Da war die Lackierabteilung des WASO-Flugzeugwerks in Woronesch wohl etwas vorschnell – allerdings ohne es zu wissen. Ende März tauchten im Internet erstmals Bilder auf, die eine – damals noch teilmontierte – Iljuschin Il-96 in den frischen Farben der Frachtfluglinie AirBridgeCargo zeigten. Die Tochter der Wolga-Dnepr-Gruppe war vor dem Ukrainekrieg Russlands größter Cargo-Carrier, flog mit Boeing 747-Frachtern kreuz und quer durch die Welt. Mit zwei gebrauchten Il-96-400T, beide lange Zeit eingemottet, wollte man den Neustart wagen – und vor allem Flugrouten nach China aufnehmen. Inzwischen ist das erste Flugzeug komplett und augenscheinlich startbereit – doch abheben wird es für AirBridgeCargo nun doch nicht. Denn erstens kommt es anders, und zweitens als man denkt.
Es ist kompliziert
Wie inzwischen auch von offizieller Stelle bestätigt wurde, haben sich die Pläne in Russland hinsichtlich der beiden Il-96-Frachter geändert. Statt wie vorgesehen an AirBridgeCargo sollen die Vierstrahler jetzt an Sky Gates Airlines gehen – die wiederum von Red Wings aufgekauft wird. Sky Gates Airlines betrieb früher zwei Boeing 747-400F, gab diese im vergangenen Jahr jedoch an die Eigentümerin Silk Way aus Aserbaidschan zurück und steht seitdem ohne Flugzeug da. Jetzt also der Neustart: Als Tochtergesellschaft von Leasinggeber Ilyushin Finance, dem die beiden Il-96 gehören, wird die bis jetzt als reine Passagier-Airline tätige Red Wings mit den reaktivierten Iljuschins ins Frachtgeschäft einsteigen.

Um welche Flugzeuge geht es?
Die beiden Il-96-400T, um die es geht, tragen die Kennzeichen RA-96101 und RA-96103. Sie gehörten einst zur Flotte der untergegangenen Polet Airlines und kamen nach deren Bankrott 2014 nach Woronesch – dorthin, wo sie einst gebaut wurden. Während die RA-96101 bereits 1997 ihren Erstflug absolvierte und somit schon satte 26 Jahre auf der Uhr hat, wirkt die RA-96103 mit Baujahr 2009 im Vergleich dazu fast jugendlich. Sergej Turkin, bis vor Kurzem Chef von Ilyushin Finance, wendet in einem Interview mit der Zeitung Kommersant zwar ein, dass die Inbetriebnahme beider Flugzeuge "einen gewissen Arbeitsaufwand" benötige, betont aber auch, die Zellen besäßen wenig Flugstunden und seien in "zufriedenstellendem Zustand". Größte Schwierigkeit für den Betrieb sei die nötige Infrastruktur, namentlich Wartung und Ersatzteilversorgung.

Kritik an Il-96-400T
Womöglich liegt hier auch der Knackpunkt, weshalb AirBridgeCargo die Iljuschins nun wider Erwarten doch nicht bekommt. Aus dem Umfeld der Ex-Jumbo-Airline hatte es schon zuvor Kritik an den Il-96-400T gegeben. So hatte das Portal The Loadstar Anfang Juni eine anonyme Quelle zitiert: "Jetzt kauft ABC [AirBridgeCargo] diesen Scheiß – handgefertigt, ohne Verwendung von Gehirnen, weder von Menschen noch von KI." Die Maschinen seien unwirtschaftlich und voller konstruktiver Mängel, zudem jahrelang herumgestanden. "Selbst die Leute, die sie gebaut haben, glauben nicht daran. (...) Aber vielleicht können die Techniker zaubern."
AirBridgeCargo vor dem Aus?
In einem anderen Artikel vom 12. Juli schreibt The Loadstar, AirBridgeCargo habe sich gegenüber Ilyushin Finance als harter Verhandlungspartner erwiesen – so hart, dass man sich letzten Endes nicht über die Leasingbedingungen einig geworden sei. Wie Kommersant unter Berufung auf Insiderquellen ergänzt, soll man über dieses Scheitern in der Volga-Dnepr-Gruppe nicht besonders unglücklich gewesen sein – obgleich das bedeutet, dass die Zukunft von AirBridgeCargo mehr denn je infrage steht. Erst recht vor dem Hintergrund, dass mit Red Wings ein Player ins Geschäft einsteigt, der als Anhängsel des Staatskonzerns UAC vermutlich eher in der Gunst wichtiger Leute steht.