Boeing 737 MAX: Neues Drama um Alaska Airlines

Boeing unter Druck
737 MAX: Das ist der Stand im Alaska Airlines-Drama

Veröffentlicht am 27.01.2024

Der Flug einer erst im Dezember in Betrieb genommenen Boeing 737 MAX 9 von Alaska Airlines von Portland ins kalifornische Ontario endete am 5. Januar nach einem Knall: Noch im Steigflug, auf etwa 3660 Metern Höhe, platzte die Abdeckung einer hier nicht genutzten, zusätzlichen Notausgangstür im hinteren Rumpfbereich heraus. Bei dem explosiven Druckverlust flog nicht nur die besagte Abdeckung weg, sondern auch Laptops, Mobiltelefone und andere Habseligkeiten der glücklicherweise noch angeschnallten Passagiere.

Glück im Unglück

Eine Mutter konnte ihren 15-jährigen Sohn nur mit Mühe im anfangs gewaltsamen Luftzug festklammern. Der Junge saß nur drei Plätze neben der Öffnung in der Außenhaut, die beiden noch dichteren Plätze waren zum Glück nicht besetzt. Das Flugzeug konnte sicher nach Portland zurückkehren. Alle 177 Insassen kamen mit dem Schrecken davon.

NTSB

Erst Kontrollen, dann Grounding

Per Dringlichkeits-Lufttüchtigkeitsanweisung kündigte die Luftfahrtbehörde FAA schon am 6. Januar an, dass sie die Betreiber von 171 ähnlichen Flugzeugen dieser Ausführung zu Sonderkontrollen der Türabdeckung auffordern werde. Am 9. Januar verschärfte sie die Anordnung und sperrte diese Flugzeuge bis zur Inspektion und Einzel-Freigabe durch die FAA. Nachdem bei Kontrollen Mängel bei der Befestigung vergleichbarer Abdeckungen gefunden wurden, groundete die FAA die Teilflotte.

NTSB

Waren die Bolzen korrekt eingeschraubt?

Zwei Tage nach dem Zwischenfall meldete der Lehrer Bob Sauer aus Portland den Fund der verlorenen Abdeckung in seinem Garten. Die unabhängige Unfalluntersuchungsbehörde NTSB sicherte das Beweismittel und brachte es nach Washington D. C. zu Laboruntersuchungen. Kernfrage: Waren vier entscheidende Sperrbolzen korrekt verschraubt, welche die Abdeckung fest im Rahmen der optionalen Zusatz-Notausgangstür verankern? Nur wenn hier eine Notausgangstür montiert wird, kann diese durch einen Hebel entsichert, federunterstützt vier Zentimeter an ihren zwölf Halteplatten mit der Struktur vorbei nach oben gleiten und dann, wie eine Zugbrücke, nach außen herunterklappen, wobei eine Notrutsche ausgelöst wird. Statt einer Tür kann aber auch die besagte Abdeckung montiert werden. Auch sie kann für Wartungszwecke geöffnet werden. Sonst wird sie immer fest verschraubt und kann sich normalerweise nicht bewegen, schon gar nicht nach oben, was hier aber dennoch passiert zu sein scheint, sodass das Herausklappen und der Verlust möglich wurden.

NTSB

Wer hat versagt?

Schnell gerieten Boeing im 737-Werk Renton und Boeings 737-Rumpfhersteller Spirit AeroSystems in Wichita in Verdacht, die lebenswichtigen Sperrbolzen nicht korrekt montiert zu haben. Laut "Seattle Times" war in diesem Fall Boeing Schuld. Glaubwürdige Whistleblower hätten berichtetet, die Abdeckung sei demontiert und nicht wieder richtig montiert und kontrolliert worden.

Boeing

Boeing-CEO betreibt Schadenskontrolle

Boeing-Konzernchef David Calhoun reiste nach dem Zwischenfall nach Renton und schwor die Boeing-Belegschaft auf maximale Genauigkeit und höchste Sorgfalt ein. Es gab am 25. Januar einen eintägigen "Quality Stand Down". Der Öffentlichkeit versprach Calhoun vollständige Offenheit und räumte "Fehler" auf der Seite Boeings ein. Die Crew habe das Flugzeug unter "furchteinflößenden Umständen sicher zurückgebracht", lobte er die Alaska-Besatzung. Die Boeing-Kunden seien "verängstigt", aber vertrauten dem Hersteller weiterhin. Nun müsse Boeing dieses Vertrauen aber auch bei jedem einzelnen Flugzeug rechtfertigen, mahnte der Konzernchef. Auch bei NTSB-Chefin Jennifer Homendy meldete sich Calhoun direkt und bot Boeings uneingeschränkte Zusammenarbeit an.

AirTeam Images - Steven Marquez

Verhältnis zwischen Boeing und FAA kühlt ab

Viel schwieriger wird Boeings Verhältnis zur Luftfahrtbehörde FAA. Diese kündigte bereits tiefgreifende Überprüfungen der Boeing-Lieferkette und Herstellungsprozesse an und drohte Boeing, die bislang hausinterne Qualitätssicherung an eine externe Fremdfirma zu vergeben. Die FAA will nun alle MAX-Zwischenfälle und Störungsmeldungen zentral erfassen und auswerten. Zudem wurde das Hochfahren der 737-Produktion vorerst explizit verboten. Allein die Sicherheit der fliegenden Öffentlichkeit, nicht etwa die Schnelligkeit einer möglichen Wiederfreigabe, bestimme ihr Tempo bei den MAX-9-Überprüfungen. Am 24. Januar wurde ein Inspektions- und Wartungsprozess genehmigt, den alle MAX 9 vor der individuellen Wiederzulassung durch die FAA durchlaufen müssen. Alaska und United hofften, ihre 737 dieses Modells gegen Ende Januar wieder fliegen zu können.

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