Flugnummer, Geschwindigkeit über Grund, Steuerkurs, tatsächliche Flugrichtung, barometrische Höhe, Position, Rollwinkel und vieles mehr: Mode-S-Transponder schicken eine Menge Daten aus, die wichtig für die Flugsicherung sind. Die umfangreichen Datensätze sind aber noch für etwas ganz anderes nützlich: um Wetterinformationen daraus zu berechnen.
Interessant ist das nicht nur für Wetterdienste, um deren Wettermodelle und Vorhersagen zu verbessern, sondern auch für die Flugsicherung, um die zeitbasierte Staffelung zu unterstützen und die Kapazitäten im Luftraum und an Flughäfen zu erhöhen, sowie für Airlines, um ihre Routenplanung zu optimieren. Und im Vergleich zu Wetterballons oder dem AMDAR-System (Aircraft Meteorological Data Relay) ist die Weiterverarbeitung der ohnehin vorhandenen Transponderdaten kostengünstiger. Allerdings fehlen Informationen zur relativen Luftfeuchte. Dafür müssen Flugzeuge mit einem speziellen Sensor ausgestattet werden, wie das für die Teilnahme am AMDAR der Fall ist.

Ausschnitt aus einer Live-Windkarte für Europa. Jeder Windvektor stellt ein Flugzeug dar.
Flugzeuge als Sensoren
Das Unternehmen Skysquitter, 2017 in Hattersheim am Main von drei Freunden mit Hintergrund in der Flugsicherung und Nachrichtentechnik gegründet, arbeitet daran, den Transponderdaten-Schatz zu heben. "80 Prozent des Mode-S-Protokolls werden selten oder gar nicht genutzt – erst recht nicht für Anwendungen, für die es nicht entworfen wurde", sagt Julian Sube, Geschäftsführer von Skysquitter. Um das zu ändern, haben die drei Firmengründer mit einem "kleinen, privaten Proof of Concept" begonnen und das Vorgehen immer weiter professionalisiert. In den vergangenen zwei Jahren hat Skysquitter unter anderem zusammen mit der TU Braunschweig im Rahmen des LuFo-Forschungsprojekts "aviosense" an dem Thema gearbeitet.
"Wir nutzen Flugzeuge als Sensoren, ohne dass sie es wissen", sagt Sube. Das sei ein großer Vorteil, weil keine Kooperation oder Abstimmung mit anderen Parteien notwendig ist. Doch es sei auch eine Herausforderung. "Wir haben Monate allein damit verbracht, herauszufinden, woran man zum Beispiel fehlerhafte Avionik erkennt." Dafür hat Skysquitter die vorhandenen Daten miteinander abgeglichen und auf Plausibilität geprüft. Zudem schicken die Transponder selbst Informationen über ihre Fähigkeiten, was Rückschlüsse auf das Alter der Avionik und über die Zuverlässigkeit der Daten zulässt. Nicht zuletzt wurden gemeldete Tracks (Kurse über Grund) mit selbst aus den GPS-Positionen berechneten Tracks verglichen.
Eigene Datenerfassung
Mit einem Netzwerk aus bislang rund 50 eigenen Empfängern in Europa "hört" Skysquitter die Transponderaussendungen der Flugzeuge bzw. die Mode-S-Daten mit. Eigene Receiver seien wichtig, um eine hohe Datenqualität sicherzustellen. "Bei uns geht es darum, teilweise Millisekunden voneinander zu trennen. Deswegen können wir nicht mit den Daten arbeiten, die die großen, crowdgesourcten Netzwerke sammeln", erklärt Sube.

Bisher hat Skysquitter circa 50 eigene Receiver in ganz Europa verteilt, beispielsweise in Südtirol, um Transponderdaten zu sammeln.
Die von den Flugzeugen gesendeten Antworten auf die Abfragen der Bodenstationen werden passiv dekodiert und als Rohdaten abgelegt. Ein selbst entwickelter Algorithmus berechnet daraus schließlich Wetterinformationen. Für Windvektoren dient beispielsweise das klassische Winddreieck als Grundlage, mit dem sich der Einfluss von Wind auf Kursrichtung und Geschwindigkeit eines Flugzeugs bestimmen lässt. Skysquitter benötigt für die Berechnung vier Transpondernachrichten. Doch der Teufel steckt im Detail: Wichtig ist nicht nur das exakte Alter der Parameter, sondern auch, was dazwischen passiert, beispielsweise ein Kurvenflug.

Am BER sind Echtzeit-Winddaten von Skysquitter bis zum Boden verfügbar. Das ist interessant für neue Verfahren wie die zeitbasierte Staffelung.
"Bei Wind und Temperatur sind wir mittlerweile – auch durch den Abgleich mit Wettermodellen – sehr weit", sagt Sube. "Für uns sehr spannend sind aber auch Turbulenzwerte." Diese lassen sich durch Luftdruckveränderungen berechnen. Zusammen mit dem Institut für Flugführung der TU Braunschweig wurden bereits interessante Ergebnisse erarbeitet, allerdings gibt es noch weiteren Forschungsbedarf. Daraus könnte einmal eine kostengünstige und genaue Methode zur Erfassung von Turbulenzen entstehen. Bislang werden dafür hauptsächlich Berichte von Piloten (PIREPs) genutzt. Der Transponderdaten-Schatz hat also noch einiges zu bieten.