Wie rettet man einen fliegenden Klassiker wie die Boeing 727 in die Zukunft? Klar, man verpasst ihm neue Triebwerke! Triebwerke, die ihn leiser machen. Leistungsstärker. Und vor allem sparsamer. Allerdings war es im Fall der 727 nicht der Hersteller selbst, von dem die Initiative dazu ausging. Die letzte fabrikneue 727 lief bei Boeing in Renton 1984 vom Band. Längst hatte da schon die zweistrahlige 737 dem einstigen Bestseller mit den drei Hecktriebwerken als Brot-und-Butter-Jet den Rang abgelaufen.

Die Boeing 727 war - bevor die 737 ihr den Rang ablief - Boeings absoluter Bestseller. Insgesamt verließen 1.832 Exemplare die Werkshallen.
Die "Quiet Freighter" von UPS
Die 727 war aber nach wie vor ein gängiger Anblick an den Flughäfen weltweit – und vor allem als Frachter populär. Gleichzeitig machten ab spätestens Ende der 80er-Jahre strengere Lärmvorschriften den Betreibern der selbst für damalige Verhältnisse lauten Trijets zunehmend die Arbeit schwer. Der Paketriese UPS ließ als Konsequenz etwa 50 alte Boeing 727-100-Frachter bei Dee Howard in San Antonio (Texas) zu leiseren 727-100QF ("Quiet Freighter") umrüsten. Hierzu ersetzte Dee Howard die drei originalen JT8D-Triebwerke (JT8D-1, -7 oder -9) von Pratt & Whitney durch leisere, modernere Rolls-Royce Tay 651-54. Auch die Avionik erfuhr im Zuge dessen ein Upgrade. UPS blieb jedoch der einzige Betreiber der 727-100QF.

Paketzusteller UPS ließ seine Boeing 727-100-Frachter mit Rolls-Royce-Turbofans nachrüsten - und nannte sie "Quiet Freighter".
Die Geburt der "Super 27"
Für die sechs Meter längere, schwerere Version 727-200 (Advanced) kam der Umbau auf Tay-Turbofans nicht infrage. Hier war es 1988 zunächst die Firma Valsan Partners, die mit einem Angebot zur Remotorisierung auf den Plan trat. Dieses sah vor, die beiden äußeren JT8D-Triebwerke der ersten Generation durch Pendants der stark verbesserten Ausführung JT8D-217/219 zu ersetzen. Diese neue Version des alten Pratt & Whitney-Dauerbrenners war für die McDonnell-Douglas MD-80 entwickelt worden und wartete mit deutlich besseren Verbrauchs- und Leistungswerten auf. Auch die hydraulische Schubumkehr der MD-80 fand ihren Weg an die 727. Das mittlere Triebwerk der von Valsan zunächst als 727RE oder "Quiet 727" vermarkteten Top-Variante wurde nicht getauscht, erhielt im Zuge des Upgrades aber einen Schalldämpfer (Hushkit) sowie eine neue Mischdüse. Der originale Reverser fiel ersatzlos weg.

Das Umbauprogramm zur Super 27 sah den Austausch der seitlichen JT8D-Motoren gegen modernere - und größere - JT8D-217/219 vor. Die Turbofans stammten von der McDonnell-Douglas MD-80.
Der fliegende Hot Rod
Derart überarbeitet, erreichte die 727 nicht nur problemlos die geforderten Lärmwerte der Kategorie Stage III, sondern stieß auch performance-technisch in neue Dimensionen vor. Mit 249 kN Gesamtschub benötigte die "Quiet 727" 20 Prozent weniger Startstrecke, stieg schneller und flog besser. Piloten feierten die neue Version als "Hot Rod" – ein Hot Rod, der gleichzeitig weniger Kerosin verbrauchte, 560 Kilometer weiter fliegen konnte und mehr Zuladung vertrug. Erfolg hatte Valsan mit dem Projekt allerdings nicht. Zwar sammelten sich an die 200 Optionen für einen Umbau zur heute als "Super 27" bekannten 727RE, doch nur ein Bruchteil davon erfolgte tatsächlich.

Die Super 27 punktete gegenüber der originalen 727 mit geringerem Verbrauch, weniger Lärmbelastung und besserer Leistung. Bei Piloten erwarb sie sich den Ruf eines "fliegenden Hot Rod".
Dreistrahler reloaded
1996 rollte das in Kalifornien ansässige Unternehmen Rohr das Super 27-Programm wieder auf und übernahm dazu die ergänzende Musterzulassung von Valsan. Rohr schätzte damals den Markt für Super 27-Konversionen auf 50 bis 100 Flugzeuge, wurde ein Jahr später jedoch selbst von der Goodrich Corporation (damals noch B.F. Goodrich) geschluckt. Goodrich vermarktete die Super 27 noch eine Zeitlang weiter – und pries den verbesserten Dreistrahler als ideales Flugzeug für Fracht- sowie für VIP-Dienste. In einer undatierten Powerpoint-Präsentation gab Goodrich an, die Super 27 sei im Betrieb zehn bis 15 Prozent sparsamer als eine 727-200 Advanced – außerdem leise, günstig, schadstoffarm, wartungsfreundlich und leistungsstark. Für die VIP-Version offerierte Goodrich Kabinen-Layouts für acht bis 25 Passagiere. Auch Winglets waren optional erhältlich.

2Excel aus England betreibt zwei Ex-FedEx-Super 27 als Sprühflugzeuge für die Firma Oil Spill Response.
VIPs und Spezialaufgaben
Darüber, wie viele Boeing 727-200 letztendlich zu Super 27-Exemplaren aufgerüstet wurden, kursieren heute unterschiedliche Angaben. Goodrich selbst listete in der genannten Präsentation insgesamt 54 Flugzeuge auf: 17 VIP-Maschinen, 22 Airliner und 15 Frachter. Davon fliegen im Jahr 2023 längst nicht mehr alle – jedoch stellt die Super 27 heute einen vergleichsweise großen Teil der weltweit noch aktiven 727-Flotte. In Europa betreibt das britische Unternehmen 2Excel zwei Super 27 als Sprühflugzeuge gegen Ölverschmutzungen, die einst Fracht bei FedEx flogen und heute als G-OSRA und G-OSRB registriert sind. Die auf der Isle of Man zugelassene M-STAR, die letzte verbliebene VIP-727 im europäischen Luftfahrtregister, ist ebenfalls eine Super 27. Sie wurde 1981 für Wistair International gebaut und gehört seit 2011 der Firma Starling Aviation. Auch die 56 Jahre alte VP-BAP der Malibu Consulting Corporation zeigt sich ebenfalls regelmäßig in Europa. Die einst an Pan Am ausgelieferte Maschine ist zugleich eine der wenigen zur Super 27 umgebauten 727-100 – und eine der letzten noch flugbereiten kurzen 727 überhaupt.