Wasserstoff-Turbofan verspricht hohe Effizienz

Projekt HySIITE
Wasserstoff-Turbofan verspricht hohe Effizienz

Zuletzt aktualisiert am 29.01.2025
Wasserstoff-Turbofan verspricht hohe Effizienz
Foto: Pratt 6 Whitney

Im Projekt HySIITE (Hydrogen, Steam Injected, Inter-cooled Turbine Engine) hat Pratt & Whitney seit Februar 2022 das Potential eines mit Flüssigwasserstoff betriebenen Turbofans mit Wasserdampfeinspritzung unter die Lupe genommen. Der US-Triebwerkshersteller kommt zu dem Schluss, dass die Herausforderungen enorm sind, aber auch große Möglichkeiten warten. Darunter ein um bis zu 35 Prozent höherer Wirkungsgrad als beim aktuellen Getriebefan (GTF) des Airbus A320neo sowie Null CO2-Emissionen und praktisch kein Stickoxidausstoß.

"Wir wollten nicht nur sehen, ob wir Wasserstoff verbrennen können, sondern wie wir aus Wasserstoff Vorteile ziehen können", sagt Neil Terwilliger, Technical Fellow Advanced Concepts bei Pratt & Whitney, im Vorfeld de Fachkonferenz "Towards Sustainable Aviation Summit 2025" in Toulouse. Terwilliger sieht vor allem zwei Pluspunkte: die extreme Kälte von Flüssigwasserstoff (-253 Grad Celsius) und das Wasser, das bei seiner Verbrennung entsteht. "Wir können Hitze aus einer Vielzahl potentieller Quellen in den kryogenen Wasserstoff leiten. Hitze, die sonst verschwendet würde und die man auf andere Arten schwierig los bekäme, gelangt so wieder ins Triebwerk zur zusätzlichen Leistungserzeugung", erklärt Terwilliger.

HySIITE weist im Vergleich zu konventionellen, mit Kerosin betriebenen Turbofans einige Unterschiede auf: Im Abgasstrahl der Leistungsturbine befindet sich ein Dampferzeuger, der die Hitze nutzt, um Wasser zu verdampfen. Der Wasserdampf wird vor der Brennkammer in den Verdichter eingespritzt. So wird die Abwärme des Abgases wieder dem thermodynamischen Kreisprozess zugeführt, was die Effizienz erhöht. Hinzukommt, dass der eingespritzte Wasserdampf die Temperaturspitzen der Wasserstoffverbrennung reduziert. Dadurch können die Stickoxidemissionen nach Angaben von Pratt & Whitney um 99,3 Prozent verringert werden.

Zusätzliche Komponenten erhöhen das Gewicht

Das für den Prozess nötige Wasser wird mittels zweier Wärmetauscher aus dem Abgas gewonnen und über einen Wasserabscheider gesammelt. In einem Flugzeug wäre allerdings ein kleiner Tank als Puffer nötig. "Wir können das flüssige Wasser auch für andere interessante Zyklus-Effekte nutzen, zum Beispiel zur Zwischenkühlung", sagt Terwilliger. Und es gibt einen weiteren positiven Aspekt: Dadurch, dass das Abgas "getrocknet" wird, würde ein solches Triebwerk potenziell weniger zur Bildung von Kondensstreifen neigen. Kondensstreifen gelten als sogenannte Nicht-CO2-Effekte, die zur Klimaerwärmung beitragen.

HySIITE sieht neben den zusätzlichen Komponenten ein andere Architektur vor, wie man es vom GTF gewohnt ist. Zwar wird auch hier der größte Teil des Luftstroms vom Bläser durch den Nebenstromkanal beschleunigt. Das Kerntriebwerk (Verdichter, Brennkammer, Turbine) sitzt aber am hinteren Ende und wird von hinten nach vorne durchströmt. Dafür wird ein Teil des Luftstroms umgelenkt und durchläuft in Flugrichtung den Verdichter (ähnlich wie beim PT6-Turboprop von Pratt & Whitney Canada). Noch vor der Brennkammer wird der Wasserdampf eingespritzt. In der Brennkammer selbst wird gasförmiger Wasserstoff mit dem Luft-Wasserdampfgemisch gezündet. Die heißen Gase treiben eine Leistungsturbine an, die wiederum den Bläser antreibt.

Ein Antrieb mit HySIITE-Architektur hätte zwar ein kleineres Kerntriebwerk, wäre aber schwerer als der GTF, vor allem wegen des Wärmetauschers. Dennoch würde es nach Angaben von Pratt & Whitney in eine Triebwerksgondel ähnlicher Größe wie jene des GTF passen. Bis zur Marktreife würde aber mindestens noch ein Jahrzehnt vergehen – vorausgesetzt es gäbe ein entsprechendes Flugzeugprogramm.

In dem vom US-Energieministerium (DoE) im Rahmen der Advanced Research Projects Agency-Energy (ARPA-E) geförderten Projekt sollte Pratt & Whitney einige der Risiko-Punkte demonstrieren. Dazu gehörten die Brennkammer, der Wärmtetauscher und der Dampferzeuger, die in Originalgröße im Technologieforschungszentrum des Pratt & Whitney-Mutterkonzerns RTX in East Hartfort, Connecticut im Rahmen von Rig-Tests untersucht wurden. "Wir haben die technische Machbarkeit im ARPA-E-Projekt gezeigt", sagt Terwilliger. Die größten technischen Hürden sieht er bei den Wärmetauschern und dem Dampferzeuger. Beim Wärmetauscher geht es vor allem ums Gewicht und darum, den Druckverlust möglichst gering zu halten, beim Dampferzeuger ist die Langlebigkeit ein Thema. Und insgesamt stellen Wasser und Wasserstoff im Triebwerk eine Herausforderung für das Material dar.

Pratt & Whitney

Ähnlichkeiten zu MTUs WET-Konzept

HySIITE hat gewisse Ähnlichkeiten zum Water-Enhanced Turbofan (WET), an dem Pratts deutscher GTF-Partner MTU Aero Engines arbeitet. Auch hier ist eine Wasserdampfeinspritzung, allerdings direkt in die Brennkammer, vorgesehen. Wie bei HySIITE wird die Abgaswärme genutzt, um die thermodynamische Effizienz zu erhöhen. Schlüsselkomponenten sind ein Dampferzeuger im Abgasstrahl, ein Wärmetauscher im Nebenstromkanal und ein Wasserabscheider. Das WET-Konzept ist Teil des Clean-Aviation-Projekts SWITCH (Sustainable Water-Injecting Turbofan Comprising Hybrid-Electrics), an dem auch Pratt & Whitney beteiligt ist. Allerdings geht es bei SWITCH nicht um ein Triebwerk mit Wasserstoffdirektverbrennung, sondern um einen weiterentwickelten GTF, der (fossiles oder synthetisches) Kerosin nutzt. "Sie haben im Grunde dasselbe Konzept: Wasser aus dem Abgas zu entnehmen und es wieder in den thermodynamischen Kreisprozess einzubringen", sagt Dr. Michael Winter, Chefwissenschaftler bei RTX. "Aber wenn man mit Wasserstoff beginnt, ist es ein ganz anderes thermodynamisches System."

Ein direktes Nachfolgeprojekt für HySIITE gibt es aktuell nicht. "Wir haben eine Reihe von Programmen, die sich auf ähnliche und angrenzende Möglichkeiten fokussieren", sagt Winter. Beispiele seien das NASA-Programm AACES (Advanced Aircraft Concepts for Environmental Sustainability) oder das Projekt HyADES (Hydrogen Advanced Design Engine Study), an dem Pratt & Whitney Canada seit kurzem arbeitet.