Seitenleitwerk und Triebwerke fehlen noch – aber Hauptsache, der neue Lack ist dran. Auf russischen Telegram-Kanälen kursieren seit gestern die ersten Aufnahmen einer Iljuschin Il-96-400T, frisch gestrichen in den Farben der Volga-Dnepr-Tochter AirBridgeCargo. AirBridgeCargo galt einst als Russlands größte Frachtfluglinie, besaß 17 Boeing 747 und eine 777. Den Großteil der Maschinen besitzt sie auch heute noch – doch fliegen kann sie damit nicht mehr, die Jets stehen sanktionsbedingt geparkt auf dem Moskauer Flughafen Scheremetjewo. Das bedingte ein Umdenken, dessen Ergebnis sich jetzt abzeichnet: AirBridgeCargo lässt russisches Schwermetall auf Vordermann bringen.
Seit Jahren eingemottet
Bei dem Flugzeug, das auf den Telegram-Fotos zu sehen ist, handelt es sich um die Il-96-400T mit dem Kennzeichen RA-96103. Sie hob im Herbst 2009 in Woronesch zu ihrem Erstflug ab – dort, wo wohl auch die jetzigen Aufnahmen entstanden sind. Ihre Karriere als Frachtflugzeug währte recht kurz: als eine von drei Il-96-400T kam sie kurz vor Jahresfrist 2009 zu Polet Airlines. Polet, 1988 gegründet, war der wichtigste Betreiber der Il-96-Frachtversion, die gegenüber dem Ausgangsmodell Il-96-300 einen um rund neun Meter verlängerten Rumpf besitzt. Doch der Cargo-Carrier musste Ende 2014 den Betrieb einstellen. Die RA-96103 ging daraufhin an das WASO-Flugzeugwerk in Woronesch zurück – und wurde 2016 dort eingelagert.

Neuland für AirBridgeCargo
Nun also wird das im ersten Leben kaum genutzte Flugzeug aus dem jahrelangen Tiefschlaf wieder wachgeküsst. AirBridgeCargo betritt damit Neuland, denn in der Historie der Airline schaffte es bislang nie ein nicht-westliches Flugzeugmuster in die Flotte. Die Il-96-400(T) schon gar nicht, denn von der wurden nur vier gebaut. Doch besondere Zeiten fordern besondere Maßnahmen – und laut einem Bericht des russischen Wirtschaftsportals RBK hat die Volga-Dnepr-Gruppe für ihr Tochterunternehmen bereits Stellen für Il-96-Spezialisten ausgeschrieben, die in Moskau und Uljanowsk arbeiten sollen. Uljanowsk ist der Hauptsitz von Volga-Dnepr, die Tochter residiert in Moskau. Neben der RA-96103 soll AirBrideCargo nach RBK-Informationen noch eine zweite Il-96-400T erhalten: die RA-96101. Auch die ist in Woronesch eingemottet – flog allerdings schon seit 2013 nicht mehr.

Auch An-124 wird wachgeküsst
Die beiden Il-96, die jetzt reaktiviert werden, sind Teil des Plans der russischen Regierung, insgesamt elf stillgelegten einheimischen Flugzeugen wieder neues Leben einzuhauchen. Der entsprechende Beschluss trat Ende Juni 2022 in Kraft und umfasst neben den besagten Iljuschins auch acht Tu-204/214 sowie eine An-124. Bei letzterer handelt es sich um die RA-82080, die einst ebenfalls für Polet flog, seit 2012 in Uljanowsk steht und künftig für Volga-Dnepr abheben soll. Alle elf Maschinen gehören der russischen Leasinggesellschaft Ilyushin Finance (IFC).