Eine letzte lange Runde dürfen sie noch bleiben: Vor knapp einem Jahr, im April 2022, begann man bei Boeing mit dem "Final Lifetime Extension Programme" für die 14 Boeing E-3A Sentry, die bei der NATO seit 1982 als Frühwarnflugzeuge im Einsatz stehen. Diese letzte Maßnahme zur Verlängerung der Lebensdauer soll die alternden AWACS-Jets, die tief im deutschen Westen, auf dem Stützpunkt Geilenkirchen zu Hause sind, dazu befähigen, sich bis 2035 in der Luft zu halten. Rund eine Milliarde US-Dollar lässt sich die NATO das Unterfangen kosten. Voraussichtlich 2027 soll es für alle 14 Maschinen abgeschlossen sein.

Boeing gegen Saab (und Bombardier)
Mit der finalen Modernisierung scheint der Spielraum, die E-3A auf der Höhe der Zeit zu halten, allerdings ausgeschöpft. Immerhin fußen die AWACS-Maschinen auf der Großmutter aller Boeing-Jetliner: der 707. Damit der Übergang auf ein Nachfolgemuster in gut einem Jahrzehnt möglichst reibungslos klappt, hat die NATO im Rahmen des Projekts "Alliance Future Surveillance and Control" (AFSC) vor Kurzem offiziell mit der Regelung der Erbfolge begonnen.
In einem ersten Schritt richtete sich das Bündnis mit einer Informationsanfrage an in Betracht kommende Flugzeughersteller. Antworten trudelten daraufhin von Boeing sowie von Saab aus Schweden ein. Die Schweden gehen mit dem GlobalEye ins Rennen – einer Kombination aus dem Langstrecken-Buisnessjet Global 6000 des kanadischen Herstellers Bombardier und dem selbst entwickelten Erieye-Radarsystem. Boeing dagegen bringt sich mit der 737 AEW&C in Stellung, die wiederum auf dem Airliner 737-700ER aufbaut. Die 737 AEW&C (Airborne Early Warning & Control) fliegt bereits seit 2004 und nahm im November 2022 beim Erstkunden Australien ihren Dienst auf. Inzwischen steht der Zweistrahler auch in der Türkei und Südkorea im Einsatz. Die britische Royal Air Force hat den Boeing-Jet ebenfalls als Nachfolger für ihre E-3D auserkoren und erwartet das erste von fünf Exemplaren demnächst auf dem schottischen Stützpunkt Lossiemouth.

Der Favorit
Briten und Australier nennen das Flugzeug E-7 "Wedgetail", benannt nach dem australischen Keilschwanzadler. In der Türkei firmiert es als E-7T Barış Kartalı (auf Deutsch: Friedensadler). Markantestes Merkmal ist das längliche, starr auf dem Rumpfrücken montierte MESA-Radar (Multi-role Electronically Scanned Array), das von Northrop Grumman stammt und eigens für das 737-Derivat entwickelt wurde. Die gesamte Struktur wiegt fast drei Tonnen und ist 10,7 Meter lang. Dank elektronischer Strahlschwenkung ermöglicht das Radar eine 360-Grad-Rundumsicht auf das Geschehen zu Wasser wie in der Luft. Die aktive Reichweite bei der Verfolgung von Luft- und Seezielen beträgt bis zu 370 Kilometer. Die integrierte Freund-Feind-Erkennung arbeitet in einem Umkreis von maximal 560 Kilometern.
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Saab gibt sich "zuversichtlich"
Boeing bezeichnet die 737 AEW&C als kampferprobtes Waffensystem, das sich im Einsatz bereits ausgiebig bewährt habe. Da im vergangenen Jahr auch die US Air Force entschieden hat, einen Teil ihrer hauseigenen Sentry-Flotte durch den moderneren Zweistrahler zu ersetzen, läge ein Einsatz bei der NATO eigentlich nahe. Trotzdem sieht auch Saab seine Chancen, mit dem GlobalEye die E-3A zu beerben. "Unsere Lösungen, einschließlich GlobalEye, wurden von Anfang an so entwickelt, dass sie den Anforderungen der NATO entsprechen", unterstrich Carl-Johan Bergholm, Leiter des Geschäftsbereichs Surveillance bei Saab. "Ich bin zuversichtlich, dass wir mit wichtigen Fähigkeiten dazu beitragen können, die NATO zu stärken (...)."

Bizjet mit Huckepack-Radar
Saab rüstet die von Bombardier bereitgestellten Global-Geschäftsreisejets am Standort Linköping mit dem Erieye-ER-Radar und allen weiteren nötigen Systemen aus. Auch Erieye nutzt elektronische Strahlschwenkung und ist laut Saab in der Lage, gleichzeitig Luft-, Land- und Seeziele zu überwachen. Dabei soll es laut Hersteller eine instrumentierte Reichweite von "weit über" 550 Kilometern besitzen und auch kleinere Ziele wie Drohnen oder auf dem Wasser fahrende Jetskis aufspüren. Die Global 6000/6500 als Basis sei für AEW&C-Missionen überdies perfekt geeignet, weil sie einerseits von Haus aus bis zu elf Stunden Flugdauer biete, auch von kleinen Airports aus operieren könne und zudem mit modernster Avionik aufwarte.
Im Einsatz steht GlobalEye bislang "nur" in den Vereinigten Arabischen Emiraten, die 2020 das erste von fünf bestellten Exemplaren in Empfang nahmen. Außerdem wird Schweden ab 2027 seine Saab 340-Frühwarnflugzeuge durch das Gemeinschaftsprodukt von Bombardier und Saab ersetzen. Die schwedische Luftwaffe steht mit zwei GlobalEye im Orderbuch und hält Optionen auf zwei weitere Maschinen.