Die ersten Internetquellen überschlagen sich bereits: "China liefert erste J-10C an Ägypten", titeln die einschlägigen Websites. Manches Portal mutmaßt gar, die Ägypter hätten ihre ersten Jets bereits erhalten. Dafür allerdings gibt es bis dato keinen auch nur einigermaßen wasserdichten Hinweis. Dass Ägypten tatsächlich schon J-10C besitzt oder kürzlich überreicht bekam, ist äußerst unwahrscheinlich.
Mehr oder minder offiziell scheint es dagegen, dass die Regierung in Kairo den Fighter aus China fest bestellt hat. Entsprechende Berichte gab es erstmals im Herbst des vergangenen Jahres am Rande der Egypt Airshow in El Alamein, bei der China mit starker Präsenz glänzte. Damals hieß es, Ägypten und China hätten möglicherweise bereits am 19. August 2024 einen entsprechenden Vertrag geschlossen. Offiziell noch immer unbestätigt, kursieren inzwischen realistisch klingende Rahmendaten, die angeblich auf ein Interview mit Ägyptens Verteidigungsminister Abdel-Madschid Sakr zurückgehen sollen. Demnach hat Ägypten in China für 48 Exemplare der Exportversion J-10CE unterschrieben, angeblich mit Lieferstart 2026. Der Vertragswert soll bei etwa vier Milliarden US-Dollar liegen.
Langstreckenraketen für Ägypten?
Ein zentraler Aspekt im vertraglich vereinbarten Lieferumfang eines Kampfjetmusters ist in der Regel die Bewaffnung. Das wird bei dem Kaufvertrag zwischen China und Ägypten – vorausgesetzt, er existiert tatsächlich – ebenso sein. Vor allem aus diesem Grund beobachtet man in Ägyptens Nachbarland Israel die Annäherung zwischen Kairo und Peking mit Sorge und Argwohn. Denn vermutlich wird China zur Chengdu J-10CE auch eine Variante der radargelenkten Langstrecken-Luft-Luft-Rakete PL-15 mitliefern, die zum Standardarsenal der J-10C gehört. Die für Chinas Streitkräfte gedachte Basisversion mit bis zu 300 Kilometern Reichweite dürfte es zwar kaum werden. Doch auch die abgespeckte Exportvariante PL-15E, die rund 150 Kilometer weit fliegen kann, wäre für Ägypten ein deutlicher Fähigkeitsaufwuchs – was in Israel wiederum die Alarmglocken schrillen lässt.
Dort sieht man gar die "Vorherrschaft in Luftkonflikten" gefährdet, auf die sich Israel in der spannungsgeladenen Nahostregion dank überlegener Waffentechnik aus den USA stets habe verlassen können. Das israelische Portal Nziv schreibt, selbst die Exportversion der PL-15 sei der von Israels Luftwaffe genutzten AIM-120 AMRAAM reichweitentechnisch überlegen und stelle deshalb eine ernstzunehmende Bedrohung dar. "Würde Ägypten diese Kampfflugzeuge in seine Luftwaffe integrieren, könnte dies das Kräfteverhältnis im östlichen Mittelmeer und im Nahen Osten verändern, insbesondere in Szenarien, in denen es um Streitigkeiten bezüglich der Luftüberlegenheit geht", ordnet Nziv die im Raum stehende Beschaffung der J-10C durch Ägypten abschließend ein.
Israels Vorherrschaft
Befürchtungen dieser Art hatte Israel bei zurückliegenden Rüstungsdeals anderer Nationen mit Ägypten ebenfalls artikuliert. Unter anderem deswegen weigerte sich seinerzeit etwa Frankreich, zu den von Ägypten bestellten Dassault Rafale auch Meteor-Lenkwaffen mitzuverkaufen. Als einer der weltweit größten Nutzer der Lockheed Martin F-16 erhielt Ägypten aus den USA aus demselben Grund auch nie AMRAAM-Raketen für seine US-Jets, um die regionale Überlegenheit Israels gegenüber seinen Nachbarn nicht zu tangieren. Mutmaßlich aus dieser Motivation speiste sich überdies der Druck Washingtons auf Ägypten, als Kairo russische Suchoi Su-35SE orderte – die Bestellung aber schließlich wieder annullierte.
Die Spannungen zwischen Ägypten und Israel haben in jüngerer Vergangenheit wieder zugenommen. Hauptgrund dafür ist Israels Krieg im Gazastreifen, der auch alte Feindseligkeiten zwischen den rivalisierenden Nachbarn hochkochen ließ. Erst vor Kurzem tönte der ägyptische Parlamentsabgeordnete Mostafa Bakry, im Falle eines neuen Krieges zwischen seinem Land und Israel, werde die ägyptische Armee binnen eines Tages in Tel Aviv einmarschieren. Bakry reagierte damit auf Planspiele in israelischen Medien, die einen bewaffneten Konflikt mit Ägypten thematisierten.

Die Chengdu J-10C ist die neueste Version des chinesischen F-16-Gegenstücks, mit neuem AESA-Radar und erweitertem Waffenarsenal. Hier ein Exemplar im Static Display der Airshow China 2024 in Zhuhai.
Deal mit Gesprächsbedarf
China indes dürften Israels Befindlichkeiten in Rüstungsfragen wohl eher wenig interessieren. Zwar könnten die USA auf Geheiß Israels abermals diplomatischen Druck auf Kairo ausüben und so den J-10C-Deal torpedieren. Ob Ägypten dann abermals klein beigeben würde, wie seinerzeit bei der Su-35, oder als Reaktion erst recht den Schulterschluss mit Peking suchen würde, steht aber in den Sternen. In jedem Fall wird Tel Aviv weiter mit Argusaugen darauf schauen, ob Ägypten wirklich J-10CE und die zugehörigen PL-15-Lenkwaffen erhält – und gegebenenfalls intervenieren. Nziv prophezeit, "das Abkommen dürfte diplomatische Gespräche zwischen Ägypten, China, Israel und den westlichen Mächten über eine Veränderung des militärischen Kräftegleichgewichts in der Region auslösen."