100 B-21 Raider sollen in den kommenden Jahren ihren Weg zur Strategischen Bomberflotte der USA finden. Das zumindest ist der Wert, über den in Politik, Industrie und Militär offiziell Konsens herrscht. Doch immer wieder rücken auch Positionen ins Licht, deren Ansicht nach 100 neue Stealth-Bomber nicht genügen werden. Der Oberbefehlshaber der US Air Force, General David W. Allvin, erteilte derartigen Plänen zwar im April eine vorsichtige Absage, weil er bereits einen Raider-Nachfolger im Blick habe. Ganz vom Tisch war und ist eine Aufstockung der B-21-Flotte aber nicht.
Quo vadis NGAD?
Ausgerechnet ein Sparprogramm für die mächtigste Luftmacht der Welt facht die Debatte über zusätzliche Exemplare des superteuren Superbombers jetzt wieder neu an. Konkret geht es um die Frage, welchen Platz das geplante NGAD-Programm in den Zukunftsplänen der US-Luftwaffe einnimmt. Das Kürzel steht für "Next Generation Air Dominance" und bezeichnet das Konzept für einen neuen Fighter der sechsten Generation, der die globale Luftüberlegenheit der USA für die kommenden Jahrzehnte sicherstellen soll. Allerdings steht die Finanzierung des Programms seit geraumer Zeit auf der Kippe. Derzeit läuft eine Neubewertung des Konzepts – mit unbekanntem Ausgang.

Die B-21 Raider von Northrop Grumman gilt als erstes Kampfflugzeug der sechsten Generation. Derzeit steckt sie in der Flugerprobung.
Bomber für Luft-Luft-Aufgaben
Genau hier kommt möglicherweise die B-21 Raider ins Spiel. Die ist zwar auch alles andere als ein Schnäppchen, könnte zusätzlich zu ihrer Rolle als nuklearer Langstreckenbomber aber auch Aufgaben übernehmen, die bislang dem NGAD-Programm zugeschrieben werden. "Ich denke, das ist genau das, was die Air Force im Auge hat", kommentierte Kathy Warden, Geschäftsführerin von Northrop Grumman, jüngst anlässlich der Vorstellung der Quartalszahlen des Konzerns. Derzeit erfolge eine Überprüfung der Struktur der Streitkräfte, "und der Minister hat offen über die unterschiedlichen Optionen gesprochen, die sie zur Vergrößerung ihrer Streitkräfte haben, speziell auch über NGAD", so Warden. "Und wir wissen, dass auch die B-21 im Rennen ist."

Künftig könnte die B-21 auch für Luftüberlegenheitsaufgaben herangezogen werden - etwa als Kommandozentrale für Kampfdrohnen.
"Dieses Flugzeug kann alles"
Ob das konkret bedeutet, dass der Bomber B-21 durch entsprechende Bewaffnung mit Langstrecken-Luft-Luft-Raketen, durch Vernetzung mit Kampfdrohnen oder sogar als Startplattform für selbige auch für Luftüberlegenheitsaufgaben "zweckentfremdet" werden könnte, ist unklar. Allerdings sind derlei Ansätze tatsächlich nicht neu, sondern werden seit Jahren mehr oder weniger öffentlich diskutiert. Sogar der amtierende US-Verteidigungsminister Lloyd Ausin pries die B-21 bei ihrer offiziellen Vorstellung im Frühjahr 2023 als "multifunktional." Die Raider "kann alles von der Informationsbeschaffung bis zur Gefechtsführung", so Austin damals. "Dieser Bomber wird in der Lage sein, unser Land mit neuen Waffen zu verteidigen, die noch gar nicht erfunden sind."
Entwicklung läuft planmäßig
Bei Northrop Grumman konzentriert man sich, ungeachtet aller Diskussionen, vorerst weiter auf die plangemäße Entwicklung des B-21-Programms – verbunden mit der Erwartung, in den kommenden Jahren 100 Raider-Exemplare zu bauen. "Es wäre verfrüht, wenn ich sagen würde, wo die Überprüfung der Streitkräftestruktur enden wird", kommentierte Firmenchefin Warden die möglichen Pläne der US-Luftwaffe und fügte hinzu. "Ich denke, in den kommenden Monaten werden wir von der Air Force bessere Hinweise bekommen, wie sie langfristig über die Anzahl der B-21-Bomber denkt." Bei Bedarf sei man jedenfalls bereit, die Raider-Produktion entsprechend zu erhöhen.