Bis vor Kurzem war dieser Anblick nichts Ungewöhnliches: Seit vielen Jahren teilen sich die Antonow-Spezialfrachter von Antonov Airlines aus der Ukraine und Volga-Dnepr aus Russland das Vorfeld auf dem Leipzig/Halle Airport im sächsischen Schkeuditz. Beide Gesellschaften nutzen den zweitgrößten Frachtflughafen Deutschlands als Drehkreuz, Volga-Dnepr betreibt seit Anfang 2013 eine eigene Wartungsbasis für ihre An-124 im Norden des Flughafengeländes. Einst agierten die beiden Antonow-Betreiber ab Leipzig gar als Partner: Im Rahmen des sogenannten SALIS-Abkommens (Strategic Airlift International Solution) transportierten die Riesenfrachter beider Unternehmen Fracht im Auftrag mehrerer NATO- und EU-Nationen. 2018 stieg Volga-Dnepr aus dem Abkommen aus. Seither bestreitet Antonov Airlines die SALIS-Flüge alleine – und hat zu diesem Zweck ständig einen Teil ihrer An-124-Flotte in Leipzig stationiert.
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Ein besonderer Ort
Seit Russland am 24. Februar die Ukraine angegriffen hat, wirkt das Bild, das sich aktuell am Leipziger Flughafen bietet, allerdings wie aus der Zeit gefallen. In räumlicher Entfernung von wenigen Hundert Metern recken russische wie ukrainische Antonows ihre Leitwerke in die Höhe – und machen Leipzig zum gegenwärtig einzigen Ort auf der Welt, an dem An-124 von Volga Dnepr und Antonov Airlines gemeinsam anzutreffen sind.
Volga-Dnepr, mit zwölf Maschinen der größte kommerzielle An-124-Betreiber, hat an seinem deutschen Standort derzeit drei An-124 auf dem Hof stehen. Sie parken vor dem Unternehmenshangar im Norden, gut sichtbar von der Autobahn A14, während vier An-124 der ukrainischen Antonov Airlines sich über die Südhälfte des Flughafens verteilen. Bei letzteren handelt es sich um die Flugzeuge mit den Kennzeichen UR-82007, UR-82027, UR-82029 und UR-82072. Die An-124 von Volga-Dnepr tragen die Kennungen RA-82043, RA-82045 und RA-82046.

Zum Nichtstun verdammt
Neben ihrer Staatsangehörigkeit trennt die Antonows beider Lager aktuell noch eine grundsätzliche Angelegenheit: Denn während Antonov Airlines trotz Krieg in der Heimat weiter ihre Charterdienste anbietet, ist der Luftraum über Europa und Nordamerika für die Flugzeuge von Volga-Dnepr Airlines gesperrt. Zwar sind Ausnahmen für dringende Sondereinsätze möglich, einfach so ausfliegen jedoch kann Volga-Dnepr ihre drei in Leipzig geparkten An-124 nicht. Die Maschinen sind damit bis auf Weiteres wohl zum Nichtstun verdammt. Allerdings dürfte mindestens die RA-82045 ohnehin nicht flugfähig sein, steht sie doch bereits seit 2019 in Schkeuditz und war in der Vergangenheit mit teilweise abmontierten Triebwerken zu sehen gewesen. Die RA-82043 traf am 28. Januar ein, RA-82046 landete, aus Nürnberg kommend, am 23. Februar in Leipzig – einen Tag vor Kriegsbeginn.

Seit Jahren im Clinch
Die einstigen Partner sind sich im Ürbigen nicht erst seit Russlands Einmarsch in die Ukraine spinnefeind. Immer wieder hatte Antonow, nach dem Ende der SALIS-Zusammenarbeit, lautstark mokiert, dass Volga-Dnepr ihre An-124-Flotte auf eigene Faust instandhält. Die Ukrainer warfen den Russen vor, Zertifikate zu fälschen, nicht zugelassene Ersatzteile zu verbauen, Wartungsarbeiten ohne Lizenz vorzunehmen und die Frachter damit illegal zu betreiben. Im Juni 2019 ordnete ein Gericht in Kiew, nach einer Klage von Antonow, gar die Beschlagnahmung von fünf An-124 aus Volga-Dnepr-Beständen an. Die Russen erklärten das Gerichtsurteil wenig überraschend für rechtswidrig. Auf den Betrieb am gemeinsam genutzten Flughafen Leipzig hatte der Streit keinen Einfluss.