Es gab Zeiten, da waren die Il-96-300 von Cubana in unseren Breiten ein vertrauter Anblick. Von Paris-Orly und Madrid aus konnte man mit einem der raren Vierstrahler regelmäßig nach Havanna und Santiago de Cuba fliegen. Bis zu vier Il-96 hatte Cubana zeitweise in der Flotte, meist waren maximal zwei gleichzeitig aktiv, manchmal auch nur eine. Zuletzt war die Maschine mit der Kennung CU-T1250 die weltweit einzige verbliebene Il-96-300 im kommerziellen Passagierbetrieb, und auch dieses nunmehr 20 Jahre alte Flugzeug stand in den letzten Jahren mehr herum als dass es flog. Und wenn, dann schickte Cubana ihr Flaggschiff vielleicht noch nach Caracas, aber nicht mehr nach Europa. Den Cubana-Flug CU471 von Madrid über Santiago nach Havanna, der ohnehin eher unregelmäßig verkehrt, übernimmt derweil die spanische Charter-Airline Plus Ultra mit Airbus A330 oder A340-300.
Umso spannender war es deshalb, als die Cubana-Iljuschin am späten Abend des 9. Mai um kurz vor Mitternacht (Ortszeit) auf dem Flughafen Lissabon einschwebte – und den Airport der Hauptstadt Portugals nach drei Stunden Aufenthalt wieder mit Kurs Havanna verließ. Was hatte es mit diesem nächtlichen Besuch auf sich, für den mancher Planespotter vor Ort gern freiwillig auf seinen wohlverdienten Schlaf verzichtete?
Iljuschin auf Durchreise
Die Antwort: Die Kubaner legten mit der CU-T1250 in Lissabon einen Zwischenstopp zum Auftanken ein. Knapp fünfeinhalb Stunden zuvor waren sie in Moskau auf dem Flughafen Wnukowo gestartet, mussten auf ihrem Weg nach Havanna allerdings in Portugal Station machen und die Tanks der durstigen Il-96-300 mit frischem Kerosin fluten. An Bord des Großraumjets hatte Cubana keine zahlenden Passagiere, sondern den kubanischen Staatspräsidenten Miguel Mario Díaz-Canel und dessen Entourage. Díaz-Canel hatte in Moskau die Feierlichkeiten zum 80. Jahrestag des Sieges der Sowjetunion im Zweiten Weltkrieg gegen Deutschland besucht. Auf dem Hinflug am 3. Mai war der Staatschef mit der Il-96 noch nonstop in gut elf Stunden von Havanna nach Sankt Petersburg gereist, von wo die Maschine am 6. Mai nach Wnukowo weiterflog.
Fit für den Präsidenten
Dass Díaz-Canel, der für Langstreckenreisen auch schon mal auf einen Airbus A340-600 der venezolanischen Conviasa ausweichen musste, bei seinem Trip nach Moskau überhaupt auf die CU-T1250 setzen konnte, war alles andere als selbstverständlich. Vielmehr hat es sogar den Anschein, als habe Cubana das Flugzeug im Vorfeld der Reise extra für den Präsidenten wieder flottgemacht. Davor war die Il-96-300 nämlich zum letzten Mal am 14. Dezember in der Luft gewesen, als sie mit der Flugnummer CU1313 aus Venezuelas Hauptstadt Caracas zurückkehrte. Diese Route hatte sie zuvor in unregelmäßigen Abständen im Linienbetrieb bedient, stand dann aber vier Monate lang untätig auf dem Flughafen José Martí in Havanna herum. Erst am 25. April erhob sie sich wieder zu einem kurzen Testflug, am 2. Mai zu einem weiteren – um sich dann am 3. Mai mit VIP an Bord auf den Weg nach Russland zu begeben.