wirklich neue Il-114-300
Von der Il-114-300 existierte bisher genau ein fertiger Prototyp. Der wiederum war eigentlich schon ewig alt, handelte es sich dabei doch um eine Il-114 der ersten Generation mit Baujahr 1994. Das Flugzeug von einst wurde noch im usbekischen Taschkent gebaut, als achte von insgesamt nur 20 damaligen Il-114. Als Testträger der Neuauflage erhielt die Maschine neue Avionik, ein neues Interieur – und eben neue Triebwerke. Erst die zweite Il-114-300 entstand komplett aus Neuteilen, am neuen Produktionsstandort Luchowizy.
Mit der Nase nach oben
Und diese zweite Il-114-300 scheint nun tatsächlich kurz vor ihrem ersten Flug zu stehen. Russische Medien und Telegram-Kanäle verbreiteten ein Video, das den – noch unlackierten – Prototyp Anfang März bei Rolltests im winterlichen Luchowizy zeigt. Das Video soll am 4. März entstanden sein. Darauf ist zu sehen, wie die neue Il-114-300 in schnellem Tempo über die Startbahn rollt und dabei das Bugrad in die Luft hebt. Tests wie diese stehen im Normalfall als letzte Hürde vor dem Jungfernflug. Und tatsächlich soll dieser nach Informationen des Telegram-Kanals Aviatorschina für den 21. März im Kalender stehen. Zuvor jedoch wolle das verantwortliche Projektteam die bisher gesammelten Daten und Erkenntnisse auswerten, schreibt Aviatorschina.
Das verbesserte Triebwerk
Für die Il-114-300 wäre der Erstflug des zweiten Prototyps und die Wiederaufnahme der Flugerprobung ein zentraler Meilenstein, der dem ausgebremsten Airliner wieder Aufwind geben könnte. Das Klimow-Triebwerk TW7-117ST-01 wurde gegenüber dem mangelhaften Ausgangsmodell deutlich überarbeitet, wie Klimow-Chefdesigner Wsewolod Elisejew schon im Spätherbst 2023 gegenüber der Presse ausführte. "Anstelle von mehreren Dutzend Titanteilen haben wir Teile aus Chromnickel und Stahl eingebaut", erklärte Elisejew. Dadurch sei das Triebwerk zwar "vier Kilogramm schwerer geworden", das sei aber im Gesamtbild zu vernachlässigen. Wo hier konkret eine konstruktive Verbesserung vorliegen soll, führte der Klimow-Mann nicht näher aus. Allerdings habe sein Team "auch die Öl- und Drainagesysteme so modifiziert, dass im Falle eines Brandes kein einziger Tropfen Öl oder Treibstoff" in falsche Kanäle gelangen kann. Das habe man in "mehr als 40 Brandtests" nachgewiesen.

Mehrere Il-114-300 befinden sich im Flugzeugwerk Luchowizy in Produktion.
Fit für die Il-114-300?
Elisejew zufolge wurde das TW7-117-ST besonders auf den Betrieb unter unwirtlichen Bedingungen zugeschnitten: "Unser Motor kann in Höhen von bis zu 7,5 Kilometer und bei Temperaturen von -45 bis +50 Grad Celsius betrieben werden und ist resistent gegen Vereisung, Fremdkörper, Eis und große Vögel". Auch ein Notmodus, bei dem die Leistung zeitweise um 40 Prozent gesteigert werden kann, ist laut Klimow Standard. Dieser Modus komme "hauptsächlich beim Ausfall eines anderen Motors" zum Tragen. Im Normalfall bringt das TW7-117ST für die Il-114-300 3.100 PS Start- und 2.900 PS Reiseleistung.
"Feuerbeständigkeit bewiesen"
Jedenfalls sieht Elisejew das modifizierte Triebwerk gut gerüstet für die anstehende Flugerprobung der neuen Iljuschin. "Alle Elemente haben ihre Feuerbeständigkeit nachgewiesen. Ich kann mich nicht erinnern, wer und wann so viele Tests durchgeführt hat." Man habe, abgesehen von den zwei Motoren für den zweiten Prototyp, außerdem schon mehrere neue TW7-117ST nach Luchowizy geliefert. Dort befinden sich laut russischen Angaben derzeit sechs Il-114-300 im Bau. In den Liniendienst gehen wird das Muster allerdings wohl erst 2026 – sofern bis dahin alles glattläuft.