Die endgültigen Daten würden erst mit den Abschlussberichten der jeweiligen Regierungsbehörden veröffentlicht, räumte Muilenburg ein, aber nach den jetzt bereits bekannten Daten sei eine Aktivierung des Maneuvering Characteristics Augmentation System (MCAS) in beiden Fällen anzunehmen. Das System habe sich irrtümlich eingeschaltet, weil es fehlerhafte Anstellwinkeldaten erhalten habe. MCAS greift über die Höhenleitwerkstrimmung in die Steuerung ein und zwingt die Nase abwärts, falls sich das Flugzeug im manuellen Langsamflug ohne Klappen zu stark aufzubäumen droht.
Der am Donnerstag von den äthiopischen Behörden veröffentlichte Zwischenbericht hatte die Störung eines Anstellwinkelsignals von einer der beiden Sonden verzeichnet. Kurz nach dem Abheben hatte die linke Sonde einen, völlig abwegigen, Anstellwinkel von 74,5 Grad gemeldet, während die rechte Sonde 15,3 Grad registrierte. Die linke Sonde bewirkte das Auslösen des „Stickshakers“, eines Warnrüttlers am Steuerhorn und ein irrtümliches Eingreifen der Trimmautomatik MCAS. Die Besatzung stellte daraufhin, wie von Boeing empfohlen, den elektrischen Trimmmotor ab und versuchte mit Hilfe des ihr verbliebenen, rein mechanischen Trimmrads die durch MCAS vorher verursachte kopflastige Trimmlage wieder auf neutral zurückzustellen.
Währenddessen beschleunigte das Flugzeug auf die maximal zulässige Geschwindigkeit, bei der hohe Luftkräfte an den Rudern das mechanische Trimmen stark erschweren oder sogar verhindern können. Deshalb aktivierte die Besatzung nun ausnahmsweise doch noch einmal den elektrischen Trimmmotor, um sich beim Trimmen helfen zu lassen. Die Aktivierung verschaffte jedoch auch dem MCAS-System eine erneute, immer noch irrtümliche Eingriffsmöglichkeit, gegenläufig zum Willen der Piloten. Die Besatzung verlor die Kontrolle und konnte den Sinkflug mit einem steilen Einschlag nicht mehr abwenden.
Muilenburg erklärte, Boeing bedauere die Opfer, entschuldige sich und bekenne sich verantwortlich, alle Risiken zu beseitigen. Man drücke allen Betroffenen tiefe Anteilnahme aus. Boeing habe bereits eine Software-Modifikation entwickelt, die gleichartige Unfälle wie Lion Air 610 und Ethiopian Airlines 302 ausschliesse. Der Konzernchef (Foto, Mitte) hatte sich die Änderungen bei einem Testflug im Cockpit einer Boeing 737 MAX 7 erläutern lassen.