Noch ist sie ganz nackt und unbefleckt. Nur die aufgesprühte Seriennummer 5930 und eine auf dem Dach gehisste Deutschlandflagge verraten die frisch gebaute Hercules als das was sie ist: die erste ihrer Art, die ihren Dienst bei der deutschen Luftwaffe antreten wird. Seit Mai befand sich das Premierenexemplar in der Endmontage, nun trat es zum ersten Mal ans Tageslicht. Als nächstes erhält MSN 5930 im Paintshop ihr Farbkleid, bevor sie sich schließlich zum ersten Mal in die Luft erheben wird. Im Februar 2022 wird dann die Ankunft auf dem Stützpunkt Évreux in der Normandie erwartet. Dort soll sie die deutsch-franzöische Transportstaffel ergänzen, zusammen mit fünf weiteren für Deutschland bestimmten C-130J.

Binationaler Einsatz
Den Kauf der sechs Hercules sah die Luftwaffe vor Jahren als notwendig an, weil nach der Ende 2021 anstehenden Ausmusterung der Transall nicht alle Transportaufgaben vom deutlich größeren Airbus A400M übernommen werden können. Vor allem für taktische Transportaufgaben und Kriseneinsätze von kuzen Pisten lässt sich die A400M nur bedingt heranziehen. Drei der bestellten Hercules wird Lockheed Martin zudem in der Tankerversion KC-130J an Deutschland liefern. Zusammen mit ihren drei Schwestern und vier bereits ausgelieferten C-130J der Armée de l'Air bilden sie in Évreux Europas ersten binationalen Hercules-Verband. Auch zwei der französischen Maschinen sind Tanker.

Jungbrunnen und Abstellgleis
Als Ironie der Geschichte mag es manchem Beobachter erscheinen, dass die C-130 bei den Luftstreitkräften Deutschlands und Frankreichs die Transall ablöst, obwohl diese deutliche jünger ist als der Grundentwurf der Hercules. Letztere absolvierte ihren Erstflug bereits im August 1954, die Transall C-160 folgte erst achteinhalb Jahre später, am 25. Februar 1963. Schon damals stand die Hercules bei der Luftwaffe mit der Transall im Wettbewerb um die Nachfolge der Noratlas – und zog den Kürzeren. Während der US-Transporter in den folgenden Jahrzehnten jedoch mannigfach weiterentwickelt wurde und sich mit dem Ursprungsprodukt in der heutigen Version C-130J eigentlich nur noch das Design teilt, ließ man die Transall auf deutscher wie französischer Seite in Würde altern. Mit verbesserten Triebwerken und FADEC, Sechsblattpropellern, Glascockpit und zeitgemäßer Avionik treten die C-130J aus Marietta nun ihr Erbe an.