Der Münchner Triebwerkshersteller arbeitet seit rund fünf Jahren an einem luftfahrttauglichen Brennstoffzellenantrieb. Im vergangenen Jahr hat die MTU Aero Engines erfolgreich Tests mit dem Wasserstoff-Treibstoffsystem abgeschlossen. Jüngst hat das Konzept der "Fliegenden Brennstoffzelle" weitere Meilensteine erreicht. Das Design des vollintegrierten, 600 kW starken Antriebsstrangs ist bei der kritischen Entwurfsüberprüfung festgezurrt worden, die entsprechende Leistung des Elektromotors der MTU-Tochter eMoSys wurde kürzlich nachgewiesen, der erste von zwei neuen Prüfständen geht bald in Betrieb – und die Produktion der Brennstoffzellen-Stacks ist gestartet. Ein Stack (dt. Stapel) besteht aus mehreren einzelnen Brennstoffzellen. "Alle Fundamentalvalidierungen haben stattgefunden, wir sind jetzt in der nächsten Evolutionsstufe. Jetzt kommt die Hardware für das integrierte Gesamtsystem zusammen", sagt Barnaby Law, Chefingenieur für die Fliegende Brennstoffzelle bei der MTU Aero Engines.
Die MTU Aero Engines setzt auf selbst entwickelte Niedertemperatur-Polymerelektrolyt-Brennstoffzellen (LT-PEM). Die Eigenentwicklung hat mehrere Gründe: Die bisher auf dem Markt verfügbaren Stacks haben typischerweise ihre Wurzeln im Automobilbereich. Das heißt, sie erfüllen Automobilanforderungen und nicht alle Luftfahrt-Anforderungen. Daher sind sie kaum zulassungsfähig für große Flugzeuge. Und, was für Law noch wichtiger ist: "Die Performance der Stacks wird immer der Schlüssel für einen besseren, sparsameren Antrieb der Zukunft sein. Als Hersteller von Luftfahrtantrieben müssen wir hier die Hand darauf haben."
Zwei neue Prüfstände in München
"Unsere Stacks gehen jetzt in die erste Vorserie, es geht um mehrere tausend Bipolar-Platten. Das sind so um die zehn Stacks, die getestet werden", sagt Law. Dafür wurden in München eigens zwei neue Prüfstände aufgebaut: eine Brennstoffzellen-Stack-Testzelle, die noch dieses Jahr erstmals genutzt wird, und eine Testeinrichtung für das gesamte Antriebssystem, die nach Angaben von Law kurz vor der baulichen Fertigstellung und Abnahme steht.

Die MTU nimmt die Brennstoffzellen-Stack-Testzelle noch 2025 in Betrieb.
An Herausforderungen mangelt es bei der Entwicklung eines Luftfahrt-Brennstoffzellenantriebs nicht. "An ein, zwei Stellen mussten wir Lieferanten wechseln. Und wir haben an ein, zwei Stellen Limitierungen im System aufgrund von Limitierungen in Geräten", erläutert Law. Auch technisch ist der Entwurf ein Drahtseilakt. Die zentrale Frage ist: "Wie weit kann ich bei der Vereinfachung des Systems gehen, ohne meine End-of-Life-Performance zu sehr zu mindern?", fasst Law zusammen. Es geht um die Balance von Systemaufwand und -leistung über die Lebensdauer des Systems und um das entsprechende Gewicht und die Kosten. "Das hört sich einfach an, ist aber in der Sache sehr kompliziert. Ich muss all die Degradationsmechanismen, all das, was im operativen Betrieb passiert, wirklich gut verstehen." Für dieses Verständnis spielen die Bodentests auf den Prüfständen eine wichtige Rolle. Laws Ziel ist es, dass die Brennstoffzellen-Stacks ein ganzes Flugzeugleben lang unter den Flügeln bleiben. Auch das Wasserstoff-Treibstoffsystem soll nicht ausgetauscht werden müssen. "Wenn es Bauteile mit begrenzter Lebensdauer gibt, stellen wir natürlich sicher, dass wir in einen Letter-Check- oder Engine-Overhaul-Zyklus kommen", sagt Law.
In nächster Zeit fliegen wird der MTU-Brennstoffzellenantrieb jedoch nicht. Von den ursprünglich mit einer Dornier 228 des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) geplanten Flugtests hat der Triebwerkshersteller bereits Anfang 2024 Abstand genommen. Zu groß ist der finanzielle und regulatorische Aufwand, ein zweimotoriges Flugzeug auf einer Seite mit einem Brennstoffzellen-Antrieb auszurüsten. Stattdessen wollen die Münchner 2026 den neuartigen Antriebsstrang an einem bodengebundenen Fahrzeug validieren. Flugtests stehen zwar noch auf der Agenda. Allerdings wurden bisher weder ein neuer Zeitplan noch ein mögliches Testflugzeug genannt.
Noch stärkere Antriebe in Planung
Parallel zum 600-kW-Brennstoffzellenantrieb arbeitet die MTU zusammen mit weiteren Partnern, darunter MT Aerospace, Collins Aerospace und Lufthansa Technik, im Rahmen des Clean-Aviation-Projekts HEROPS (Hydrogen-Electric Zero Emission Propulsion System) an einem 1,2 MW starken Bodendemonstrator. Diese Leistungsklasse wäre für den Einsatz an Regionalflugzeugen nötig. Für Kurz- und Mittelstreckenflugzeuge müsste ein Wasserstoff-elektrischer Antrieb sogar zwei bis vier Megawatt leisten. Die MTU Aero Engines kann sich einen solchen verbesserten Brennstoffzellenantrieb ab 2050 auf der Kurz- und Mittelstrecke vorstellen.
Auch wenn Airbus die Einführung eines Wasserstoff-Regionalflugzeugs von 2035 auf die 2040er Jahre verschoben hat, ändert die MTU nichts an ihrer Strategie. "Wir halten Kurs", sagt Law. "Wir müssen sicherstellen, dass wir die Maturität, die Metriken des Systems und das Risiko vollumfänglich verstehen. Wenn wir das haben, reden wir über Produktentwicklung und Business Case."