Blankes Aluminium statt gelber Primer: Schon auf den ersten Blick unterscheidet sich der neue Superjet SJ-100 mit der Seriennummer 97004 von allen seinen Vorgängern. Die verließen die Fabrik für ihre Erstflüge nämlich stets grundiert und nicht im Silber-Look. Die Bewandtnis hinter dieser Farbauffälligkeit bleibt unklar, doch den Status des Flugzeugs 97004 für das importsubstituierte Superjet-Programm tangiert das nicht – ist es laut Hersteller UAC doch der erste rein russische Superjet, der auf der für den Serienbau neu aufgesetzten Endmontagelinie entstand, und der am Vormittag des 5. September (Ortszeit) im Fernen Osten Russlands zum ersten Flug abhob.
Dieser erste Flug dauerte nach Herstellerangaben etwa eine Stunde, mit Start und Landung auf dem Flugplatz des Flugzeugwerks Komsomolsk am Amur. Dort findet seit jeher die Endmontage des Superjet statt. Im Cockpit saßen die Testpiloten Dmitri Sawonin und Leonid Tschikunow, sowie der Flugingenieur Wladislaw Tjurin. Ob der "russifizierte" 100-Sitzer bereits mit voll ausgestatteter Kabine abhob, ist nicht bekannt, wenngleich ein Vertreter des Staatskonzerns Rostec, zu dem UAC gehört, im Nachgang davon sprach, das Flugzeug sei in der "Zielkonfiguration gebaut, die für die Lieferungen geplant ist."
Karrierestart als Testflugzeug
Tatsächlich wird die 97004 zu den ersten neuen Superjets gehören, die planmäßig Anfang des kommenden Jahres an Erstkundin Rossija übergeben werden sollen. Bis es dazu kommt, muss das Flugzeug allerdings noch in der Flugerprobung des komplett auf inländische Komponenten umgekrempelten Musters mit anpacken, die aktuell von insgesamt drei Testmaschinen absolviert wird. Jeder dieser drei Test-Superjets fliegt jedoch in einer anderen Konfiguration: Der erste SJ-100-Prototyp mit teilweise russischen Komponenten, aber französisch-russischen SaM-146-Triebwerken der ersten Superjet-Generation, sowie zwei mit russischen PD-8-Motoren bestückte Exemplare, von denen aber wiederum nur eine komplett "russifiziert" ist.

Der "russifizierte" Superjet 97004 ist laut Hersteller der erste, der in Serienausführung auf der neuen Endmontagelinie gebaut wurde.
Russische Endmontage
Die nun zum Jungfernflug gestartete 97004 ist damit der zweite Superjet in russischer Vollversion und weihte seinerseits die umgebaute Montagelinie ein, die laut UAC ebenfalls voll auf russische Gerätschaften umgerüstet wurde. Dort befinden sich nach Herstellerangaben aktuell 24 Serienmaschinen im Bau – "in unterschiedlichem Fertigungsgrad", wie es heißt. Das Werk in Komsomolsk produziert bewusst auf Halde, um nach erfolgter Zulassung des neuen Musters schnell mit den Auslieferungen zu beginnen.

Die Umstellung auf rein russische Komponenten ist ein Mammutprogramm und umfasst laut Hersteller UAC mehr als 140 Zulieferbetriebe.
Rein russische Zulieferer
Für das seit 2019 laufende Substitutionsprogramm, das aus dem stark von ausländischen Zulieferern abhängigen Superjet ein vollkommen russisches Flugzeug machen soll, greift UAC auf mehr als 140 inländische Zulieferbetriebe "der ersten Ebene" zurück. "Dutzende" westliche Teile und Systeme seien in den vergangenen Jahren durch russische Pendants ersetzt worden, heißt es. Insgesamt sollen es 64 sein. "Im Rahmen der Importsubstitution ist das Flugzeug mit russischen Triebwerken, Avionik, Fahrwerk, Hilfstriebwerk, Steuerungssystemen, Stromversorgung, Klimaanlage, Brandschutz und Passagierkabinenausstattung ausgestattet", schreibt Mutterkonzern Rostec in einer Pressemitteilung.
Auch eine Modifikation des Rumpfes war laut Hersteller nötig – um die neuen russischen Komponenten zu installieren, aber auch um Produktion und Wartung zu erleichtern. Dieses neue Rumpfgerüst wurde von der russischen Luftfahrtbehörde Rosawiazija bereits zertifiziert.