Das Arbeitspapier umfasst gerade einmal zwei Seiten, doch sein Inhalt ist hochbrisant: Die Unterzeichner, neben der EASA auch die EU-Staaten und Eurocontrol, forden von der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation ICAO, dass die Voraussetzungen geschaffen werden "für eine sichere und weltweit harmonisierte Einführung des kommerziellen Luftverkehrs (CAT) mit großen Flugzeugen mit optimierter Besatzung/einem Piloten bei gleichzeitiger Gewährleistung eines gleichwertigen oder höheren Sicherheitsniveaus im Vergleich zum derzeitigen Betrieb".
Im Klartext heißt das: Zunächst einmal soll es im Reiseflug möglich sein, dass nur ein Pilot im Cockpit Dienst verrichtet. Später soll generell ein einziger Pilot genügen, um ein Verkehrsflugzeug zu steuern. "Bei diesen Vorschlägen handelt es sich nicht einfach um einen Wechsel von zwei Besatzungsmitgliedern zu einem, sondern um einen Paradigmenwechsel hin zu einem Piloten, der allein am Steuer eines großen Verkehrsflugzeugs sitzt. Dies bedeutet unweigerlich eine Veränderung der Rolle des Piloten, der von einem physischen Flieger zu einem Systemmanager wird, und kann insbesondere in der Einführungsphase der neuen Technologie zu einem erhöhten Risiko führen."
Betriebskosten sinken
Das Einmanncockpit soll kündtig helfen, einen für die kommenden 20 Jahre bevorstehenden Pilotenmangel zu kompensieren. Doch in dem Papier geben die Unterzeichner auch unumwunden zu: "Einer der treibenden Faktoren für die Industrie, die Einführung dieser neuen Betriebskonzepte vorzuschlagenn, ist die voraussichtliche Senkung der Betriebskosten." Die Vorteile würden sich allerdings relativieren: Zwar lasse eine Minimalbesatzung flexiblere Dienstpläne und Einsparungen zu, dem gegenüber erfordere das Konzept eine höhere Kompetenz des verbliebenen Piloten. Die wirtschaftlichen Vorteile seien deswegen möglicherweise nicht beträchtlich.

Flugmedizin ist ausschlaggebend
Als Schüsselfaktor hat das Arbeitspapier die Flugmedizin identifiziert. So sei die plötzliche Arbeitsunfähigkeit des Piloten das größte Risiko im Ein-Piloten-Betrieb. Aber auch die längere soziale Isolation des Piloten sei ein Thema. Und um Übermüdung zu begegnen, können eine Echtzeitüberwachung der Leistungsfähigkeit des Piloten erforderlich sein.
Aber auch ganz praktische Dinge werden mit nur einem Crewmitglied plötzlich zum Problem: Fliegt das Flugzeug etwa allein weiter, wenn der Pilot das Cockpit verlassen muß, um sich irgendwann seiner Tasse Kaffee zu entledigen? Um die Arbeitslast von zwei Piloten bewältigen zu können, müssten Flugzeuge außerdem noch mehr automatisiert sein, als sie es heute sind. Dies sei aber angesichts der Vorschritte der Automatisierung im Kraftfahrzeug auch in der Luftfahrtindustrie zu erwarten, heißt es.
Kritik nicht nur von Piloten
Die Meinungen zum Fliegen mit nur einem Piloten sind in der Branche recht eindeutig verteilt: Die größten Kritiker finden sich in den Reihen der Piloten, doch Bedenken gibt es auch bei weiteren Crew-Mitgliedern, Wartungspersonal, Flugsicherung und vor allem bei den Fluggästen. Deren Zweifel sollen bei der Entscheidungsfindung für ein künftiges Regelwerk berücksichtigt werden. Hersteller und Airlines halten das Single-Pilot-Vorhaben dagegen für umsetzbar. Airbus zum Beispiel dachte bereits Ende 2021 laut darüber nach, den kommenden A350-Frachter für den Betrieb mit nur einem Piloten zuzulassen.
Immerhin haben die EASA-Mitglieder erkannt, dass ein Ein-Piloten-Konzept nur dann durchsetzbar ist, wenn es auch von der Öffentlichkeit mitgetragen wird. Der Entscheidungsprozess müsse deshalb transparent sein und das Sicherheitsniveau ebenso hoch oder gar höher als Zweimanncockpit sein. Das wirtschaftlichste Flugzeug nützt schließlich nur wenig, wenn die Passagiere nicht mehr einsteigen wollen.