Kondensstreifen gelten als besonders problematisch für das Klima. Gemäß einer internationalen Studie unter Leitung der Manchester Metropolitan University mit Beteiligung des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) aus dem Jahr 2020 sind Nicht-CO2-Effekte, zu denen auch Kondensstreifen gehören, für zwei Drittel der Klimawirkung der Luftfahrt verantwortlich. Thales hat nun eine Software entwickelt, die eine Reduzierung von Kondensstreifen zum Ziel hat. Die Lösung namens Flights Footprint nutzt die neuesten Wettervorhersagen und Klimamodelle, die von der Non-Profit-Organisation Breakthrough Energy Contrails bereitgestellt werden. Erste Testflüge mit der französischen Airline Amelia im vergangenen Jahr zeigten positive Ergebnisse.
In der zweiten Jahreshälfte 2024 nahmen Thales und Amelia alle 50 Flüge auf der Strecke Valladolid (Spanien) – Paris (Frankreich) mit einem Regionaljet vom Typ Embraer ERJ145 unter die Lupe. Dafür wurde der ursprüngliche Flugplan vor dem Flug daraufhin untersucht, ob er durch stark eisübersättigte Gebiete führt, in denen langlebige Kondensstreifen entstehen. Flights Footprint berechnete auf der Basis der aktuellen Wettervorhersage eine alternative Route mit veränderter Flughöhe.
"Eisübersättigte Regionen sind ziemlich dünne Gebiete, was die Höhenentwicklung angeht, aber aus Kartenperspektive großflächig verbreitet", erklärt Adrien Chabot, Direktor für nachhaltige Entwicklung bei Amelia. Man könne darüber oder darunter hinwegfliegen, oder müsse größere laterale Umwege in Kauf nehmen. Letzteres würde die Flugzeit und den Kerosinverbrauch deutlich erhöhen, weshalb man sich für eine Anpassung der Flughöhe entschieden habe.

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Höhenänderung bei wenigen Flügen
Die in die Amelia-Betriebskontrollzentrale integrierte Flights-Footprint-Lösung kalkuliert zunächst den Treibstoffverbrauch sowie die Klimawirkung des ursprünglichen Fluges in sogenannten CO2-Äquivalenten. So können auch Nicht-CO2-Effekte berücksichtig werden, die von Stickoxiden, Kondensstreifen und Wasserdampf ausgehen. Anschließend berechnet die Software alternative Routen und wählt jene aus, die das beste Gleichgewicht aus Klimawirkung und Treibstoffverbrauch bietet. Denn eine niedrigere Flughöhe bedeutet geht mit einem höheren Treibstoffverbrauch einher, was wiederum den CO2-Ausstoß steigert. Deshalb muss die Reduzierung von Kondensstreifen eine deutliche Verringerung der gesamten Klimawirkung bringen, damit sich eine geänderte Flugroute überhaupt lohnt.
Um zu sehen, ob auf der neuen Route tatsächlich keine Kondensstreifen entstehen, nutzt Thales eine Kamera, die den Himmel über dem Großraum Bordeaux – etwa in der Mitte des Reiseflugs – überwacht. "Das ist keine vollständige Validierung durch Beobachtung, denn die Kamera hatte nur einen eingeschränkten Horizont, um das Flugzeug zu sehen", so Julien Lopez, Head of Green Aviation in der Avioniksparte von Thales. "Aber es bewies zumindest, dass in diesem Gebiet, für das keine Kondensstreifen vorhergesagt waren, auch keine Kondensstreifen auftauchten." Mehrere Tage nach dem Flug, wenn genaue Wetterbeobachtungen und -analysen vorlagen, ließ Thales seine Software nochmals rechnen, um die Zahlen zu validieren.
Deutlich geringere Klimawirkung
Thales nannte in einem Medienbriefing am 11. Februar als Beispiel einen Flug vom 5. Juni 2024, der durch eine um 2000 Fuß niedrigere Flughöhe (FL340 statt FL360) eine um rund 30 Prozent geringere Klimawirkung aufwies als die ursprünglich geplante Route – trotz eines um 2,4 Prozent höheren Treibstoffverbrauchs und entsprechend höheren CO2-Emissionen. Von den insgesamt 50 Flügen, die Thales und Amelia untersuchten, wurde nur bei fünf die Flughöhe verändert. "Das sind auch in etwa die Zahlen, die sich in der Wissenschaft in den großen Studien finden. Bei rund zehn Prozent der Flüge entstehen Kondensstreifen mit deutlich wärmender Wirkung", sagt Chabot. Bei den fünf Flügen habe man 20 Tonnen CO2-Äquivalente eingespart
Thales und Amelie wollen die Erprobung von Flights Footprint weiterführen und im Lauf des Jahres auf sämtliche Flüge von Amelia ausweiten, nicht nur jene zwischen Spanien und Frankreich. "Unser ganzes Netzwerk wird überwacht werden", sagt Chabot. Gleichzeitig machte Lopez klar, dass Flights Footprint noch kein kommerzielles Produkt sei, "da es die entsprechenden Regelungen noch nicht gibt." Aktuell würden Airlines nur für einen möglichst geringen Treibstoffverbrauch und damit die Vermeidung von CO2 belohnt. "Wenn die Regelungen geschaffen wurden, dann sehe ich es definitiv als Produkt, dass auf die Bedürfnisse aller Fluggesellschaften zugeschnitten ist."
Auch das DLR arbeitet an dem Thema Kondensstreifenvermeidung. Erste Flugversuche in Zusammenarbeit mit dem Maastricht Upper Area Control Center (MUAC) fanden 2021 statt. "Die Versuchsreihe zeigt uns, dass es prinzipiell möglich ist, beim realen Flugverkehr klimafreundlichere Routen und Höhen zu nutzen", so Prof. Robert Sausen vom DLR-Institut für Physik der Atmosphäre. Die Daten hätten belegt, dass Kondensstreifen vermieden wurden. Zudem seien Betriebsverfahren erfolgreich eingeführt worden. "Das Experiment macht deutlich, welche technischen und operationellen Herausforderungen zu meistern sind, wenn man derartige Maßnahmen im größeren Umfang durchführen möchte", so Prof. Sausen.
Eine der größten Herausforderungen bei den Tests von Thales und Amelia war nach Angaben von Julien Lopez das sehr kurze Zeitfenster, das für die Modifikation des Flugplans zur Verfügung steht. Zudem sei es eine neue und zusätzliche Arbeit für die Mitarbeiter in der Betriebskontrollzentrale, ergänzt Adrien Chabot. Schließlich müsse man auch sicherstellen, dass die Piloten den neuen Flugplan auch umsetzen. "Für die Crew ist es eine Änderung ihrer Sichtweise", so Chabot.