Das Schloss Cecilienhof in Potsdam bot im Juli 1945 die Kulisse für eines der prägendsten Ereignisse der deutschen Nachkriegsgeschichte. Während Stalin, Truman und Churchill bei der Potsdamer Konferenz über Demokratisierung, Entmilitarisierung und Denazifizierung des besiegten Deutschen Reiches verhandelten, wurde am extra angefertigten runden Tisch, beinahe nebensächlich, aber auch Luftfahrtgeschichte geschrieben. Mit dem im Potsdamer Abkommen vereinbarten Verbot von "Besitz, Unterhaltung und Betrieb von Flugzeugen aller Art" erlitt die deutsche Luftfahrt ihren scheinbar endgültigen Todesstoß. War die "alte" Lufthansa bereits im April 1945 zu ihrem letzten Linienflug von Berlin nach Warnemünde abgehoben, besiegelte das Potsdamer Abkommen nun scheinbar auch die Zukunft des Kranichs nach Kriegsende. Doch dabei sollte es nicht bleiben.

Die Goldenen Zwanziger – Bongers tritt dem Kranich bei
Rückblende: Die 1920er-Jahre standen bei der Kranich-Airline ganz im Zeichen von europäischer Expansion und dem Erschließen neuer Märkte. Die Goldenen Zwanziger verhalfen der "Deutschen Luft Hansa AG" zu einem rapiden Wachstum und der Neuerrichtung von Kontinentalstrecken durch ganz Europa. Mehrtägige Reisen mit mindestens fünf Zwischenstopps ließen sogar Flüge nach Nordamerika oder Asien zu. Der Expansionskurs konnte nicht ohne zusätzliches Personal getragen werden und so trat im Jahr 1926 der 28-jährige Kaufmann Hans M. Bongers als einer von vielen neuen Mitarbeitern dem Prestige-Unternehmen bei. Umfassender engagierter Einsatz erlaubten ihm Höhenflüge auf der Karriereleiter, und so wurde Bongers nur drei Jahre später bereits zum Direktor und Flugbetriebsleiter ernannt. Auch in Zeiten der Weltwirtschaftskrise und dem darauffolgendem Aufstieg des Nationalsozialismus blieb Bongers dem Kranich treu. Er durchlief verschiedene Führungspositionen der strauchelnden Fluggesellschaft – stets ohne NSDAP-Mitgliedschaft oder ideologische Treue zu den Nationalsozialisten, was sich viele Jahre später noch auszahlen sollte. Bis zu ihrer Auflösung im Jahr 1945 war Bongers bei der Deutschen Luft Hansa AG tätig und erlebte sowohl ihren rasanten Aufstieg als auch den unaufhaltsamen Sturz in die Tiefe.

Besetztes Land, besetzter Himmel
In der Nachkriegszeit lag die Lufthoheit des besetzten Deutschland bei den Alliierten. Lediglich ausländische Fluggesellschaften durften die junge Bundesrepublik in ihr Streckennetz aufnehmen. Bongers wollte dies nicht akzeptieren und nutzte seine Kontakte zu ehemaligen Lufthanseaten und leitenden Beamten im Bonner Verkehrsministerium, um gemeinsam mit Hans Christoph Seebohm, dem ersten Verkehrsminister der Bundesrepublik, immer wieder, teils medienwirksam, zu fordern, dem deutschen Volk mehr Vertrauen entgegenzubringen. Schließlich sei eine "militärische Betätigung im Betrieb der Zivilluftfahrt" außerordentlich abwegig. Die Alliierten rückten jedoch nicht von der Position des Potsdamer Abkommens ab und drohten Bongers mit Konsequenzen, wenn seine Versuche der Einflussnahme nicht in Zukunft ausblieben würden. Das Verbot bestand weiterhin.

Ein Steuerberater mit großen Visionen
Zwar war Bongers mittlerweile hauptberuflich als Steuerberater tätig, jedoch riss sein Engagement für die Vision einer deutschen Luftfahrtnation nicht ab. Im Jahr 1951 gründete er in Kooperation mit Seebohm das "Büro Bongers" in Köln, das vom Verkehrsministerium offiziell den Auftrag erhielt, jegliche Formen einer deutschen Beteiligung am Luftverkehr zu prüfen. Das "Büro Bongers" bestand zwar nur aus fünf deutschen Luftfahrtexperten, wurde jedoch schon bald zur entscheidenden Beratergruppe des Ministeriums, denn bisher gab es ausschließlich einen Beamten für Luftverkehrsfragen. Hans Bongers genoss aufgrund seiner nicht vorhandenen NSDAP-Vergangenheit zunehmend das Vertrauen der Alliierten und so kam es, dass seine ambitionierten Pläne zwar nicht unterstützt wurden, aber eine zunehmende Billigung stattfand – ein entscheidender Fortschritt.

Mit List vorbereitet für Tag X
Zwar war der Besitz und Betrieb von Flugzeugen durch deutsche Gesellschaften weiterhin untersagt, doch galt dies nicht für die Gründung einer "virtuellen" Fluggesellschaft. Ziel war es, bereits Strukturen geschaffen zu haben, die einen sofortigen Flugbetrieb bei Änderung der gesetzlichen Lage zuließen. So wurde im Jahr 1953 schließlich durch das "Büro Bongers" die "Aktiengesellschaft für Luftverkehrsbedarf" gegründet, in deren Vorstand Bongers unverzüglich gewählt wurde. Das Unternehmen konzentrierte sich fortan auf die Evaluierung möglicher Lösungen für einen deutschen Flugbetrieb und wurde im Folgejahr, gebilligt durch die Alliierten, in "Deutsche Lufthansa AG", den heutigen Kranich-Konzern, umbenannt.

Die Wiedergeburt ist geglückt
Das Potsdamer Abkommen regelte zwar den Besitz von Flugzeugen und den Einsatz von Luftfahrtpersonal, nicht jedoch die Bestellung neuer Maschinen. Mit dieser List und finanzieller Unterstützung durch die Bundesregierung orderte die neue Lufthansa schließlich vier Super Constellation beim amerikanischen Hersteller Lockheed sowie vier Convair CV-340. Die alliierten Besatzungsmächte genehmigten beide Orders mit Verzögerung. Die Maschinen wurden zu Beginn ausschließlich durch ausländisches Flugpersonal betrieben. Mit der Erlangung der uneingeschränkten Souveränität Deutschlands im Oktober 1954 fielen auch alle Restriktionen für den Flugbetrieb der Lufthansa weg und sie expandierte unter der Leitung des Vorstandvorsitzenden Hans M. Bongers rasch. Der Kraftakt – die Wiedergeburt des Kranichs – war nun geglückt.

Hans M. Bongers verblieb für weitere zehn Jahre in der Position des Vorstandsvorsitzenden. Auch nach seinem Ausscheiden als Vorstand im Jahr 1964 unterstütze er die Lufthansa noch lange Zeit im Aufsichtsrat bei der strategischen Zukunftsausrichtung. Bongers verstarb im Juni 1981 und gilt bis heute als Vordenker der kommerziellen Luftfahrt in der deutschen Nachkriegsgeschichte.
