Die AW249 "Phoenix" ist keine Weiterentwicklung der Agusta A129 Mangusta, sondern eine grundlegend neue, deutlich größere Konstruktion, die auf die aktuellen und zukünftigen operativen Anforderungen abgestimmt ist. Seit Januar 2017 arbeiten die italienische Industrie, das Esercito Italiano und die Abteilung 6 der Beschaffungsbehörde DAAA (Direzione Armamenti Aeronautici e per l‘Aeronavigabilità) bei der Konzeption und Entwicklung des NEES (Nuovo Elicottero da Esplorazione e Scorta = neuer Hubschrauber für Aufklärungs- und Begleitschutz) eng zusammen.

Die Auslegung der Fenice entspricht dem Standard. Sie ist aber deutlich größer als die AW149.
Flexiblere Software
Es geht laut Leonardo um ein Produkt, das über einen langen Zeitraum, beginnend mit den Szenarien ab 2030 und darüber hinaus, auf der Höhe der Zeit sein muss. "Da wir sehr wohl wissen, wie sich Szenarien ändern können, wurde die AW249 mit einer offenen Architektur konzipiert, die es erlaubt, problemlos Änderungen an ihrer Hard- und Software vorzunehmen. Bereits jetzt ist die Avionik so konzipiert, dass sie ein enormes Wachstumspotenzial bietet", so Luca Colombo, Marketingchef von Leonardo. Eine grundlegende Aufgabe war die Gestaltung der Mensch-Maschine-Schnitt- stelle (HMI), für die von Beginn an ein hölzernes Engineering Mock-up (Maßstab 1:1) und dann ein Simulatore di Missione (MTS – Missionssimulator) ver- wendet wurde, der über ein System verfügt, das die Arbeitsbelastung der Hubschrauberbesatzung überwacht. Im Dezember 2020 wurde der Vertrag Nr. 957 unterzeichnet, der den Bau der Prototypen genehmigte, und im März 2021 begann die Fertigung des ersten Hubschraubers. Im Januar 2022 wurde das Schlüsselsystem Osservazione e Puntamento (OTS – Beobachtung und Zielerfassung) ausgewählt. Erstflug der AW249 war schließlich am 12. August 2022, und zwar mit dem Vorserienexemplar AC.3 (CSX.82069). Der Prototyp AC.1 folgte dann am 19. März 2023. Im dritten Quartal 2024 sollen dann AC.2 und AC.4 an der Reihe sein. Abgesehen vom AC.1, der für künftige Entwicklungsarbeiten und als Musterdemonstrator beim Hersteller verbleibt, werden die anderen drei Exemplare sukzessive auf Serienstandard gebracht und, zusammen mit voraussichtlich 45 Hubschraubern, an das Esercito ausgeliefert.

Insgesamt werden bei Leonardo für die Flugerprobung vier Prototypen gebaut, zwei sind schon im Test.
Größer als die AW149
Die allgemeine Auslegung der Maschine entspricht der aller modernen Kampfhubschrauber: eine Zweimann-Besatzung, die in der Höhe gestaffelt auf Tandemsitzen untergebracht ist, Sensoren und MG in der Nase, Hilfsflügel an den Seiten des Rumpfes, hoch angeordnete, nebeneinander montierte Triebwerke, die sich in der Nähe der Hauptrotoren befinden, und ein langer Heckausleger, der den vierblättrigen Heckrotor trägt. Die AW249 ist deutlich größer als die AW149. Sie hat eine Startmasse von 8300 kg und kann fast die doppelte Waffenzuladung tragen. Dies ist zum Teil den neuen General Electric CT7-8E6-Turbinen zu verdanken, die jeweils 1900 kW leisten. Dieses Triebwerk wird bei Avio Aero im Werk Brindisi montiert. Die Reichweite der AW249 hat sich im Vergleich zur Mangusta fast verdoppelt, und die Höchstgeschwindigkeit der Fenice wird bei 309 km/h liegen. Dank ihres enormen Leistungsüberschusses verfügt die AW249 über eine ausgezeichnete Steigrate von 716 Metern pro Minute und eine beeindruckende Agilität.
Eigens entwickelte Avionik
Der wirkliche Generationsunterschied liegt allerdings bei der vollständig von Leonardo entwickelten und hergestellten Avionik. Der Besatzung stehen zwei sehr ähnliche Cockpits zur Verfügung, die von einem 20Zoll (50,8 cm) Large Area Display (LAD) mit Touchscreen-Technologie dominiert werden. Es zeigt dem Piloten nur die Informationen an, die er in den verschiedenen Phasen des Einsatzes jeweils benötigt. Jedes Cockpit verfügt über zwei EDCU-Bedienfelder (Enhanced Display Control Unit). Bei normaler Arbeitsaufteilung sitzt der Pilot im hinteren und der Richtschütze im vorderen Cockpit. Das Herzstück des Systems ist das Battlefield Management System (BMS), das nicht nur in der Lage ist, eine riesige Menge an Daten zu verwalten und zu verarbeiten, sondern auch der Besatzung eine klar verständliche und übersichtliche Darstellung des Gefechtsfeldes über das LAD und das Integrated Helmet Display System (IHDS) zu vermitteln. Der Helm ist ein Schlüsselelement, da er, wie bei der F-35, ein wichtiges, in die Avionik integriertes System darstellt.

In der Nase ist neben den Sensoren wie üblich auch eine bewegliche Kanone eingebaut.
Klare Sicht trotz schlechter Sicht
Auch der "Low Light Level TV"-Sensor trägt zum Situationsbewusstsein der Besatzung bei. In der Praxis kann die Besatzung je nach Situation entscheiden, ob sie die SWIR- oder LWIR-Bilder (Short/Long Wave Infra-Red) aus dem Pilot Night Vision System (PNVS) oder das LLLTV auf dem Helm nutzen möchte. Somit hat sie auch bei schlechter Sicht, bei "Brown outs" (Sand, Rauch) und "White outs"(Schnee) klare Sicht. Dank der Verschmelzung der Bilder mit den von den verschiedenen Bordsystemen erfassten Daten ist das System in der Lage, ein erweitertes virtuelles 3-D-Bild des Geländes zu erstellen. Dies ist wichtig, da die AW249 für Flüge in sehr geringer Höhe und mit hoher Geschwindigkeit konzipiert wurde. Das OTS (Observation and Targeting System) ist völlig neu. Es handelt sich um einen Turm auf der Nase des Hubschraubers, in dem die Systeme TV, IR, Laser-Entfernungsmesser und Laser-Zielsystem untergebracht sind. Leonardo hat noch nicht bekannt gegeben, welches Unternehmen das System herstellen wird, obwohl es im Jahr 2022, nach einer eingehenden Erprobung aller vier konkurrierenden Systeme in Salto di Quirra (Sardinien) ausgewählt wurde. Am Bug befindet sich außerdem ein zweites elektrooptisches System mit zwei IR-Sensoren, das in verschiedenen Frequenzbändern (SWIR und LWIR) arbeitet und hauptsächlich für die Navigation verwendet werden kann. Darüber hinaus gibt es ein LiDAR-System (Light Detection And Ranging) und ein Mikrowellenradar zur Erkennung von Geländeprofil und Hindernissen.
Selbstverteidigungssystem und Bewaffnung
Der Fenice verfügt über ein komplettes Selbstverteidigungssystem, bestehend aus einem digitalen Radarwarnempfänger (RWR), einem Raketen- und Laserwarnsystem (M/LWS) und einem System für direkte Infrarot-Gegenmaßnahmen (DIRCM), Abschussvorrichtungen für Chaff und Flare sowie einem Hostile Fire Indicator (HFI). Er kann gegen CBRN-Stoffe (chemische, biologische, radiologische und nukleare Stoffe) geschützt werden und bietet ballistischen Schutz sowie eine Verringerung seiner Signatur. Dies wird mit einigen Merkmalen seiner Form und seiner Lackierung erreicht, so Leonardo. Die Bewaffnung des Hubschraubers besteht aus der dreiläufigen 20-mm-Kanone TM-197B, die sich in der Mangusta hervorragend bewährt hat und die eine effektive Reichweite von rund 2000 Metern bietet. Als Lenkwaffe dient die Spike in der Ausführung Long Range 2 (radargesteuert über Datenverbindung mit einer Reichweite von 8 km) oder Extended Range 2 (radargesteuert über eine Zweiwege-Datenverbindung mit einer Reichweite von 16 km). Bei den Raketen handelt es sich um das 70-mm-Modell Hydra, das ebenfalls lasergesteuert ist und eine Reichweite von 7 bis 8 km hat. Für die Zukunft ist die Integration einer semi-aktiven, lasergelenkten Luft-Boden-Lenkwaffe und einer Luft-Luft-Lenkwaffe geplant. Die beiden Flügel sind mit je sechs Aufhängungen ausgestattet.

Die AW249 fliegt schon seit 2022, doch die Vorstellung erfolgte erst auf der Eurosatory im Juni 2024.
Umfangreiche Flugtests
Inzwischen wurden von Oktober 2023 bis Februar 2024 die ersten Schießversuche durchgeführt. 2026 werden drei weitere Kampagnen folgen. AC.1 ist mit der Erweiterung des Flugbereichs befasst, während AC.2 für die Entwicklung der Missionsavionik und des Autopiloten eingesetzt wird; AC.4 schließlich ist für die Erprobung der Navigationsavionik vorgesehen. Im August 2023 wurden in Palma del Rio, in der Nähe von Córdoba in Spanien, Tests durchgeführt, bei denen der Flugbetrieb bei Temperaturen von bis zu 47 Grad Celsius erprobt wurde, ohne dass es zu Problemen kam. Für die Zukunft sind wichtige Entwicklungen geplant, welche die Fähigkeit zur Steuerung anderer Plattformen betreffen – das sogenannte Manned Unmanned Teaming (MUM-T). Die Entwicklungen im Bereich der künstlichen Intelligenz werden für die Verwaltung der Selbstverteidigungs- und taktischen Navigationssuiten, aber auch für die Logistik verfolgt. Als potenzielle Entwicklung wird eine Anti-Drohnen-Kapazität des Typs "Hard Kill" untersucht, die durch den Einsatz kleiner Raketen erreicht wird. Schließlich wird auch an Kapazitäten für den Einsatz von Loitering Munitions und für die Steuerung von Langstreckenraketen gearbeitet.
Auslieferung womöglich ab 2027
Die AW249 verfügt auch über die Voraussetzungen für eine Marineversion mit der Fähigkeit, die Hauptrotorblätter einzuklappen. Interessant ist, dass das italienische Heer in seinem Programm das Ziel verfolgt, die Multidomänen- und Verbundfähigkeit der für die AW249 entwickelten Systeme im Rahmen des Armoured Infantry Combat System (AICS)-Programms zu verwenden. Die Auslieferung der ersten sieben Serienmaschinen wurde für 2027 angekündigt. Nach dem Stopp von FARA durch die US Army gibt es heute wenig auf dem Markt, wenn man vom AH-64 Apache absieht. Dieser ist zwar in der neuesten E-Version erhältlich, aber seinen Erstflug hatte er schon vor 49 Jahren, im September 1975. Leonardo kann sich also berechtigte Hoffnungen auch für den Export des Fenice machen.

Angetrieben wird die AW249 von zwei General Electric CT7-8E6.
Technische Daten
AW249 Fenice
Hersteller: Leonardo
Besatzung: 2
Antrieb: 2 x General Electric CT7-8E6
max. Leistung: 2 x 1900 kW
max. Dauerleistung: 2 x 1675 kW
Länge: 17,63 m
Höhe: 4,26 m
Rotordurchmesser: 14,60 m
max. Startmasse: 8300 kg
Höchstgeschwindigkeit: 309 km/h
Dienstgipfelhöhe: 6095 m
Steigrate: 11,9 m/s
Flugdauer: 4 h 5 min
Reichweite: 795 km