Jamming und Spoofing gehören zum Krieg. Die beiden Begriffe bezeichnen das Stören bzw. Fälschen von GNSS-Signalen. GNSS steht für Global Navigation Satellite System und umfasst Dienste wie das US-amerikanische GPS (Global Positioning System) und das europäische Galileo. Solche Satellitendaten werden unter anderem in der Militär- und Zivilluftfahrt für die Positionsbestimmung genutzt – und gezielt durch elektronische Angriffe unbrauchbar gemacht. Doch was dann? Wie kann ein Militärjet, eine Drohne, Lenkwaffe oder auch ein Passagierflugzeug ohne GPS navigieren?
"Mittel zur alternativen Navigation sind aufgrund des Krieges in der Ukraine wichtiger geworden", sagt Mike Vallillo, Vice President Defence and Space International bei Honeywell. An Lösungen zur resilienten Navigation arbeitet der US-Konzern seit mehr als zehn Jahren, unter anderem an seinem größten europäischen Forschungs- und Entwicklungsstandort in Brünn in der Tschechischen Republik, wo rund 1000 Ingenieure und Wissenschaftler beschäftigt sind. Die dort entwickelten Technologien unterliegen nicht der strengen US-Exportkontrolle und richten sich gezielt an europäische Kunden.
Die Forschung zu alternativen Navigationslösungen war ursprünglich nicht getrieben durch Jamming-/Spoofing-Angriffe, sondern um zuverlässige Navigation für Fahrzeuge in urbanen Häuserschluchten zu ermöglichen. "Navigation mit GPS ist dafür nicht genug", sagt Michal Zavisek, Vice President und General Manager, Honeywell Technology Solutions EMEA. In letzter Zeit ist auch die Nachfrage der Zivilluftfahrt nach resilienten Navigationslösungen gestiegen, bestätigt Honeywell.
Navigieren mit den Sternen
Wenn das Satellitensignal nur sehr kurz ausfällt, kann das Trägheitsnavigationssystem übernehmen. Es verfügt über eine inertiale Messeinheit (Inertial Measurement Unit, IMU) mit verschiedenen Beschleunigungs- und Drehratensensoren und ist praktisch in jedem Fluggerät zur Lagebestimmung verbaut. In der Luft- und Raumfahrt werden heute häufig große, teure IMUs mit Lasersensoren genutzt, die sehr präzise die räumliche Bewegung des Luftfahrzeugs und die Position bestimmen können. Honeywell hat 2024 das italienische Unternehmen Civitanavi übernommen, das sich auf IMUs mit hochleistungsfähigen faseroptischen Gyroskopen spezialisiert hat. Solche Systeme kommen in Kampfjets, Lenkwaffen, aber auch Trägerraketen zum Einsatz.
In den vergangenen Jahren haben auch mikro-elektromechanische Systeme (MEMS) auf Chips Einzug in die Luft- und Raumfahrt gehalten. Sie sind günstig, klein und leicht – haben aber ein Problem: "Je länger der GPS-Ausfall, desto größer wird der Fehler", sagt Milan Pindryc, Customer Engineering Liaison bei Honeywell. Fehler ergeben sich aufgrund der unvermeidlichen Kreiseldrift. MEMS sind also nur für kurze Zeiträume zur Navigation geeignet.
Positionsbestimmung ist auch über astronomische Navigation möglich, also mithilfe eines Sextanten, einer genauen Uhr und eines Sternenkatalogs. Im Fall der Luftfahrt handelt es sich um sogenannte "Star Tracker" – Kamerasysteme, die die relative Position von Sternen, vom Luftfahrzeug aus gesehen, bestimmen und mit deren absoluter Position abgleichen. Astronavigation kommt bereits seit den 1950er Jahren in ballistischen Langstreckenraketen und Marschflugkörpern zum Einsatz. Star Tracker sind recht groß und sperrig. "Sie eignen sich vor allem für hochwertige, hochfliegende Plattformen", sagt Pindryc.
Magnetfeld der Erde als Referenz
Das Erdmagnetfeld wird seit dem Beginn der Luftfahrt für Navigationszwecke genutzt. Es sind aber nicht einfache Magnetkompasse mit einer frei beweglichen Nadel, an denen Honeywell arbeitet, sondern sensible Sensoren zur Erfassung des elektromagnetischen Feldes der Erde. Die Messdaten werden mit magnetischen Karten verglichen, um die Position des Fluggeräts zu bestimmen. "Magnetische Navigation ist unter anderem sinnvoll über Wasser oder bei geringer Flughöhe", erklärt Pindryc.
Sichtnavigation ist eine weitere Möglichkeit, an der Honeywell arbeitet, auch für die Zivilluftfahrt. Dabei gibt es zwei Arten von sichtbasierter Navigation: Eine Kamera filmt das Gelände (optisch oder Infrarot) und vergleicht die Aufnahmen mit Satellitenbildern aus einer Datenbank. Die zweite Art nutzt eine Sequenz von Infrarotbildern, Algorithmen für computerbasiertes Sehen und Bildgeometrie, um die Geschwindigkeit des Fluggeräts über Grund zu bestimmen, was wiederum zum Ausgleich der Drift (Abweichung) der IMU genutzt werden kann. Sichtnavigation ist nach Angaben von Pindryc für alle Arten und Größen von Luftfahrzeugen geeignet.
Jedes Navigationsmittel hat seine Schwächen
Auch mithilfe von Radar lässt sich die Navigation unterstützen. Honeywells neuestes System für Drohnen bis 25 Kilogramm ist kompakt und leicht, seine Abmessungen und das Gewicht entsprächen schätzungsweise einer halben Tafel Schokolade. Mithilfe von Radar (80 GHz) wird die Geschwindigkeit über Grund in allen drei Achsen gemessen. Das System beinhaltet auch ein Radar-Höhenmesser. Auf der Veranstaltung Jamfest in Barcelona im September demonstrierte Honeywell das kleine Radarnavigationssystem an einer SkyLane-Drohne.

Honeywell zeigt sein neues Radarnavigationssystem (die roten Kästchen) an einer Drohne.
Schließlich gibt es auch noch die geländedatengestützte Navigation. Dabei wird mithilfe eines Radar-Höhenmessers das Geländeprofil während des Fluges ermittelt und mit einem digitalen Geländemodell verglichen, um die Position zu bestimmen.
"Nicht jede Lösung ist für jede Plattform anwendbar", sagt Pindryc. Optische sichtbasierte Navigation funktioniert nicht bei Nacht, Radar nicht bei Wolken und magnetische Navigation ist weniger präzise als andere Lösungen. Welche Navigationsmittel zum Zug kommen, entscheide man für jedes Fluggerät und jeden Kunden abhängig von Mission, Gewicht und Kosten. Klar ist aber: Auf Satellitennavigation allein ist kein Verlass.