Zehn Megawatt: Das ist in etwa die Antriebsleistung, die ein 100-sitziges Brennstoffzellen-Flugzeug mit einer Reichweite von rund 1850 Kilometern bräuchte, aufgeteilt auf vier Antriebe à 2,5 Megawatt. Diese Werte peilt Airbus in seinem ZEROe-Wasserstoffprojekt an. Von einer solchen Power ist Honeywell Aerospace – ebenso wie alle andere Brennstoffzellen-Antriebsentwickler – zwar noch entfernt. Aber für kleinere Regionalflugzeuge mit Platz für bis zu 19 Passagiere und 500 Kilometer Reichweite legt das Unternehmen im Rahmen des Clean-Aviation-Projekts NEWBORN (NExt generation high poWer fuel cells for airBORNe applications) wichtige Grundlagen.
"Wir sind gerade in einer sehr interessanten Phase des Projekts", sagt Ondrej Kotaba, technischer Leiter des Projekts bei Honeywell Aerospace. "Wir haben zweieinhalb Jahre am Design gearbeitet, nun kommt es zum Tragen." Man teste parallel verschiedene Systeme an verschiedenen Standorten.
Honeywell Aerospace entwickelt seit 2023 in seinem Forschungs- und Technologiezentrum in Brünn, Tschechien, zusammen mit zwölf Partnern einen Bodendemonstrator eines 1 MW starken Brennstoffzellenantriebsstrangs – "vom kryogenen Tank für Flüssigwasserstoff bis zum Propeller", sagt Kotaba. Diese Leistung entspricht in etwa jener der PT6A-68-Propellerturbine, die zum Beispiel in der Pilatus PC-21 zu finden ist.

Honeywell betreibt in Brünn in Tschechien ein großes Technologie- und Forschungszentrum.
Die Zulassung im Blick
Zum Konsortium gehören unter anderem der slowenische Flugzeughersteller Pipistrel, der schwedische Brennstoffzellen-Hersteller Power Cell, das Fraunhofer-Institut für Integrierte Systeme und Bauelementetechnologie (IISB) aus Erlangen, die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg sowie das Unternehmen Test-Fuchs aus Österreich. Das Projekt wird im Rahmen des europäischen Luftfahrtforschungsprogramms Clean Aviation mit 44,8 Millionen Euro von der EU gefördert. Auch die europäische Luftfahrtbehörde EASA ist in NEWBORN involviert, ein Teil des Projekts beschäftigt sich mit Zulassungsfragen.
"Wir werden in diesem Projekt nicht fliegen, dafür ist es noch ein bisschen zu früh", sagt Kotaba. Das Ziel ist es, den Antriebsstrang bis zum Technologiereifegrad 4 (von 9) zu bringen, das entspricht einem Versuchsaufbau im Labor. Man entwickle den Brennstoffzellenantrieb von Grund auf für die Luftfahrt. Denn diese stellt besondere Anforderungen an Effizienz und erfordert den Betrieb in großer Höhe unter extremen Bedingungen (niedrige Temperaturen, geringe Luftdichte). Honeywell peilt eine Flughöhe von 25.000 Fuß (7620 Meter) an, was in etwa jener von Turbopropflugzeugen entspricht.
Das NEWBORN-Konsortium hat seit Projektbeginn verschiedene Meilensteine erreicht: Das Gesamtkonzept des Antriebsstrangs wurde entworfen und die Architektur optimiert, Subsysteme und hunderte Komponenten wurden designt, gebaut und getestet. Kritische Komponenten wie die Brennstoffzellen-Stacks (dt. Stapel) absolvierten bei Power Cell in Göteborg bereits erfolgreich Testläufe bei voller Leistung und befanden sich im Herbst 2025 in einer Umwelt- und Robustheitstestkampagne.
Hybrid aus Brennstoffzellen und Batterien
Honeywell setzt auf drei Brennstoffzellen-Stapel, die eine beeindruckende Leistung von je 300 kW erzeugen. So kommt man auf insgesamt 900 kW Nennleistung. Das entspreche rund 720 bis 750 kW tatsächlicher Leistung, "abhängig davon, wie gut es uns gelingt, die Steuerung zu optimieren", sagt Kotaba. Die Controller (Hard- und Software) sowie das Health Monitoring stammen von Honeywell. Batterien tragen den Rest bei, um auf ein Megawatt Leistung zu kommen. "Für die meisten Anwendungen ist die Hybridisierung mit Batterien der gewichtsoptimierte Ansatz", sagt Kotaba. Batterien würden in den energieintensiven Flugphasen zugeschaltet, beispielsweise beim Start. Im Reiseflug würden sie wieder aufgeladen. "Dank der Batterien können wir die Stacks immer im Optimum betreiben."
Für den Bodendemonstrator sind die drei Brennstoffzellen-Stapel über Gleichspannungswandler parallelgeschaltet. "Wir wollen die aktuelle Steuerung in einem Parallel-Setup validieren", sagt Kotaba. Der Experte gibt zu, dass das nicht optimal für ein Flugzeug wäre. Für eine fliegende Anwendung würde man, abhängig von der Anzahl der Stacks und dem spezifischen Luftfahrzeug, eine Kombination aus Parallel- und Reihenschaltung wählen. Bei den Gesprächen mit der EASA über einen potenziellen 19-Sitzer mit Brennstoffzellenantrieb habe man festgestellt, dass man vierfach-redundante Systeme benötige. "Anstelle von zwei Systemen mit je zwei Stacks bräuchte man vier unabhängige Systeme", erklärt Kotaba. Das liege an der höheren Komplexität der Brennstoffzellensysteme, deshalb ist die Gesamtzuverlässigkeit niedriger als bei Gasturbinen.
Schlüsseltechnologie Wärmemanagement
Auf Systemebene soll der Antrieb 50 Prozent Wirkungsgrad im Reiseflug erzielen. Die Effizienz ist wichtig für das Thermalmanagementsystem. Je höher die Effizienz, desto kleiner können die Wärmetauscher und die Lufteinläufe ausgelegt werden und desto geringer der Luftwiderstand. Power Cell hat dafür die Brennstoffzellen-Stacks so entwickelt, dass sie bei höheren Temperaturen betrieben werden können als bisher üblich. "Sie arbeiten mit 100 Grad Celsius warmer Kühlflüssigkeit, um eine hohe Temperaturdifferenz zwischen Kühlflüssigkeit und Umgebung zu ermöglichen", so Kotaba. Das wiederum vereinfacht die Wärmeabführung. Derzeit nutzt Honeywell ein Ethylenglykol-Wasser-Gemisch als Kühlmittel, langfristig will man aber zur Gewichtsoptimierung des Systems auf ein anderes Medium wechseln, das Kotaba noch nicht nennen will. Das Thermalmanagementsystem wird mit variablem Druck betrieben, um die Lebensdauer der Brennstoffzellen zu maximieren (geplant sind 20.000 Betriebsstunden).
Beim Thermalmanagementsystem arbeitete Honeywell zusammen mit dem mittlerweile insolventen britischen Unternehmen Reaction Engines. Deshalb muss man nun für das Projekt auf kommerzielle Wärmetauscher zurückgreifen. Ob Honeywell nach Möglichkeiten sucht, die von Reaction Engines entwickelten Hochleistungswärmetauscher in Zukunft zu nutzen, wollte Kotaba nicht kommentieren.
Zu den Subsystemen, die bereits getestet wurden, gehört der Anodenrezirkulationskreislauf, der den Wasserstoff durch die Stack-Anode leitet. Das System wurde bei Test-Fuchs in Dobersberg, Österreich erprobt. Die Integration der Kontrollschleifen sowie sämtliche Sicherheitsaufgaben seien abgeschlossen. "Alles funktioniert sehr gut", sagt Kotaba.
Tests mit dem Gesamtsystem 2026 geplant
Aktuell wird das Luftversorgungssubsystem – ein zweistufiger Verdichter, den Honeywell entwickelt – in einer Vakuum-Testkammer der Tschechischen Akademie der Wissenschaften in einer alten Mine in Nový Knin auf Herz und Nieren geprüft. "Wir können so den Betrieb in Flughöhe simulieren", erklärt der Projektleiter. Auch die Tests mit dem Thermalmanagementsystem in Brünn sind fortgeschritten, es sei zu 90 Prozent validiert.
Ende 2025 wollte Honeywell die Subsysteme in einem integrierten Brennstoffzellen-Stromerzeugungssystem bündeln, das Anfang 2026 in Rez in Tschechein getestet werden soll. Etwa zum gleichen Zeitpunkt wird das elektrische Antriebssystem an der Universität Nottingham erprobt. Es besteht aus einem Megawatt-Elektromotor und Inverter der englischen Universität, Batterien von Pipistrel und Komponenten zur Leistungsumwandlung und -verteilung des Fraunhofer IISB. Im Januar oder Februar soll der kryogene Tank inklusive des Wasserstoffversorgungsystems getestet werden. Die finalen Tests mit dem Gesamtsystem, für dessen Integration Honeywell zuständig ist, werden zwischen dem zweiten und vierten Quartal 2026 bei Pipistrel im italienischen Gorizia, an der slowenischen Grenze, stattfinden.
Im Anschluss an NEWBORN würde Honeywell den Antriebsstrang gern auch im Flug erproben. Angedacht sind Flugtests für 2028 mit einem noch nicht näher spezifizierten Experimentalflugzeug. Allerdings fehlt aktuell ein passendes Clean-Aviation-Nachfolgeprojekt und die damit einhergehende finanzielle Unterstützung. Es ist noch nicht einmal klar, welche Richtung Clean Aviation strategisch einschlagen wird, nachdem Airbus seine Wasserstoff-Ambitionen zurückgefahren hat.
Zudem beschäftigen sich im Rahmen von Clean Aviation zwei weitere Projekte mit Brennstoffzellenantrieben: HEROPS (Hydrogen-Electric Zero Emission Propulsion System) und FAME (Fuel cell propulsion system for Aircraft Megawatt Engines). HEROPS wird von MTU Aero Engines koordiniert, beteiligt sind unter anderem Collins Aerospace und Lufthansa Technik. Das Ziel des bis 2026 laufenden Projekts ist es, einen 1,2 Megawatt starken Bodendemonstrator aufzubauen. FAME begann im Januar 2025 und wird geleitet von Airbus Operations. Auch hier will ein Konsortium, dem beispielsweise Diehl Aviation und Liebherr Aerospace Toulouse angehören, innerhalb von drei Jahren ein Bodendemonstrator eines 1-Megawatt-Brennstoffzellenantriebs entwickeln und testen. Die Konkurrenz für mögliche Anschluss-Projekte unter Clean Aviation ist also groß.






