Eine Woche vor Beginn der Paris Air Show hat Collins Aerospace zwei neue Standorte in Europa angekündigt: Im französischen Colomiers, nahe Toulouse, wird eine Endmontage elektrischer Schubumkehr-Aktuatorsysteme aufgebaut, und im englischen Wolverhampton entsteht ein Exzellenzzentrum zur Entwicklung der nächsten Generation dieser elektrischen Systeme.
Der US-Luftfahrtzulieferer arbeitet nach eigenen Angaben seit 2010 an der elektrisch angesteuerten Schubumkehr, das entsprechende System heißt elecTRAS. Bislang sind beide Varianten des Airbus A350 damit ausgestattet. Mehr als 600 der Airbus-Zweistrahler haben nach Angaben von Collins Aerospace rund elf Millionen Flugstunden und 1,8 Millionen Zyklen mit elecTRAS absolviert. "Es ist eine ziemlich robuste und bestätigte Technologie", sagte Ajay Mahajan, President Advanced Structures von Collins Aerospace bei einer virtuellen Pressekonferenz am Pfingstmontag.
Collins Aerospace will das System weiterentwickeln und nimmt dabei nicht nur die nächste Flugzeuggeneration, vor allem die A320- und Boeing-737-Nachfolger, ins Visier, sondern auch Retrofits bestehender Programme. Das nächste Flugzeug mit elecTRAS wird wahrscheinlich der A350-Frachter. "Darüber hinaus führen wir aktive Gespräche mit Kunden", so Mahajan. Die Weiterentwicklung von elecTRAS soll vor allem die Herstellungskosten reduzieren. Hinsichtlich der Leistung sei man mit der Technologie sehr zufrieden.
Von "more electric" zu hybrid-elektrisch
Für die Elektrifizierung von hydraulischen oder pneumatischen Systemen sprechen die geringere Komplexität, eine einfachere Instandhaltung und das niedrigere Gewicht. Collins geht davon aus, dass sich mit einer elektrischen Schubumkehr 15 bis 20 Prozent an Gewicht einsparen lässt im Vergleich zu einem konventionellen hydraulischen System. Durch das geringere Gewicht und dadurch, dass keine oder weniger Zapfluft vom Triebwerk entnommen wird, lässt sich der Treibstoffverbrauch reduzieren.
Mit einer stärker elektrischen Systemarchitektur (auf Englisch spricht man von "more electric aircraft") hat Collins Aerospace bereits Erfahrungen. Neben elecTRAS für die A350 ist der Zulieferer auch verantwortlich für das elektrische Klimatisierungssystem der Boeing 787. Für die Zukunft sieht Collins Aerospace die Elektrifizierung von weiteren Flugzeugsystemen. Beispiele sind Räder und Bremsen (der Dreamliner hat bereits elektrische Bremsen, sie werden von Safran Landing Systems geliefert) sowie Anti-Eis-Systeme an der Triebwerksgondel und an Propellerblättern von Turboprop-Triebwerken.
Auch am nächsten Schritt, der Einführung hybrid-elektrischer Technologien, arbeitet Collins Aerospace im Rahmen verschiedener Projekte. Dazu gehört der hybrid-elektrische Regionalflugdemonstrator von Pratt & Whitney Canada. Dabei soll eine De Havilland Dash 8-100 auf einer Seite einen parallel-hybriden Antrieb, bestehend aus einer Gasturbine von Pratt & Whitney Canada und einem 1 MW starken Elektromotor von Collins Aerospace erhalten, ergänzt wird das System von einer Batterie. Wann die eigentlich für 2024 angekündigten Flugtests stattfinden sollen, ist allerdings unklar.
Collins ist zudem beteiligt am SWITCH-Projekt im Rahmen des europäischen Luftfahrtforschungsprogramms Clean Aviation. Es sieht die Bodenerprobung eines hybrid-elektrischen Getriebefans von Pratt & Whitney vor. Das hybrid-elektrische Antriebssystem besteht aus zwei elektrischen Motorgeneratoren von Collins Aerospace, je einer auf der Niederdruck- (1 MW) und Hochdruckwelle (500 kW) in parallel-hybrider Konfiguration. Hinzukommen Motorsteuerung, Hochspannungsverkabelung und Batterien. Das System soll in Collins neuer Entwicklungsanlage für elektrische Systeme – The GRID – in Rockford, Illinois, getestet werden, bevor es in einen Getriebefan eingebaut wird und Ende 2025 auf einem Prüfstand bei Partner MTU laufen soll.