Aus der Luft sieht man bekanntlich besser: Dies machte sich im Jahr 1963 eine kleine Gruppe von Forschern des Ames Research Centers der NASA aus Moffet Field, Kalifornien, zunutze. Sie beobachteten und fotografierten eine totale Sonnenfinsternis von Bord einer Douglas DC-8 aus. Dabei griffen sie auf eine selbst entwickelte, Kreisel-stabilisierte Kamera zurück. Die Ergebnisse waren so gut, dass bald darauf die Idee entstand, ein eigenes Flugzeug als fliegendes Observatorium anzuschaffen. Damit ließen sich alle möglichen astronomischen Phänomene und andere Ereignisse kurzfristig und auf der ganzen Welt untersuchen. Die NASA-Führung genehmigte den Vorschlag, und schon bald stand eine vierstrahlige Convair CV-990 auf dem Hof.

Frisch lackiert präsentiert sich die CV-990 Galileo auf ihrer Heimatbasis in Moffett Field.
Kein Liniendienst
Der Airliner hatte seinen Jungfernflug am 24. Januar 1961 absolviert und sollte nach seiner Einsatzzeit als Testflugzeug ursprünglich an American Airlines gehen. Stattdessen kam die CV-990-30A-5 am 15. November 1964 mit der Registrierung N711NA zur NASA.

Spektakuläre Bilder lieferte das fliegende Observatorium bei den Sonnenfinsternissen der 60er Jahre.
Andenken an Astronom
Seine Feuertaufe erhielt das neue fliegende Labor im Mai 1965, als es mit 38 Wissenschaftlern und 13 durchzuführenden Experimenten in Richtung Südpazifik startete, um dort die totale Sonnenfinsternis zu dokumentieren. Am Ende der Mission tauften die Beteiligten das Flugzeug auf den Namen "Galileo". Der nächste Einsatz führte die Convair nach Hawaii, um dort den Komet Ikeya-Seki zu verfolgen.
Die N711NA diente aber auch zu Flugversuchen wie zur Erprobung von Auftriebshilfen im Jahr 1968. Hier koppelten die Ingenieure die Spoiler mit der Flugsteuerung, um bei Anflug und Landung ein besseres Ansprechverhalten zu erzeugen. Dieses Direct Lift Control (DLC) genannte System fand später bei der Lockheed L-1011 TriStar Anwendung.

Die Kabine der CV-990 bot viel Platz für wissenschaftliche Ausrüstung.
Steuerung für das Space Shuttle
Auch für das Space Shuttle kam die Convair zum Einsatz: Im Jahr 1972 fanden Testflüge mit einem digitalen Navigations- und Autopilot-Systems von Sperry statt, das den Landeanflug von Fluggeräten ohne eigenen Antrieb erleichtern sollte. Dabei stellten die Besatzungen in 40000 Fuß Höhe (12192 m) die Triebwerke in den Leerlauf und führten mit einer Mindestgeschwindigkeit von 200 Knoten (370 km/h) verschiedene Anflüge durch. Die Tests sollten jedoch von einer Katastrophe unterbrochen werden.
Tödlicher Fehler
Am 12. April 1973 erprobte die Convair eine Beobachtungsausrüstung über der Bucht von Monterrey. Während dessen führte eine Lockheed P-3C Orion der US Navy auf dem Moffet Field Übungsanflüge auf die Startbahn 32L durch. Um 14.46 Uhr kehrte die NASA-Maschine zurück, und der Pilot fragte bei der Flugsicherung einen direkten Anflug an. Er bekam daraufhin die Genehmigung zum Anflug auf die Piste 32R. Zwei Minuten später meldete der Pilot der Orion, dass er sich mit ausgefahrenem Fahrwerk im Queranflug befindet – wie gehabt auf der 32L. Eine Minute später gab der Flugloste der Convair die Freigabe zur Landung auf Runway 32L.
Keine Chance
Die NASA-Crew hinterfragte den Startbahnwechsel nicht und sank weiter, während sich unter ihr der Seeaufklärer weiter näherte. Trotz der konvergierenden Flugbahnen konnten sich die Flugzeugführer der beiden Maschinen nicht sehen. Die CV-990 berührte mit ihrem Bugfahrwerk das Heck der P-3. Beide Flugzeuge gerieten außer Kontrolle und stürzten rund 800 Meter vor der Landebahn auf einen Golfplatz. Alle elf Insassen der Convair kamen ums Leben, von der sechsköpfigen Crew der Orion überlebte nur ein Mitglied mit schwersten Verletzungen.

Als Ersatz für die erste Galileo kaufte die NASA eine weitere CV-990.
Nachfolger aus Indonesien
Damit stand die NASA wieder ohne fliegendes Labor da. Aber die Lücke sollte nicht lange währen: am 4. September 1975 bekam das Ames-Zentrum eine weitere Convair. Ursprünglich hatte Garuda Indonesia die CV-990-30A-8 am 3. September 1963 übernommen und dann knapp zehn Jahre geflogen. Bei der NASA erhielt sie die Kennung N712NA und passenderweise den Namen "Galileo II". Sie führte die Landeversuche für den Raumtransporter erfolgreich fort und testete später ein System für effizientere Anflüge von Airlinern. Der verdiente Platz in einem Museum blieb dem Klassiker allerdings verwehrt.
Reifenplatzer mit Folgen
Am 17. Juli 1985 sollte "NASA 712" auf der March Air Force Base in Kalifornien zur Beobachtung eines Kometenschweifs starten. Bei einer Geschwindigkeit von rund 140 Knoten (260 km/h) platzen gleichzeitig zwei Reifen des rechten Hautfahrwerks. Daraufhin brach der Pilot den Start ab und setzte die Schubumkehr ein. Glücklicherweise war die Startbahn des Fliegerhorstes – auf der auch die Boeing B-52 stationiert war – mit vier Kilometern lang genug, um die Maschine sicher zum Stehen zu bringen. Der Flugzeugführer wollte gerade nach rechts auf einen Taxiway abbiegen, als die Techniker aus der Kabine "Feuer" riefen.

Nach einem Startabbruch ging die zweite Galileo-Convair in Flammen auf.
Nur noch raus!
Die Funksprüche des Towers konnte man im Cockpit nicht hören, da die Funkgeräte schon auf der Frequenz der Abflug-Kontrolle des benachbarten Ontario eingestellt waren. Der Pilot stellte trotzdem sofort die Triebwerke ab, löste seine Gurte und schaute aus dem rechten Seitenfenster. Der Anblick war nicht erfreulich: im Bereich des rechten Fahrwerks loderte ein Feuer, und aus dem Flügel sprudelte Treibstoff. Sofort gab er den Evakuierungsbefehl, und tatsächlich konnten alle 19 Insassen das Flugzeug über die linken Notrutschen sicher verlassen. Galileo II brannte anschließend völlig aus. Ein Trümmerstück hatte den rechten Treibstofftank in Höhe des Hauptfahrwerks durchschlagen und für das Austreten des Kerosins gesorgt.
Damit endete die NASA-Karriere der zweiten CV-990 ebenfalls in einer Katastrophe. Aber es gab noch eine dritte Convair, die sogar bis heute überlebt hat. Aber das ist eine andere Geschichte…