ZAL-Chef Gerhards: „Innovation entsteht durch Austausch“

ZAL-Geschäftsführer Roland Gerhards
„Innovation entsteht durch Austausch“

Veröffentlicht am 06.03.2024
„Innovation 
entsteht durch Austausch“
Foto: Daniel Reinhardt/ZAL
Sie fliegen seit Ihrer Jugend selbst, zunächst Segelflug, mittlerweile Motor- und auch Kunstflug. Was können Sie aus der Privatfliegerei auf Ihre beruflichen Rollen als ZAL-Geschäftsführer und DGLR-Präsident übertragen?

Ich bin auch Flugzeugwart, das heißt, ich schraube an Flugzeugen. Das verleiht mir ein gutes Gespür dafür, wann etwas fertig ist: Wann traut man sich zu, Gas zu geben und zu starten, wann ist der optimale Zeitpunkt. Gerade bei Technologieentwicklungen, wie wir sie im ZAL vorantreiben, aber auch im DGLR mit der Vernetzung ist das Gespür für richtiges Timing hilfreich. Das begeistert mich an der Fliegerei und das kann man aus der Privatfliegerei übertragen: das Gefühl für Luftfahrt, was ist sicherheitsrelevant, was kann man machen, was ist innovativ möglich.

Vor acht Jahren, im März 2016, hat das ZAL TechCenter eröffnet – als "Silicon Valley der Luftfahrt". Hat sich das erfüllt?

Absolut. Mittlerweile ist es in der zivilen Luftfahrt so, dass man nur im Netzwerk gewinnen kann, wenn viele Akteure ihre Entwicklungen und Innovationen zusammenbringen. Für mich ist das Silicon Valley für die Softwareentwicklung ein Hotspot, wo man sich trifft und austauscht und wo man diesen gemeinsamen Spirit trägt. Das haben wir nicht nur in die Luftfahrt übertragen, sondern auch mit Hardware für angewandte Forschung versehen. Wir haben im TechCenter 30 verschiedene Partner. Das ist der Dreh- und Angelpunkt, das Netzwerk. Und gerade nach Corona zeigt sich wieder, wie die Leute in das Gebäude strömen und sich austauschen wollen. Meiner Meinung nach entsteht Innovation nur, wenn Menschen sich miteinander unterhalten und austauschen und nicht, wenn jemand allein vor seinem Computer sitzt. Da kann man bestimmt auch Sachen entwickeln. Aber Kreativität entsteht nur, indem Menschen sich treffen.

Könnten Sie ein Beispiel für ein erfolgreiches Projekt à la Silicon Valley nennen?

Um ein kleineres Projekt zu nehmen: Ein Hersteller von Halterlösungen für Kabinenelemente, SFS Intec, hat seine Forschungsabteilung im TechCenter. Wir haben das Unternehmen im Rahmen unserer LunchConnection mit Jetlite zusammengebracht, einem Start-up, das mit Kabinenbeleuchtung experimentiert. Zusammen haben sie ein neues Beleuchtungskonzept samt Integration in das Kabinenmodul entwickelt. In unserer Werkstatt haben sie den ersten Prototypen gebaut und ihn auf verschiedenen Messen gezeigt.

Wenn der persönliche Austausch eine so große Rolle spielt, wie hat das TechCenter während Corona funktioniert?

Wir konnten während Corona Technologieentwicklungen vorantreiben. Was aber meiner Meinung nach nicht funktioniert hat, ist die Ideenfindung, die Kreativität, Innovation. Wir sehen nach Corona, wie die Besucherzahlen durch die Decke gehen. Wir haben 600 Mitarbeitende, aber 800 bis 1000 Leute pro Tag im Gebäude. Gleiches sehen wir bei Veranstaltungen der DGLR und des International Council of the Aeronautical Sciences (ICAS). Die Konferenzen, die Kongresse, die einmal im Jahr stattfinden, haben Teilnehmerzahlen wie nie zuvor. Das zeigt, dass die Leute sich austauschen wollen. Ich bin überzeugt: Innovation entsteht durch Austausch.

Wie geht es mit dem ZAL TechCenter weiter?

Eine Erweiterung des linken Gebäudeflügels soll im Mai fertig werden. Dort haben wir noch mehr Hallenfläche, die universeller nutzbar und auch kürzer zu mieten ist. Damit bieten wir eine noch größere Flexibilität. Wir nennen das Konzept Open Hangar Space, ein Ort, wo man auch für kurzzeitige Versuche Platz hat. Man wird dort zudem kleinere Büros mieten können, um das zu bespielen. Weil wir bisher ausgebucht waren, bieten wir dort die Möglichkeit, agiler und schneller zu handeln. Wir werden zukünftig umfangreiche Investitionen in die Wasserstoffinfrastruktur tätigen, unter anderem in flüssigen Wasserstoff. Das Thema Wasserstoff ist eines unserer Kernthemen, das wir seit der Gründung der ZAL GmbH mitbetreuen.

Für welche Fluggeräte ist Wasserstoff als Treibstoff sinnvoll?

Flüssiger Wasserstoff ist meiner Meinung nach in der Luftfahrt die Lösung für viele Anwendungsfälle. Wir werden synthetischen Kraftstoff bei Großflugzeugen sehen, aber mittel- bis langfristig aufgrund der Energiedichte und Umweltfreundlichkeit auch flüssigen Wasserstoff. Auch im Betrieb mit kleinen und mittleren Drohnen ist flüssiger Wasserstoff sehr spannend. Wir erreichen dort mit Wasserstoff eine deutlich längere Flugdauer von bis zu zwölf Stunden mit komplett neuen Anwendungsfällen, beispielsweise die Inspektion von Offshore-Windparks, Überwachungsflüge an Gas- und Hochspannungsleitungen, Vermisstensuche auf See, Untersuchung landwirtschaftlicher Flächen oder Medikamententransporte in Afrika.

Wasserstoff gilt als Hoffnungsträger für klimaneutrales Fliegen. Wird die Zivilluftfahrt es schaffen, ihre Netto-CO2-Emissionen bis 2050 auf null zu reduzieren?

Ich glaube, dass wir das auf Dauer erreichen. Aber es wird nicht so schnell gehen, wie viele denken. Der erste Schritt wird die Verwendung synthetischen Treibstoffs sein – Power-to-Liquid-Kraftstoff, der idealerweise auf erneuerbaren Energien und Wasserstoff basiert. Biokerosin ist keine Alternative, denn solange wir auf der Welt Hungersnöte haben, ist es ethisch nicht vertretbar, auf Pflanzenbasis zu setzen. PtL wird daher der einfachere Weg sein, der aber relativ viel Geld kostet. Da hat die EU auch schon Rahmenbedingungen mit langsam steigenden Beimischungsquoten gesetzt. Die Direktverbrennung von Wasserstoff wird dann der nächste Schritt sein. Ich muss zwar den Wasserstofftank ins Flugzeug integrieren, habe aber die klassischen Triebwerke, die sich recht einfach auf Wasserstoff umrüsten lassen. Erst danach kommen wir zu Brennstoffzellenantrieben. Das sehe ich aber in ferner Zukunft. Denn da kommen wir bei größeren Flugzeugen in Dimensionen von Brennstoffzellen, die es noch nicht gibt, mit vielen ungelösten Fragen. Ob wir Klimaneutralität schaffen in dem Zeitrahmen, ist sehr schwer vorherzusagen. Das Ziel 2050 halte ich für eine Wahnsinnsherausforderung. Wobei es weniger eine technische als eine gesellschaftliche Frage ist. Ich glaube, dass Fliegen teurer werden wird, aber will eine Gesellschaft das Geld dafür ausgeben oder nicht?

Welche Labore oder Testinfrastruktur wünschen Sie sich als nächstes fürs ZAL?

Wir sind gerade dabei, einen weiteren Neubau zu planen. Das ist ein zusätzliches Gebäude auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Wir wollen noch mehr Flächen schaffen, die auf die neuen Arbeitswelten eingehen. Aus Umfragen wissen wir, warum Mitarbeitende überhaupt ins Büro kommen – weil sie sich austauschen wollen. Das neue Gebäude wird von der Architektur darauf gemünzt sein, dass es mehr Flächen zum Austausch gibt. Zudem wird es dort eine andere Struktur geben, in der wir einen stärkeren Fokus Richtung Start-ups haben, kleine und mittelständische Unternehmen reinbringen wollen. Wir möchten Flächen anbieten, auf denen man auf Projektbasis zusammenarbeiten kann. So flexibel war das in der Vergangenheit nicht möglich. Allerdings ist das noch nicht in trockenen Tüchern, die Finanzierung und Ausgestaltung sind aktuell noch in Planung. Aber das ist die Weiterentwicklung des ZAL-Gedankens. Eine Entwicklung in Richtung Campus-Setup mit noch mehr Austausch. Beispielsweise sprechen wir aktuell über die Einbindung der maritimen Industrie, mit der wir, im Bereich Wasserstoff, viele Themen teilen. Wir bleiben also nicht stehen.