Superjet-Absturz in Russland: Tödlicher Wartungsfehler?

Superjet-Crash in Russland
Anstellwinkelsensoren falsch montiert?

Zuletzt aktualisiert am 17.07.2024

Die Spekulationen schossen sofort ins Kraut – wie eigentlich immer, wenn irgendwo ein Passagierflugzeug vom Himmel fällt. Ein doppelter Triebwerksausfall, womöglich durch Vogelschlag, war kurzzeitig die These, die in russischen Medien am meisten diskutiert wurde – als Ursache dafür, warum der Suchoi Superjet RA-89049 am Nachmittag des 12. Juli nahe der Stadt Kolomna abstürzte. Der neun Jahre alte Airliner der Fluggesellschaft Gazpromavia war auf einem Testflug von Luchowizy zum Flughafen Moskau-Wnukowo unterwegs gewesen. Im MiG-Flugzeugwerk Luchowizy, 135 Kilometer südlich von Moskau, hatte sich der Superjet zuvor seit Anfang Mai zu einem C-Check befunden.

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Fataler Wartungsfehler?

Auf dem Luftfhart-Telegramkanal Aviatorschina verwies ein erfahrener Superjet-Pilot die Triebwerksausfall-These schon am Wochenende ins Reich der Fantasie. Die Untersuchung der russischen Flugunfallermittler läuft indes auf Hochtouren, aktuell werden Flugschreiber und Stimmenrekorder ausgewertet. Auch wenn offiziell bis dato keine handfesten Fakten formuliert wurden, richtet sich die Aufmerksamkeit der Medien in Russland spätestens seit Dienstag auf ein Szenario, das einen fatalen Wartungsfehler beim C-Check zugrundelegt. Möglicherweise haben die zuständigen Techniker in Luchowizy die Anstellwinkelsensoren des Superjet nicht korrekt montiert.

Schlamperei in Luchowizy

So schreibt die Tageszeitung Iswestija unter Berufung auf "eine mit der Situation vertraute Quelle" davon, dass "entgegen der Bedienungsanleitung zwei der vier Sensoren mit einer Abweichung von etwa fünf Grad" installiert worden seien. Aufgrund dieser Schlampigkeit hätten die Anstellwinkelsensoren im Steigflug unzuverlässige Messwerte produziert – was wiederum zu "einer vorzeitigen Aktivierung des Schutzsystems" geführt habe, das das Flugzeug vor einem Strömungsabriss schützen soll. Dieser Vorgang habe "den Superjet in den Boden geschickt", so Iswestija weiter. "Die Piloten hatten keine Zeit, den Fehler zu erkennen und Gegenmaßnahmen einzuleiten", konstatiert die Insider-Quelle und fasst zusammen: "Wenn bei der Installation ein Fehler gemacht wird, übermitteln [die Sensoren] falsche Daten an das Steuerungssystem. Im übertragenen Sinne könnte die Elektronik denken, dass das Flugzeug aufsteigt, aber tatsächlich fliegt es auf den Boden zu. Dies ist das Bild, das sich vorläufig abzeichnet."

Kommuniqué vom Hersteller

Tatsächlich gab die für den Suchoi Superjet verantwortliche Flugzeugbau-Holding UAC nur zwei Tage nach dem Absturz der RA-89049 eine Anweisung heraus, in der sie mit Nachdruck darauf hinwies, sich beim Austausch und Wiedereinbau von Anstellwinkelsensoren strikt an die Vorschriften im Betriebshandbuch zu halten. Außerdem forderte UAC alle Superjet-Betreiber auf, Arbeiten an besagten Sensoren stets – wie vorgeschrieben – doppelt zu kontrollieren "und Fälle auszuschließen, in denen ein Techniker zwei oder mehr Anstellwinkelsensoren am selben Flugzeug austauscht."

Die Anstellwinkelsensoren des (ursprünglichen) Suchoi Superjet stammen vom Zulieferer Thales aus Frankreich. Im neu aufgelegten Superjet New, einer "russifizierten" Ausführung des 98-Sitzers, werden die Sensoren durch ein Pendant aus Russland ersetzt. Die neue Superjet-Variante ist allerdings noch in Entwicklung, bislang fliegt nur ein Exemplar – das jedoch noch die "alten" russisch-französischen SaM-146-Turbofans besitzt, weil die rein russischen PD-8-Triebwerke bislang nicht verfügbar sind.