Neue Flughäfen im Land des Eises - Grönland will Touristen anlocken

So will man Touristen anlocken
Neue Flughäfen im Land des Eises - Grönland baut aus

Veröffentlicht am 17.03.2025

Grönland ist mit einer Fläche von 2,2 Millionen Quadratmetern die größte Insel der Welt. Vier Fünftel seiner Landmasse sind ganzjährig mit einem dicken Eispanzer bedeckt. Deshalb leben die meisten der 56 000 Bewohner lediglich an wenigen Orten entlang der Westküste, wo Fischfang die wichtigste Einkommensquelle darstellt. Als frühere Kolonie des Königreiches Dänemark erhielt Grönland im Jahr 1979 einen autonomen Status zugesprochen, mit eigener Regierung und eigenem Parlament. Jahrhundertelang konnte man Grönland nur per Schiff erreichen. Doch im Zweiten Weltkrieg entdeckten Militärstrategen die günstige Lage Grönlands für Flüge zwischen den USA und Europa. Binnen kürzester Zeit wurden Landepisten aus dem Boden gestampft, um Tankstopps zu ermöglichen. Das Ende von Fjorden, abseits jeglicher Siedlungen, eignete sich am besten zum Bau von Landebahnen. Drei dieser Airports sind noch heute in Betrieb, doch sie liegen weit weg vom eigentlichen Leben in den bunten Küstenstädtchen.

Flughafen Nuuk Konzept
kair gl

Hauptstadt ohne Jets

Im Süden liegt der 1942 errichtete Flugplatz von Narsarsuaq mit seiner zur Bucht abfallenden 1839 m langen Betonpiste. Hoch oben im Norden trotzt die 3048 m lange Asphaltbahn der Thule Air Base dem Permafrost am 77. Breitengrad. Als für den grönländischen Luftverkehr am besten geeignet erwies sich mit 2810 Metern Länge die Piste des ehemaligen Militärstützpunktes Kangerlussuaq in der Inselmitte. Obwohl dort fast niemand lebt, war er bisher einziges Ziel aller Flugverbindungen mit dem Ausland. Eigentlich wäre hier für die ankommenden Passagiere bereits Endstation, weil in ganz Grönland kein Straßennetz zwischen den einzelnen Städten existiert. Um die Weiterreise zu ermöglichen, eröffnete man 1979 in der Hauptstadt Nuuk sowie im Touristenmagnet Ilulissat zwei kleinere Airports. Deren 950 Meter beziehungsweise 845 Meter kurze Runways wurden unter immensem Aufwand aus der schroffen Felsküste herausge-sprengt. Gerade ausreichend, damit Air Greenland, die bis zum Jahr 2002 Greenlandair hieß, von hier aus ihre Zubringerflüge für die wichtige Verbindung zwischen Kopenhagen und Kangerlussuaq durchführen konnte. Zunächst mit langsamen DHC-7-100, später mit schnelleren DHC-8-200.

Baustelle Flughafen Nuuk
Ralf Kurz

Mini-Pisten reichten nicht

Nach dem Bau fünf weiterer Mini-Airports zwischen 1998 und 2000 wuchs die Flotte der robusten Dash 8 auf acht Einheiten. Die nur 800 Meter langen Runways in Aasiaat, Maniitsoq, Paamiut, Sisimiut und Upernavik wurden exakt für diesen Turboprop maßgeschneidert. Sogar Schotterpisten wie etwa in Kulusuk, Qaanaaq und Qaarsut lassen sich damit anfliegen. Es galt, das vorherige, nur extrem teuer zu betreibende Hubschrauber-Liniennetz zu verkleinern. Doch das Problem mit hartnäckigem Nebel im Herbst, der den Flugverkehr an der Westküste oft tagelang lahmlegt, blieb ungelöst. Dann ist Grönland auf dem Luftweg nicht erreichbar. Wie bei einer Boeing 737-700 der dänischen Jettime aus Kopenhagen, die in Narsarsuaq nicht landen konnte. Erst muste der Jet zum Auftanken nach Kangerlussuaq ausweichen. Weil dort aber im einzigen Flughafenhotel keine Zimmer frei waren, kehrte man notgedrungen nach Kopenhagen zurück. Abends waren die Passagiere nach über zehn Flugstunden wieder dort, wo sie morgens abgeflogen waren. Für Grönland spielt sein boomender Tourismus eine wachsende Rolle im Wirtschaftsleben. Im Jahr 2023 besuchten erst 140 000 Gäste das noch weitgehend unberührte Naturparadies in der Arktis. Gerade deshalb sind zuverlässige Verkehrsverbindungen eine unverzichtbare Voraussetzung, um mit Besuchern Einnahmen zu erzielen. Unter diesem Gesichtspunkt musste endlich eine zukunftstaugliche Lösung her. Die Verantwortlichen der Regierung entschieden sich für strategisches Wachstum. Das größte und teuerste Infrastrukturprojekt der jüngeren Geschichte Grönlands soll die Nation fit machen für den Luftverkehr der nächsten Jahrzehnte. Gleich drei neue Flughäfen mit jettauglichen Landebahnen wurden geplant. Sowohl Nuuk als auch Ilulissat erhalten neben modernen Terminals Runways mit einer Pistenlänge von jeweils 2200 Metern. Im Süden soll in Qaqortoq, bisher nur mit Hubschrauber erreichbar, eine 1500 Meter lange Piste zumindest den Einsatz von Mittelstreckenjets erlauben. Während für Nuuk, nach fünfjähriger Bauzeit, die Inbetriebnahme noch Ende 2024 geschafft wurde, dürften die beiden anderen Vorhaben nicht vor dem Jahr 2027 fertiggestellt werden.

Anflugbefeuerung am Flughafen Nuuk
Ralf Kurz

Chinesen wollten mitbauen

Als 2019 die Entscheidung für das auf 800 Millionen Dollar taxierte Megaprojekt fiel, standen sofort chinesische Firmen vor der Tür. Doch nach heftiger Kritik verschiedener Seiten entschied man sich für den dänischen Baukonzern Munck. Diese Firma versprach, möglichst viele Grönländer zu beschäftigen, um dem heimischen Arbeitsmarkt Schwung zu verleihen. Technisch gesehen standen die Bauingenieure vor enormen Herausforderungen. Weil das grönländische Gestein zu den härtesten der Welt zählt, musste man bei Munck speziell dafür konstruierte Baumaschinen zum Einsatz bringen. Die Asphaltierung der neuen Runway konnte witterungsbedingt nur zwischen Juli und August stattfinden. Um überhaupt die erforderliche Länge von 2200 m erreichen zu können, musste die Ausrichtung, verglichen mit der alten Landebahn, von 05/23 auf 04/22 gedreht werden. Die Anflugbefeuerung der Richtung 04 thront jetzt auf einer imposanten Stelzenkonstruktion aus Stahl in 100 Metern Höhe über der darunter liegenden Hafenbucht der grönländischen Hauptstadt. Der neue Flughafenterminal in Nuuk ist ein zentrales Element des ehrgeizigen Bauvorhabens. Von dem dänischen Architekturbüro Zeso stammt der Entwurf, der sich möglichst harmonisch in die Landschaftsumgebung einfügen soll. Äußerlich wirkt das schnörkellose Gebäude aus Beton und Glas so, als wäre es gegen alle arktischen Wetterkapriolen bestens gewappnet. Drinnen verbreitet nordisch schlichte Architektur mit viel Holz aber eine durchaus gemütliche Atmosphäre. Vier Check-in-Schalter sowie acht Ticketautomaten ermöglichen die Abfertigung von bis zu 800 Passagieren pro Stunde. Von der verglasten Besuchergalerie aus blickt man einen Stock tiefer in die Abflughalle mit sechs Gates. Dort dominiert der Duty-free-Shop, ganz innovativ mit Selbstzahlerkassen und "intelligenten Schließfächern" am Eingang für vorab bestellte Waren. Auch wenn Grönland politisch zu Dänemark gehört, ist die Insel zollrechtlich kein Mitglied der Europäischen Union. Dementsprechend hofft der Betreiber, Gebr. Heinemann, auf gute Geschäfte.

Landung des Airbus A330 OY-GKN von Air Greenland am Flughafen Nuuk
Ralf Kurz

Landung des ersten Passagierjets

Der 28. November 2024 wurde einer der wichtigsten Tage in der Geschichte Grönlands. Denn jetzt wurde der neue Airport in Nuuk offiziell eröffnet. Als Praxistest war der Inlandsverkehr mit den Turboprops, quasi als Probebetrieb, schon seit Juni 2024 in den Neubau verlagert worden. Das alte Abfertigungsgebäude, eher ein Schandfleck unter allen lokalen Flugplätzen, fiel schnell der Abrissbirne zum Opfer. Als feierlicher Höhepunkt der Eröffnung landete erstmals ein großer Passagierjet in Nuuk. Diese Ehre gebührte natürlich dem Flaggschiff von Air Greenland, ihrem Airbus A330-800. Die Maschine mit dem Kennzeichen OY-GKN wurde am 7. Dezember 2022 direkt vom Herstellerwerk in Toulouse nach Kangerlussuaq geliefert. Es ist der dritte Jet der staatlichen Air Greenland, die 1960 als Greenlandair gegründet wurde. Von 1989 bis 2010 sowie von 2003 bis 2023 kamen jeweils eine gebraucht erworbene Boeing 757-200 sowie ein Airbus A330-200 zum Einsatz. Der Airbus A330-800 wurde auf den Namen TUUKKAQ getauft, was in grönländischer Sprache Harpunenspitze bedeutet. Sein Vorgänger hieß NORSAQ, was sich als Speerschleuder übersetzen lässt. Das Szenario der Erstlandung am 28.November 2024 offenbarte auf den ersten Blick kaum einen Unterschied vom üblichen Ablauf bisheriger Dienste von Dänemark nach Grönland. Als regulärer Linienflug GL781 warb man sogar um Kurzentschlossene mit Sondertarifen. Schließlich galt es, die 305 Sitzplätze der Zweiklassenbestuhlung des Airbus A330-800 in einer saisonal schwachen Nachfragezeit gut zu füllen. Im Gegensatz zum Sommer, wo fast jeden Tag alle Flüge ausgebucht sind, verkehrt Air Greenland im Winter nur fünfmal pro Woche ab Kopenhagen. Weil es dann, im Spätherbst am Polarkreis, lediglich vier Stunden helles Tageslicht gibt, verschob man die gewöhnliche Ankunftszeit von 10.10 Uhr auf 12.35 Uhr. Schon Stunden vorher versammelten sich fast alle 20 000 Bewohner von Nuuk am Flughafen. Sämtliche Läden der Stadt waren geschlossen, die Straßen wirkten wie ausgestorben. Zusätzlich ausgewiesene Parkplätze am Airport mussten bald wegen Überfüllung schließen. Rund ums neue Terminal bildete sich das größte Verkehrschaos in der Geschichte Grönlands, einer Nation mit riesigem Territorium, aber ohne Straßennetz zwischen den isoliert gelegenen Städten und Siedlungen der Küstenregion.

Menschenmenge bei Terminal-Eröffnung am Flughafen Nuuk
Ralf Kurz

Party im Terminal

Endlich näherte sich TUUKKAQ von Norden kommend im Endanflug auf die Landebahn 22. Unter dem Jubel Tausender Schaulustiger gab es zunächst einen niedrigen Überflug über die Köpfe der Zuschauer. Minuten später steuerte der knallrote Widebody dann aus südlicher Richtung die Landebahn 04 an. Im Cockpit des Airbus A330-800 saßen dabei gleich vier Piloten. Sie brachten unter dem Applaus des Publikums den Großraumjet deutlich vor dem Ende der Runway zum Stehen. Beim Rollen zur Parkposition machen sich die zwei Piloten auf den Jumpseats nützlich und schwenkten die grönländische Flagge. Die sonst obligatorische Wasserfontäne der rechts und links wartenden, feierlich hupenden Feuerlöschfahrzeuge musste kältebedingt ausfallen. Am Tag zuvor herrschten hier noch bittere minus 20 Grad Celsius. Wenigstens lugte die tiefstehende Sonne kurzzeitig hinter den schneebedeckten Hügelspitzen der umliegenden Bergketten hervor. Mit dem Eintreffen von TUUKKAQ im nun offiziell eröffneten Terminal begann eine grandiose Willkommensparty. Hunderte ankommende und abfliegende Passagiere tummelten sich dicht gedrängt an den Buffets mit Kuchen und lokalen Fischspezialitäten. Im Trubel der vielen Ansprachen und Grußworte geriet der Zeitplan völlig durcheinander. Aber wer wollte sich an so einem historischen Tag schon darüber beschweren, dass der erste Direktflug von Nuuk nach Kopenhagen als GL782 mit rund zwei Stunden Verspätung abhebt? In der dänischen Hauptstadt erfolgte die Landung als letzte Ankunft um kurz vor Mitternacht. Egal, der nächste Flug Richtung Grönland stand sowieso erst wieder am 2. Dezember 2024 auf dem Programm.

Dash 8 von Icelandair am Flughafen Nuuk
Ralf Kurz

Weiter Jets kommen nach Nuuk

Schon im Sommerflugplan 2025 bekommt TUUKKAQ als bislang einziger Jet in Nuuk Konkurrenz von anderen Anbietern, die auch vom wachsenden Tourismus profitieren wollen. United Airlines will zweimal wöchentlich mit der Boeing 737 MAX 8 aus Newark erscheinen. SAS hofft nach Jahrzehnten freiwilliger Abstinenz darauf, wieder Grönland-Passagiere dreimal pro Woche im eigenen Netzwerk befördern zu können. Icelandair, der bisher einzige ausländische Liniencarrier in Grönland, will vom wenig rentablen Einsatz zu kleiner Propellermaschinen auf den komfortableren und zeitsparenderen Jetbetrieb mit größeren 737 MAX umstellen. Ihre bisher dreistündigen Flüge mit der Bombardier Dash 8-200 zwischen Keflavík und Nuuk gehören dann endgültig der Vergangenheit an.