Der Stolz der türkischen Rüstungsindustrie ist 22 Meter lang, besitzt 14 Meter Spannweite und hört auf den Namen "Kaan". Auf Deutsch übersetzt bedeutet Kaan so viel wie "Herrscher, Befehlshaber, Kaiser". Das unterstreicht den Anspruch, den die Türkei mit ihrem ersten komplett im Inland entwickelten Kampfjet verfolgt. Nach dem folgenschweren Rauswurf aus dem F-35-Programm durch die USA im Jahr 2019 gehen die Türken demonstrativ ihren eigenen Weg – und treiben die Entwicklung ihres "Nationalen Kampfflugzeugs" (Milli Muharip Uçak, MMU) umso vehementer voran. Diese Entwicklung soll noch vor Jahresfrist in den Erstflug münden. TAI-Chef Temel Kotil nannte Ende Juli offiziell den 27. Dezember als Termin. Sein Roll-out feierte der Jet, im Beisein von Staatspräsident Erdoğan, bereits am 1. Mai vor den Toren der Hauptstadt Ankara.

Aserbaidschan ist dabei
Während die mit dem Projekt betrauten Ingenieure und Techniker fieberhaft auf den großen Tag zum Jahresende hinarbeiten, streckt die Türkei auf politisch-wirtschaftlicher Ebene ihre Fühler nach befreundeten Ländern aus, um sie als Projektpartner zu gewinnen – und somit aus dem "Nationalen Kampfflugzeug" ein "Internationales Kampfflugzeug" für die islamische Welt zu machen. Einen finanzstarken Verbündeten hat die Türkei bei ihrer Suche schon gewonnen: Im Rahmen der Istanbuler Rüstungsmesse IDEF unterzeichneten Regierungsvertreter aus Aserbaidschan am 28. Juli eine Vereinbarung für "gemeinsame Anstrengungen", mit denen man sich dem türkischen Kampfjet widmen möchte. Dabei geht es in einem ersten Schritt darum, auszuloten, mit welchen Fähigkeiten Aserbaidschan den Türken bei Kaan überhaupt weiterhelfen kann. Letztendlich dürften es vor allem die finanziellen Mittel aus Baku sein, die Ankara im Auge hat – ist es doch ein offenes Geheimnis, dass die Entwicklungskosten für Kaan deutlich höher ausfallen als ursprünglich beziffert. Doch auch Arbeitskräfte möchte Aserbaidschan bereitstellen: 200 aserbaidschanische Mitarbeiter sollen künftig in der Türkei das Programm unterstützen, gleichzeitig winken Zulieferaufträge für aserbaidschanische Industriebetriebe.
Steigt auch Pakistan ein?
Die Türkei und Aserbaidschan pflegen schon seit Jahren eine enge Partnerschaft bei Rüstungsthemen. So modernisiert TAI gegenwärtig die aserbaidschanischen Suchoi Su-25 und rüstet sie außerdem mit verbesserten Waffen aus. Auch mit Pakistan arbeitet die Türkei militärisch eng zusammen. Zwar ist Pakistan in Rüstungsfragen wiederum stark mit China verbandelt, doch in der Tat scheint der Erzrivale Indiens die nächste Nation zu werden, die sich für das türkische Stealth-Projekt als Partner begeistern lässt. "Noch in diesem Monat" würden türkische Regierungsvertreter mit ihren Amtskollegen aus Islamabad "darüber diskutieren, Pakistan offiziell in unser nationales Kampfflugzeugprogramm Kaan aufzunehmen", erklärte der stellvertretende türkische Verteidigungsminister Celal Sami Tüfekçi vergangenen Mittwoch während eines Besuches in Pakistan. Bereits jetzt seien "pakistanische Beamte und Ingenieure" an der Entwicklungsarbeit beteiligt.

Attraktive Partnerschaft
Pakistan stieß vor Jahren selbst die Entwicklung eines einheimischen Kampfjets der fünften Generation an – doch das als "Project Azm" bekannte Unterfangen kam nie recht vom Fleck. Ein Einstieg in das bereits weit fortgeschrittene Kaan-Programm der Türken wäre für die Pakistanis daher durchaus attraktiv. Aus türkischer Sicht könnte Pakistan mit seiner etablierten Luftfahrtindustrie, die Erfahrung im Bau von Kampfflugzeugen mitbringt, dem ehrgeizigen Kaan-Projekt spürbar Rückenwind verleihen.

Störenfried USA
Voraussetzung wäre aber vermutlich, dass Kaan mittelfristig ohne Bauteile, insbesondere ohne Triebwerke, aus den USA auskommt – hätte andernfalls doch Washington die Möglichkeit, sich einer späteren Beschaffung des Jets durch Pakistan in den Weg zu stellen. In dieser Hinsicht haben die USA bereits einen Präzedenzfall geschaffen: sie blockierten den Verkauf türkischer T129 Atak-Kampfhubschrauber an Pakistan wegen der in diesen Helikoptern verbauten T800-Triebwerke des Joint-Ventures LHTEC. Pakistan hat Berichte, wonach der Deal komplett storniert wurde, zwar stets dementiert – aber einen Durchbruch diesbezüglich gab es wohl auch noch nicht. Immerhin plant TAI, seinem Kampfjet irgendwann neue, maßgeschneiderte Triebwerke aus einheimischer Produktion zu verpassen, die das vorerst verwendete F110-GE-129 von General Electric ersetzen sollen. Hierzu laufen bereits Gespräche mit Rolls-Royce und Iwtschenko-Progress aus der Ukraine.