Als am Morgen dieses 12. September 2023 die ersten Bilder aus Sibirien durchs Internet gehen, die einen Airbus A320 von Ural Airlines notgelandet auf einer Wiese zeigen, dürfte das für manchen Beobachter wie ein Déjà-vu gewesen sein. Schon vor gut vier Jahren, am 15. August 2019, produzierte eine A321 derselben russischen Fluggesellschaft ähnliche Bilder. Damals nahe des Flughafens Schukowski vor den Toren Moskaus, von dem der Airbus kurz zuvor gestartet war – und dann infolge Vogelschlags die Leistung auf beiden Triebwerken verlor. Geistesgegenwärtig manövrierten die Piloten ihren havarierten Jet auf ein Maisfeld, zwei Kilometer vom Airport entfernt. Dort legten sie eine beherzte Bauchlandung hin – und wurden später von der Presse als Helden gefeiert, weil niemand an Bord bei der Notlandung zu Schaden kam.
Steht ein Airbus auf dem Feld
Der Fall, der jetzt aus dem sibirischen Dörfchen Kamenka (bei Ubinskoje) gemeldet wird, drängt sich förmlich als Vergleich auf – wenngleich die Umstände dieser zweiten Ural-Außenlandung nach bisheriger Erkenntnis etwas anders gelagert sind. Auch dieses Mal jedoch schaffte es die Cockpit-Crew, ihre A320 mit der Kennung RA-73805 ohne Bruch auf einem landwirtschaftlichen Feld zum Stehen zu bringen. Die Notlandung verlief so glimpflich, dass die 159 Passagiere und sechs Besatzungsmitglieder allesamt im Nachgang selbst aus dem Flugzeug steigen konnten und in beinahe gelöster Stimmung die Szenerie von außen auf sich wirken ließen. Einzig eine Person, die unter Bluthochdruck litt, habe medizinische Hilfe benötigt, schreibt die Nachrichtenagentur Tass. Die Besatzung posierte derweil für ein Erinnerungsfoto, das später auf dem Ural-Telegramkanal erschien, vor dem im Feld stehenden Airbus.
Nowosibirsk als Ausweichziel
Wie aber kam es überhaupt zu dem unverhofften Ausritt ins Grüne? Und wie kam das Flugzeug in die Oblast Nowosibirsk, wo es laut Flugplan doch in der 430 Kilometer westlich gelegenen Stadt Omsk hätte landen sollen? Medienberichten zufolge könnte die Ursache dafür in einem Hydraulikproblem begründet sein. Ein solches jedenfalls meldeten demnach die Piloten, als sie sich mit ihrer A320 unter der Flugnummer U61383 aus Sotschi kommend bereits im Endanflug auf den Flughafen von Omsk befanden. Wohl aufgrund der Befürchtung, dass infolge des Problems die Bremsen versagen könnten und die 2.500-Meter-Runway in Omsk deshalb zum Landen mutmaßlich zu kurz sei, brach die Crew den Anflug in 600 Metern Höhe ab und machte sich stattdessen auf den Weg nach Nowosibirsk. Die Landebahn des dortigen Flughafens Tomaltschowo schien ihnen mit 3.600 Metern Länge offenbar besser geeignet.
Kein Sprit bis Nowosibirsk
Der Plan ging allerdings nicht ganz auf, wie die Notlandung rund 200 Kilometer vor Erreichen der Runway von Tomaltschowo beweist. Naheliegendste Ursache dafür ist, dass dem Airbus auf dem Weg zum Ausweichflughafen schlichtweg der Treibstoff ausging. Das bestätigte inzwischen auch Ural Airlines-Geschäftsführer Sergej Kuratow im Gespräch mit der Agentur RIA Novosti. Der verantwortliche Pilot Sergej Below, 32 Jahre alt, habe laut Kuratow die richtige Entscheidung getroffen, nicht in Omsk zu landen, unterwegs nach Nowosibirsk aber dann bemerkt, dass die Kerosinreserven nicht reichen würden.

Einigermaßen intakt, trotz Außenlandung im Feld: Ural will die A320, wenn möglich, wieder fit machen.
Klappen und Fahrwerk ausgefahren
Der Grund dafür lag laut Kuratow darin, dass Landeklappen, Fahrwerk und Vorflügel der A320 die ganze Zeit über ausgefahren waren – zum Zeitpunkt des Hydraulikausfalls hatte sich das Flugzeug ja im Landeanflug befunden. Da der Kerosinverbrauch infolgedessen sehr viel höher war als normal, reichten die Reserven nicht bis Nowosibirsk. Im Normalfall wäre die Strecke mit dem Spritvorrat an Bord kein Problem gewesen, unterstrich der Airline-Chef in einer Pressekonferenz. Ebenfalls betonte Kuratow das Bestreben, den notgelandeten Airbus wieder instand zu setzen. Ob das gelingt und wie er dann von seinem "Feldflugplatz" wieder wegkommt, wird sich noch zeigen müssen. Die Ural-A321 von Schukowski wurde seinerzeit an Ort und Stelle verschrottet.
Ermittlungen laufen
Die russische Luftfahrtbehörde Rosawiazija gab an, die Crew habe unterwegs gemeldet, dass ihr der Treibstoff ausgehe, den Transponder-Notfallcode 7700 abgesetzt und eine geeignete Fläche für die Notlandung gesucht. Eine Kommission von Unfallermittlern hat sich des Falles bereits angenommen. Auch ein Ermittlungsverfahren "wegen Verstoßes gegen Sicherheitsvorschriften für den Betrieb des Luftverkehrs" ist eingeleitet worden.