Offiziell preist Chinas Luftfahrtindustrie die Avic AG600M vor allem als Löschbomber und betont den zivilen Nutzen des derzeit weltgrößten Flugboots. Doch bei der anderen Feldpostnummer bleibt man weiter skeptisch: Das US-Verteidigungsministerium sieht die AG600M "Kunlong" (Wasserdrache) nicht nur für zivile Zwecke, sondern ausdrücklich auch für die militärische Verwendung designiert. Wie das Pentagon schon 2023 schrieb, könnte Chinas Militär das Flugboot beispielsweise für die U-Boot-Jagd oder die logistische Versorgung vorgelagerter Atolle im Südchinesischen Meer in Dienst stellen. Auch ein Einsatz bei der Küstenwache – die formal ebenfalls den Streitkräften untersteht – ist laut Pentagon gut denkbar.
Eigentlich braucht es aber gar keine hoch dotierten Analysten aus den USA für Erkenntnisse wie diese. Natürlich dürfte Avic für die AG600M das Militär als potenziellen Großkunden für sein Amphibium in A320-Größe klar im Auge haben. Der zivile Markt allein scheint jedenfalls – auch über China hinaus – zu klein, um ein solch ambitioniertes Leuchtturmprojekt des nationalen Flugzeugbaus dauerhaft zu rechtfertigen. Die vom Hersteller genannte Löschwasserkapazität von bis zu zwölf Tonnen klingt angesichts von Größe und Gewicht des Flugzeugs nicht sonderlich beeindruckend – die kleinere, leichtere Berijew Be-200 aus Russland fasst dieselbe Menge. Über kurz oder lang wird die AG600M deshalb sowohl in Tarnbemalung als auch im zivilen Anstrich aus der Endmontagehalle in Zhuhai rollen.

Mit vier Protoypen trat Avic zur Flugerprobung der AG600M an.
Meilenstein Musterzulassung
Die Priorität scheint Chinas Führung – zumindest vorerst – aber in der Tat auf die zivile Nutzung des "Wasserdrachen" zu legen. Schließlich durchliefen die vier Prototypen der AG600M in den vergangenen Jahren ein intensives und umfangreiches Erprobungsprogramm nach den strengen Richtlinien der chinesischen Zivilluftfahrtbehörde CAAC. Eigentlich wollte Avic schon Ende 2024 damit fertig sein, die Flugtests erstreckten sich aber bis ins Frühjahr 2025. Am 20. April jedoch verkündeten chinesische Staatsmedien, dass die Avic AG600M Kunlong von der CAAC ihre Musterzulassung erhalten habe.
Damit darf das bis zu 60 Tonnen schwere Flugboot, das mit 480 km/h Reisegeschwindigkeit bis zu 4.500 Kilometer weit fliegen kann, offiziell in die Massenproduktion gehen. Mit einer Länge von 36,9 und einer Spannweite von 38,8 Metern überragt es alle anderen derzeit existenten Flugboote, einschließlich der ähnlich ausgelegten ShinMaywa US-2 aus Japan, die von der japanischen Marine eingesetzt wird. Wie das japanische Pendant fliegt die AG600M mit vier Turboprop-Motoren. Während die Japaner dabei auf Rolls-Royce setzen, nutzen die Chinesen bei der "Kunlong" vier Dongan WJ-6-Propellerturbinen aus heimischer Produktion – wobei das WJ-6 eine Lizenzversion des sowjetischen Iwtschenko AI-20 ist.