Die Geschichte des Airbus-Bestsellers A320 : Wer wagt, gewinnt!

Wer wagt, gewinnt
Die Geschichte des Airbus-Bestsellers A320

Veröffentlicht am 08.07.2023

Aller guten Dinge sind drei: Nach der A300 und der A310 und mit einem Jahrzehnt Erfahrung wagte Airbus mit der A320 den ganz großen Schritt. Die analog zur Boeing 737 "Classic" angelegte Flugzeugfamilie attackierte ihre Konkurrentin mit damals modernster Technik und einer völlig neuen Bedienungsphilosophie: Computer bekamen das letzte Wort über die Steuereingaben der beiden Piloten und filterten diese, sodass das Flugzeug stets im sicheren Flugbereich bleibt. Extreme Kommandos für Schräglagen, Steig- oder Sinkflüge werden so gedämpft, dass die Flugzeugstruktur niemals überlastet werden kann, keine nicht mehr steuerbaren Fluglagen auftreten, aber auch keinerlei unnötige Ruderausschläge den Widerstand und Treibstoffverbrauch erhöhen. Eine unerhörte Entmündigung, beschwerten sich seinerzeit vor allem altgediente Piloten, die sich zu bloßen "Systemmanagern" und "Knöpfchendrückern" degradiert wähnten. Doch schon bald zeigten sich die Vorteile der neuen Technologie: Per Sidestick und Seitenruderpedal lässt sich auch eine A320 rein elektronisch sehr feinfühlig steuern, während die im Hintergrund laufende Software die Bedienungsbequemlichkeit wesentlich erhöht und etwa einmal eingegebene Schräglagen oder Sinkraten sauber beibehält oder beim Beschleunigen vergessene Landeklappen sogar noch rechtzeitig automatisch einfährt.

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Flugzeug mit Köpfchen

Viele fliegerische Routinearbeiten erfolgen in der A320 über die Autopiloten-Bedieneinheit "Flight Control Unit" (FCU) an der Oberseite des Instrumentenbretts. Hier geben die Piloten wahlweise entweder ihre eigenen Vorgaben, wie Kurs, Höhe, Steigen, Sinken oder die Geschwindigkeit, ins System ein ("selected mode") oder lassen den zuvor im Flight Management System gespeicherten Flugplan durch den Computer eigenständig und optimiert abarbeiten ("managed mode"). Aber auch ohne helfende Elektronik, etwa nach schwersten Systemausfällen, ließe sich ein Airbus kontrolliert in der Luft halten, denn dann fliegt der Computerjet einfach wie ein herkömmliches, eigenstabiles Flugzeug weiter.

Royaler Rollout

Als erstes Familienmitglied erschien die 37,6 Meter lange A320 für 186 Passagiere. Sie feierte am 14. Februar 1987 mit Prinzessin Diana und Prinz Charles ihr Rollout und startete dann am 22. Februar zum Erstflug. Zu diesem Zeitpunkt lagen schon über 260 Festbestellungen und 150 Optionen vor. Danach folgte die auf 44,5 Meter verlängerte Schwester A321 für bis zu 220 Passagiere (Erstflug 11. März 1993), dann die verkürzte A319 (25. August 1995) und schließlich der auf nur 31,44 Meter Länge geschrumpfte "Minibus", die A318 (Erstflug 15. Januar 2002) für maximal 132 Passagiere. Letzterer wurde mit nur 80 gebauten Exemplaren allerdings der Flop der sonst sehr erfolgreichen Familie.

Airbus

Neue Updates, neue Möglichkeiten

Lange Jahre führte die A320 die Verkaufslisten an, bevor easyJet sich die Doppel-Notausgänge über dem Flügel der A320 auch an ihren kürzeren A319 montieren ließ. Dadurch durfte die A319 nun bis zu 156 Passagiere befördern – perfekt für kostenbewusste Niedrigpreisairlines mit dichter Einklassenbestuhlung. Dank dieser neuen Konfiguration, die sich bald auch andere Airlines bestellten, eroberte sich nun auch die A319 Topränge unter den Flugzeugverkäufen. Die große A321 erwies sich dagegen als Spätzünder. Zwar hatten Airlines wie Lufthansa, Turkish Airlines und Fluggesellschaften aus China schon früh den Wert des Topmodells erkannt, aber erst der Generationswechsel zur A321neo, mit neuen Triebwerken und optimiertem Kabinengrundriss, verschaffte dem längsten der Twins seine heutige Favoritenrolle in der gesamten A320-Familie. Denn nun ließen sich viel Reichweite und viel Kapazität miteinander verbinden. Bis zu 244 Passagiere passen nun in die Kabine, deren Türanordnung mit der "Airbus Cabin Flex"-Rumpfvariante an die neuen Menschenmassen an Bord angepasst wurde, indem das zweite Türpaar von vor dem Flügel hinter den Flügel wanderte.

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Erfolgsmodell A321neo

Airbus erweiterte das Erfolgsmodell A321neo nochmals um Varianten mit Container-Zusatztanks im Gepäckraum (A321LR) und um die neueste Variante mit Tankzelle im Flügelkasten plus optionalem Containertank im Gepäckraum (A321XLR). Damit schafft die A321neo, die derzeit keinen direkten Boeing-Konkurrenten hat, transatlantische Reichweite zu den niedrigen Sitzkosten bisheriger Großraumjets. Die A321neo ist damit ein ideales Muster, um Langstrecken, auch bei geringerer Nachfrage, wirtschaftlich betreiben zu können. Das zeigt sich mittlerweile auch in vielen Kabinen der Kundenairlines: Komfortable Suiten der Business Class mit Schlafsesseln und Riesenbildschirm, farbige-LED-Stimmungsbeleuchtung und große Küchen für vollen Service in den Bugabteilen werden mit dichtbestuhlten Sitzreihen im Heck kombiniert, die man zum niedrigstmöglichen Preis anbieten kann.

Profitables Zulieferer-Zusammenspiel

Ein wesentliches Erfolgsgeheimnis der A320-Familie ist ihre Herstellung. Nach der bei Airbus üblichen Arbeitsteilung bauen die Partner in spezialisierten Werken ihre Baugruppen und liefern diese an Endmontagelinien, welche die schon weitgehend fertiggestellten Flugzeuge nur noch wie einen Baukasten zusammenfügen müssen. Die Briten liefern die Flügel, die in Bremen mit Landeklappen, Vorflügeln und Antrieben ausgerüstet werden, die Franzosen vordere Rümpfe und Cockpits, die Deutschen mittlere und hintere Rumpfsektionen und die Spanier Höhenleitwerke. Endmontagelinien befinden sich in Toulouse und Hamburg, dem Sitz der A320-Programmleitung. Von hier aus wird auch die globale Lieferlogistik gesteuert, denn mittlerweile hat Airbus auch noch A320-Endmontagelinien in Tianjin in China und Mobile, USA. Die Montagehallen hier wirken wie Duplikate der Hamburger "Halle 9". Alle Abläufe und die technische Ausstattung sind exakt gleich. Damit entfällt viel Planungsaufwand, und man kann Personal in Hamburg schulen, das sich sofort perfekt am endgültigen Arbeitsort auskennt. Mit der von Bombardier erworbenen A220 baut Airbus mittlerweile noch ein kleineres Standardrumpfmuster. Die Qualitäten der jungen Konkurrentin bekommt besonders die A319 zu spüren. Deshalb spricht vieles dafür, dass Airbus die A320-Familie künftig nur nach oben erweitern wird. Mit einem neuen Flügel ausgestattet, ließe sich das Familienoberhaupt A321neo noch weiter strecken.