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Die Wasserstoff-Wegbereiter: Airbus testet Brennstoffzellen

Die Wasserstoff-Wegbereiter
Airbus testet Brennstoffzellen

Airbus setzt vor allem auf Wasserstoff als künftige Kraftquelle für die Luftfahrt und lässt in einem Forschungszentrum in Ottobrunn die technische Umsetzung praktisch entwickeln und testen.

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Foto: Airbus

Die 2020erJahre sind ein Jahrzehnt des Wandels. Wir setzen Aktion gegen Krise", sagte Airbus-Konzernchef Guillaume Faury bereits Ende November 2022 zur Toulouser Eröffnung der "Airbus Summit 2022", einer zweitägigen Präsentation der wichtigsten Airbus-Forschungsprojekte mit Umweltschutzbezug in Toulouse und Ottobrunn. Bis 2050 will die gesamte Flugbranche das "NetZero"-Ziel erreichen, also unter dem Strich keine "Treibhausgase" mehr ausstoßen. "Unter dem Strich" bedeutet, dass verbleibende Emissionen kompensiert werden, etwa indem Wälder gepflanzt und Plantagen angelegt werden die jene Stickoxide aktiv aus der Atmosphäre filtert, die an anderer Stelle erzeugt wurden, so dass, selbst bei Zunahme des Luftverkehrs, keine zusätzliche Belastung auftritt.

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Airbus Ziel ist es, bis 2030 alle seine Flugzeuge für die Betankung mit 100 Prozent synthetischem Kerosin (SAF) zu zulassen, was vor allem Änderungen an Dichtungen und Tankleitungen erfordert.

Weg frei für synthetischen Treibstoff

Im Kern der Bemühungen stehen wesentlich sparsamere und sauberere Flugzeuge. Schon für die ab 2024 auszuliefernde A321XLR versprach Faury30 Prozent weniger Treibstoffverbrauch und Emissionen als bei Flugzeug-Vorgängergenerationen im Standardrumpfbereich. Mit einer groß angelegten Flottenerneuerung könnten die Airlines ihre Emissionen durch diese Flugzeuge und Triebwerke schon jetzt schlagartig verbessern, schlägt der Hersteller vor, denn erst zehn bis 15 Prozent der weltweiten Flotte gehörten zur neuesten Generation. Bis 2030 will Airbus alle seine Flugzeuge zudem für die Betankung mit 100 Prozent synthetischem Kerosin (SAF) zulassen, was vor allem Änderungen an Dichtungen und Tankleitungen erfordert. Der Treibstoff SAF könnte industriellschon bald aus Pflanzen gewonnen werden, wie sehr genügsamen Salzwasseralgen, die während ihres Wachstums der Atmosphäre Stickstoff entziehen, aber weder kostbares Trinkwasser verbrauchen noch knapper werdendes Ackerland belegen, dasdringender für die Lebensmittelherstellung gebraucht wird. Allerdings deckt die heutige SAF-Produktion nicht einmal ein Prozent des heutigenTreibstoffverbrauchs der Airlines ab.

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Der Weg zu lokal komplett abgasfreien Flugzeugen ist aber noch weit, auch wenn Airbus, ehrgeizig früh, schon für das Jahr 2035 die Auslieferung eines bereits fertig zugelassenen "Zero Emission Airliners" verspricht. Während der Hersteller für den unteren Rand des Kapazitätsspektrums batterieelektrische Luftfahrzeuge entwickelt, wie den senkrechtstartenden Kurzstrecken-Viersitzer CityAirbus NextGen in Donauwörth, werden für größere Passagiermengen und Reichweiten wegen des unverändert zu hohen Batteriegewichts andere Antriebsquellen, wieWasserstoff, gebraucht.

Wasserstoff mit Licht und Schatten

Das als Antrieb von Brennstoffzellen oder zur direkten Verbrennung in Strahltriebwerken nutzbare Gas speichert immerhin dreimal so viel Energie wie Kerosin, aber es ist derart voluminös, dass es entweder in sehr festen – und damit schweren – Drucktanks zusammengepresst werden muss, um es an Bord mit vertretbarem Raumbedarf zu lagern, oder durch Tiefkühlung auf minus 250 Grad Celsiusplatzsparend verflüssigt wird, was aber ebenfalls sehr aufwendige Kühlanlagen, Lagertanks und eine neue Tank-Infrastruktur bedingt. Für den tiefgekühlten, sogenannten kryogenen Wasserstoff sind Isoliertanks erforderlich, die wie riesige Thermoskannen funktionieren. Das eisige Gebräu muss vor der Verbrennung im Triebwerk zunächst wieder aufgewärmt werden, wozu es unterschiedliche Methoden gibt, deren beste Variante gerade noch in der Forschung ermittelt wird. Erst dann darf der Treibstoff in die empfindlichen Rohrleitungen strömen, die er im eisgekühlten Lagerungszustand durch seine extreme Kälte zerstören würde. Die komplexe Lagerung, Kühlung, Erwärmung und Verbrennung macht den ursprünglichen Energiegehaltsvorsprung von Wasserstoff gegenüber Kerosin wieder weitgehend zunichte. Am Ende kommt bei Luftfahrtanwendungen nur noch ein Unentschieden heraus. Dafür sind die Abgase bei der Wasserstoffverbrennung auf Stickoxide und vor allem reinen Wasserdampf beschränkt, dessen Kondensstreifen durch die Wahl der Flughöhe beeinflusst werden können. Wasserstoff verbrennt deutlich heißer als Kerosin, so dass die Triebwerke auf neue Temperaturbereiche ausgelegt werden müssen.

Die zuvor genannten Details verdeutlichen bereits, wie kompliziert die technische Umsetzung der künftig geforderten Emissionsfreiheit ist. Bei Airbus arbeiten daran zahlreiche Forscher, zum Beispiel im "E-Aircraft Systems Test House" in Ottobrunn, dessengroße Testhalle kurzerhand zum Konferenzsaal umfunktioniert wurde, um einen Teil der Airbus Summits abzuhalten. Das neue Prüfstands- und Testgebäude am südlichen Stadtrand von München liegt auf einem abgeschotteten Forschungsgelände von Airbus Defence and Space, direkt südlich der Startbahn des früheren Militärflughafens Neubiberg. Der 2019 fertiggestellte Neubau des Testgebäudes, leicht zu erkennen an zwei turmartigen Prüfstands-Luftauslässen auf dem Dach, ist mittlerweile komplett eingerichtet und betriebsbereit– mit vielerlei Prüfständen, Werkstätten, Testwarten und Kontrollräumen. Der Besucher fühlt sich hierein wenig wie im Labor von "Q" aus den James-Bond-Filmen.

Airbus
Hier wird eine Brennstoffzelle auf dem Teststand in Ottobrunn für seinen Probelauf vorbereitet.

Zu Besuch im Airbus-Testgebäude

In den Triebwerkstestständen könntenzwar auch herkömmliche Kerosintriebwerke bis zur A321-Größe betrieben werden, im Mittelpunkt steht hier aber die Forschung an elektrischen Antrieben mit 0,5 bis maximal zwei Megawatt Leistung. Diese Leistungsklasse gilt für Luftfahrtanwendungen als die interessanteste, sie könnte aber auch zusätzliche Anwendungen im Schifffahrtsbereich erschließen. Beim Besuch der FLUG REVUE in einem der beiden Teststände war gerade eine kleinere, elektrische Hubschrauberdrohne auf der Testplattform "Vertical Test Bench" installiert. Sie kann hier, fest verankert, in allen Flugphasen praktisch geprüft werden. Bei den Elektroantrieben muss neue Steuersoftware mit neuartigen Batterien zusammenarbeiten. Die thermische Belastung in Hochleistungsflugphasen, aber auch die Reichweite und Temperaturempfindlichkeit und die Zuverlässigkeit müssen praktisch vermessen werden. Das optimale Zusammenspiel aller Komponenten und unterschiedlicher technischer Disziplinen ist eines der wichtigsten Aufgabenfelder. Als würde man einen Ausflug in die Zukunft unternehmen,sindim E-Aircraft Systems Test House schon heute Brennstoffzellen, Batterien der Zukunft und Supraleiter im Testbetrieb zu sehen. Supraleiter sind ein besonders wichtiges Forschungsthema, denn die tiefgekühlten Spezialkabel, die nur bei sehr großer Kälte ohne elektrischen Widerstand arbeiten, ermöglichen bei elektrischen Antrieben in der Luftfahrt den Einbau leichterer, fingerdicker Kabel zur Leistungsübertragung, wo ursprünglich schwerere, armdicke Kabel nötig gewesen wären.

Außerdem experimentieren die Forscher mit neuartigen Kombinationen von Antrieben: So könnten auf die Reiseflugphase ausgelegte, kleinere Verbrennungstriebwerke mit batterieelektrischen "Booster"-Elektromotoren für die Startphase kombiniert werden, wenn kurzzeitig höchste Leistung gefragt ist. Auch die optimale Formgebung von Rotoren und Propellern verändert sich wegen des hohen Drehmoments, das Elektromotoren abgeben.

Neue Generation bei der Teamarbeit

Unter den Airbus-Forschern und Ingenieuren im Testgebäude dominiert eine junge Generation der Dreißigjährigen. Bereits mit höheren akademischen Weihen versehen und allesamt keine Berufsneulinge mehr, stammen sie aus den klassischen Disziplinen wie Luft- und Raumfahrttechnik und Maschinenbau, aber auch Elektrotechnik oder Informatik und anderen Spezialgebieten. Frauen sind heute keine Ausnahme mehr, auch nicht in leitenden Positionen, etwa als Testdirektorin oder Projektleiterin. Die Forscher stammen überwiegend aus Europa, darunter vor allem Deutschland, Frankreich und Spanien. Oft arbeiten sie auch eng verzahnt mit anderen Airbus-Standorten, etwa Marignane oder Toulouse in Frankreich und einer Testflugbasis in Spanien. Englisch ist bei Airbus ohnehin die übliche Arbeitssprache. Eine möglichst "diverse" Mischung der Forschungsteams gilt bei Airbus als kreativste Idealaufstellung. Deswegen werden systematisch auch ältere Mitarbeiter eingeplant, die Erfahrung und weitreichende Kontaktnetzwerke im Konzern mitbringen.

Manche Versuche werden in Ottobrunn auch rein virtuell durchgeführt. Die Testsoftware arbeitet aber derart genau, dass ihre Vorhersagen auch für amtliche Zulassungsverfahren anerkannt werden könnten. Wie immer, wenn Forschung betrieben wird, wird hier nur schrittweise verändert und streng systematisch vorgegangen. Dazu gehören auch die Möglichkeiten, dass etwas gar nicht klappt, sich als Irrweg erweist oder sich eine andere beziehungsweise eine noch bessere Lösung findet. Enge Zeitpläne werden hier bewusst nicht genannt. Aus Sicherheitsgründen stehen die bei einigen Tests verwendeten Akkumulatoren in brandsicheren Vorbauten außerhalb der Labore, so entstünde bei einem Batteriebrand kein Schaden an den Testständen. Zudem steht die Airbus-Werksfeuerwehr ebenfalls bereit.

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In der Testzentrale wird mit verteilten Rollen gearbeitet. Frauen sind hier heute keine Ausnahme mehr, auch nicht in leitenden Positionen, etwa als Testdirektorin (vorne) oder Projektleiterin.

Solarstrom aus dem All

Noch weiter voraus blicken die Forscher in einem Nachbargebäude des E-Aircraft Systems Test House: Sie entwickeln bereits Verfahren, mit denen elektrische Energie per stark gebündeltem Mikrowellenstrahl aus dem Weltall auf die Erde "gebeamt" werden könnte. Erzeugt würde der Strom in mindestens fußballfeldgroßen Folien-Sonnensegeln im All, die rund um die Uhr vom dort durch die Erdatmosphäre noch ungefiltertem Sonnenlicht beschienen werden könnten. Die Stromverschickung per Strahl könnte auch genutzt werden, um über mehrere Satelliten Stromnetze rund um den Globus zu knüpfen und entlegene Regionen mit elektrischer Energie zu bestrahlen. Ebenso wäre das direkte Anpeilen fliegender Objekte möglich, so dass etwa eine Langstrecken-Elektrodrohne ohne Batterie an Bord auskommen könnte. Der Mikrowellenstrahl soll in der Atmosphäre für Lebewesen und Pflanzen ungefährlich sein. Tiere, wie Vögel, oder selbst der Mensch könnten ihn kurzzeitig gefahrlos durchqueren, versichern die Forscher, die bereits mit Pflanzen Bestrahlungsversuche durchgeführt haben. Die Empfangsantennen für Mikrowellen würden aber trotzdem immer außerhalb menschlicher Siedlungen platziert werden.

Industrielle Weichenstellung steht bevor

Bei aller Zukunftsmusik ist die Forschung auf konkrete Anwendungsfelder ausgelegt: So will Airbus 2027 bis 2028 entscheiden, mit welcher Technologie das erste, lokal emissionsfreie Verkehrsflugzeug gebaut wird, das schon 2035 zugelassen und lieferbar sein soll. Glenn Llewellyn, Airbus-Vorstand für das Null-Emissions-Flugzeug, hält Brennstoffzellen für einen Hundertsitzer mit bis zu 1000 NM (1852 km) Reichweite für möglich, wie er auf der Airbus Summit erläuterte. Schon 2026 soll eine Zwei-Megawatt-Brennstoffzelle, die über einen Elektromotor auf einen Zugpropeller wirkt, an einer Test-A380 im Flug erprobt werden. Die Propellergondel soll, wie auch ein wasserstoffbetriebenes Strahltriebwerk,an einem Testträger am hinteren linken Hauptdeck des Trägerflugzeugs installiert werden. Airbus zeigte auf der Summit ebenfalls ein Modell des neuen Elektroantriebs, der perfekt an eine bereits bekannte Konzeptstudie für ein zweimotoriges Regionalflugzeug passen würde.Zudem präsentierte der Hersteller ein Windkanalmodell seines Flügels für das Forschungsprojekt UpNext, für das eine gebrauchte Cessna Citation VII, ein zweistrahliger Business Jet mit T-Leitwerk, auf ein völlig neues Tragwerk umgerüstet wird. Der widerstandsarme Flügel sehr hoher Streckung kann durch zwei halbstarre Gelenke beide Außenflügel hochklappen. Das spart Platz beim Parken am Boden und hilft im Flug, die strukturelle Belastung der Flügelbefestigung zu verringern. Sobald sich die Außenflügel hochstellen, verringert sich die Kraft, die auf die Flügelwurzel wirkt, so dass deren Struktur leichter und kraftstoffsparender ausgelegt werden kann.

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Airbus
"Wir bei Airbus wollen mit gutem Beispiel vorangehen", sagt Guillaume Faury, Vorstandsvorsitzender bei Airbus.

Geplante Testflüge

Die Größe der Citation VII entspricht etwa einem Drittel der Spannweite eines möglichen A320-Nachfolgers. Der Business Jet soll nur unbemannt getestet werden – die geplanten Testflüge gehen gezielt bis ans strukturelle Limit des Testflugzeugs. Die beiden Airbus-Testpiloten werden in einer Bodenstation in Cazaux, nahe Bordeaux, sitzen und das Flugzeug fernbedienen. Statt der Piloten wird im Cockpit eine LIDAR-Anlage installiert, die im Flug per Laserstrahl vorausblickt und Turbulenzen erkennt, um dann blitzartig und automatisch ein Hochklappen der Flügelspitzen und Ausfahren von Störklappen zu veranlassen. Rund 200 Kilometer um den dortigen Militärflugplatz steht ein absperrbarer Testluftraum zur Verfügung.

"Grüner" Treibstoff fehlt

Von Seiten der Airbus-Flugzeugbauer steht dem Fortschritt also nicht mehr viel im Wege. Fehlt nur noch der "grüne" Wasserstoff, der neue Treibstoff aus nachhaltigen Quellen. Hiervon gebe es noch lange nicht genug, mahnte Guillaume Faury auf der Airbus Summit. Schlimmstenfalls müsse deshalb der Beginn des emissionsfreien Fliegens verschoben werden. Faury drängte dazu, eher schneller mit dem Aufbau der industriellen Infrastruktur zu beginnen, als noch länger zu warten.

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Erscheinungsdatum 05.05.2023