Getriebefan-Probleme: MTU will nicht gegen Pratt klagen

Verunreinigtes Pulvermetall im Getriebefan
MTU will nicht gegen Pratt klagen

Zuletzt aktualisiert am 29.02.2024
MTU will nicht gegen Pratt klagen
Foto: Airbus

Rund eine Milliarde Euro kostet MTU Aero Engines das Getriebefan-Inspektionsprogramm, das im September 2023 durch verunreinigtes Pulvermetall in der Fertigung bei Pratt & Whitney ausgelöst wurde. 80 Prozent der Kosten sind für Airline-Kompensationen vorgesehen, der Rest für Ersatzteile, Logistik und die eigentlichen Shop-Visits, so der MTU-Finanzvorstand Peter Kameritsch bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das Jahr 2023.

"Die MTU ist Teil der Lösung und nicht des Problems", betont der MTU-Vorstandsvorsitzende Lars Wagner. Auch wenn Pratt & Whitney für das Problem verantwortlich ist und der MTU erstmals in der Unternehmensgeschichte einen Verlust beschert, sei eine Klage gegen den Partner nicht sinnvoll, so Wagner. Die vor rund 30 Jahren geschlossenen Verträge schlössen auch solche Fehlerfälle mit ein. Die MTU hält 18 Prozent Programmanteil am PW1100G-JM, der Getriebefan-Variante für den Airbus A320neo.

Lange Wing-to-Wing-Time

Die Scheiben der ersten und zweiten Stufe der Hochdruckturbine und die Blisks der siebten und achten Stufe des Hochdruckverdichters sind bis ins dritte Quartal des Jahres 2021 von Pratt & Whitney aus einem Pulvermetall hergestellt worden, das verunreinigt war. Dadurch kann es zu Rissen in den Bauteilen kommen. Bis Ende 2023 wurden noch Triebwerke mit diesen Teilen gebaut. Mehr als 3000 Getriebefans müssen bis 2026 deshalb ein Inspektionsprogramm durchlaufen. Dabei werden die betroffenen Scheiben und Blisks inspiziert und wieder eingebaut oder, wenn genügend Ersatzteile bereitstehen, durch Komponenten mit unlimitierter Lebensdauer ersetzt.

Immerhin konnte Pratt & Whitney den für das erste Quartal 2024 erwarteten Höhepunkt gleichzeitig gegroundeter Flugzeuge von 650 auf rund 350 herunterkorrigieren. Das liege daran, dass das Pairing, also die Neu-Kombination von funktionsfähigen Triebwerken, durch die Airlines deutlich besser funktioniere als erwartet, so Wagner. Auch die Durchlaufzeiten in den Werkstätten seien etwas besser als gedacht. Aber daran will der Münchner Triebwerkshersteller mit seiner MRO-Sparte (Maintenance, Repair, Overhaul; Wartung, Reparatur, Überholung) noch arbeiten und sie auf eine zweistellige Zahl herunterbringen. Getriebefans betreut die MTU an ihren Maintenance-Standorten Hannover, Zhuhai in China und bei EME Aero in der Nähe von Rzeszów in Polen. Die MTU hat nach eigenen Angaben bereits rund 50 Triebwerke wieder ausgeliefert, die das Inspektionsprogramm durchlaufen haben.

Die Zeit von der Abnahme des Triebwerks vom Flügel bis zur erneuten Montage am Flugzeug ("Wing to Wing") liegt nach Angaben von Pratt & Whitney bei 250 bis 300 Tagen. Ein Teil davon ist aber Wartezeit, bis in der Werkstatt Platz, Personal und Ersatzteile für die Arbeiten verfügbar sind.

Zu wenige Ersatzteile

Der Verlauf des Inspektionsprogramms sei sehr abhängig von der Verfügbarkeit der Teile, gab Wagner zu. "Die Teileverfügbarkeit ist im ersten Halbjahr anspruchsvoll", sagt er. Man erwarte eine Verbesserung der Situation in der zweiten Jahreshälfte.

Den Getriebefan hält Wagner aber trotz der Probleme für die Triebwerksarchitektur der Zukunft. "Ich bin super optimistisch. [Der Getriebefan] ist die Plattform für mindestens ein bis zwei weitere Generationen", sagt der MTU-Chef.