Forschungssatellit EarthCARE: Wolkenspäher bereit für den Start

ESA-Mission EarthCARE
Wolkenspäher bereit für den Start

Veröffentlicht am 28.05.2024

Man nehme eine wichtige wissenschaftliche Fragestellung, vier komplexe Instrumente und füge eine Reihe technischer Probleme, Naturkatastrophen und geopolitische Erschütterungen hinzu: Herauskommt EarthCARE – ein europäischer Forschungssatellit, der mit einer US-amerikanischen Falcon-9-Trägerrakete von der Vandenberg Space Force Base in Kalifornien aus startet. Der Start ist für Dienstag, 28. Mai, 15.20 Uhr Ortszeit (Mittwoch, 29. Mai, 0.20 Uhr MESZ) geplant.

EarthCARE ist eine der komplexesten Missionen, die die europäische Raumfahrtagentur ESA je umgesetzt hat. Sie soll helfen, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, wie Wolken und Aerosole das Wetter und das Klima beeinflussen.

Während der 2008 begonnenen Entwicklung des Satelliten traten mit jedem der vier Instrumente Probleme auf, sagt Maximilian Sauer, EarthCARE-Projektleiter bei Airbus, am Tag vor dem Start. Beispiel gefällig? Bei dem großen Seebeben 2011 in Japan wurde das Modell des Wolkenradars (Cloud Profiling Radar, CPR) zerstört, das die japanische Raumfahrtagentur JAXA beisteuert. Mehrmals stand das Projekt vor dem Aus, wegen technischer Schwierigigkeiten und steigender Kosten. Die Pademie verkomplizierte und verlangsamte die Zusammenarbeit zwischen den beiden Raumfahrtagenturen und zwischen den über ganz Europa verteilten Industriepartnern.

Zweifacher Wechsel der Trägerrakete

Wenige Tage nach der Invasion Russlands in der Ukraine im Februar 2022 war klar, dass die für den Start vorgesehene Sojus-Trägerrakete den EarthCARE-Satelliten nicht von Kourou aus ins All bringen würde. "Die größte Sorge war: Ist ein Redesign notwendig?", sagt Maximilian Sauer. Innerhalb kurzer Zeit wurden die anstehende Testkampagne im europäischen Weltraumforschungs- und Technologiezentrum ESTEC so umgestrickt, dass der Satellit sich an Parametern verschiedener anderer Trägerraketen beweisen musste. Dirk Bernaerts, EarthCARE-Projektleiter der ESA, nennt das "Overtesting". Immerhin: Der Satellit und seine Instrumente mussten nicht neu entworfen werden.

Zunächst wurde mit der europäischen Vega-C geplant, doch dafür wären größere Änderungen, vor allem an der Nutzlastverkleidung, nötig gewesen. Nach einem Fehlstart der Vega-C bei ihrem zweiten Flug im Dezember 2022 entschied man sich dagegen, die Modifikationen weiterzuverfolgen. Wegen mangelnder europäischer Alternativen machte die Back-up-Trägerrakete Falcon 9 das Rennen.

Flexibilität ist gefragt

Beeindruckend ist die kurze Zeitspanne von gerade einmal sieben Monaten zwischen der Vertragsunterschrift im September 2023 und dem Start. Und das ist nicht der einzige Unterschied zu anderen Startanbietern, wie beispielsweise der europäischen Arianespace. "Der große Unterschied, jetzt mit SpaceX, ist, dass es sich um eine Produktionslinie handelt, während man bei Ariane und den meisten anderen eine Rakete alle x Monate startet", sagt Bill Simpson, Startkampagnen-Manager der ESA. Allein von Vandenberg aus startet SpaceX etwa alle 1,5 Wochen eine Rakete, von Cape Canaveral aus sind es zwei bis drei pro Woche. Da müsse man als Kunde sehr flexibel sein, um sich dem engen SpaceX-Zeitplan anzupassen.

Extrawünsche müsse man rechtfertigen, so Simpson. Denn SpaceX bevorzugt einfache und schnelle Prozesse. EarthCARE benötigt wegen der sensiblen Optik an Bord ein sehr hohes Reinheitsniveau, noch höher als andere optische Missionen. "Wir mussten SpaceX überzeugen, dass wir das wirklich brauchen", sagt Simpson. Dann sei SpaceX aber sehr kooperativ dabei gewesen, Wege zur Umsetzung zu finden. Beispielsweise wurde die Verkapselung unter der Nutzlastverkleidung so spät wie möglich durchgeführt, um den europäischen Wolkenlaser ATLID zu schützen.

Am Dienstag fiebern nicht nur Sauer, Bernaerts und Simpson beim Start mit, sondern auch Wissenschaftler wie Hajime Okamoto, Professor am Forschungsinstitut für angewandte Mechanik der Kyushu-Universität. "Wolken sind die größte Unsicherheit in Klimavorhersagen", sagt er. Denn Wolken können wie ein Hitzeschild vor der Sonnenstrahlung agieren, aber auch wie eine Art Decke, die die Wärme an der Erdoberfläche gefangen hält. EarthCARE soll hier eine Lücke schließen und auch dazu beitragen, Wettervorhersagen zu verbessern. Dann hätte eine der komplexesten ESA-Missionen nach einer mehr als 15-jährigen Entwicklungszeit doch noch ein Happy End.