Da staunten die Mitarbeiter auf dem Flugplatz Tilitschiki in der russischen Region Kamtschatka am 2. August dieses Jahres nicht schlecht: Bei einer Inspektion der Antonow An-26 RA-26122, die gerade aus Jelisowo (Petropawlowsk-Kamtschatski) angekommen und sicher gelandet war, entdeckten die Techniker an der Steuerbord-Tragfläche eine sieben mal neun Zentimeter große und etwa elf Zentimeter tiefe Delle in der Vorderkante. An einer Stelle war die Verkleidung sogar eingerissen.
Sofort zogen sie die Besatzung der Antonow hinzu und konfrontierten sie mit ihrem Fund. Die Piloten entgegneten, dass der Schaden wohl die Folge eines Vogelschlags beim Abflug vom Startflughafen sei. Doch dem dafür eigentlich typischen Schadensbild fehlten "die charakteristischen Spuren einer Kollision mit einem biologischen Objekt". Das zumindest stellten die Flugunfallermittler der russischen Zivilluftfahrtbehörde Rosawiazija fest, die später über den Vorfall in Kenntnis gesetzt wurden – und an der Antonow, die der Fluglinie Kamtschatka Air Enterprise gehört, weder Blutspuren noch Federn oder sonstige Geflügel-Überreste fanden.

Die in den Zwischenfall verwickelte An-26 mit der Kennung RA-26122 ist Baujahr 1982 und fliegt seit 1996 auf der russischen Halbinsel Kamtschatka.
Kein Vogel, sondern eine Drohne
In ihrem nun vorgelegten Untersuchungsbericht schließt die Behörde aus diesem Grund den Zusammenstoß mit einem Vogel definitiv aus. Stattdessen kommt sie zu dem Schluss: Die An-26, die an diesem Tag 28 Passagiere nach Tilitschiki brachte, muss in der Luft mit einer Drohne kollidiert sein. Die Beschädigung sei höchstwahrscheinlich durch den Aufprall eines "unbekannten Objekts, wahrscheinlich eines unbemannten Luftfahrzeugs" entstanden. Laut russischen Medienberichten handelt es sich damit um den ersten registrierten Fall dieser Art in Russland.
Untersuchung im Ausschlussverfahren
Der Rosawiazija-Bericht erläutert, man habe bei den Ermittlungen alle anderen Möglichkeiten, die den Schaden verursacht haben könnten, ausgeschlossen. Dazu gehöre auch der denkbare Aufprall eines Fremdkörpers am Boden, also entweder beim Startlauf, beim Rollen oder nach der Landung. Dies komme aufgrund des Schadensbildes und der Position der Delle als Ursache nicht in Betracht. "Außerdem wurden bei der Untersuchung der Flugplätze Jelisowo und Tilitschiki keine Fremdkörper gefunden", schreibt die Luftfahrtbehörde weiter. Unter anderem anhand von Videoaufzeichnungen und Inspektionen der Vorfeldtechnik könne man überdies festhalten, dass auch beim Handling der Antonow am Boden kein die Beule erklärender Fauxpas unterlaufen sei. Einen unbemerkten Vorschaden schließt der Bericht ebenfalls kategorisch aus: "Nach Angaben des technischen Personals und der Besatzung der Fluggesellschaft war diese Delle unmittelbar vor dem Start der An-26 in Jelisowo nicht vorhanden."

Die Antonow An-26 ist im russischen Regionalflugverkehr immer noch stark vertreten. Die Nachfolgemuster lassen auf sich warten.
Herkunft der Drohne? Unbekannt
Wie es zu der Kollision gekommen ist, bleibt unklar. Die Fluggesellschaft Kamtschatka Air Enterprise erklärte in einer Stellungnahme, es sei im Nachgang "unmöglich festzustellen, wer die Drohne gesteuert hat" und von wo sie gestartet sei. "Angesichts der Flughöhe des Flugzeugs von 6.000 Metern" könne man jedoch davon ausgehen, "dass es beim Start oder bei der Landung zu der Kollision gekommen sein dürfte."
Heimflug mit Beule und Riss im rechten Flügel
Eine gravierende Gefahr für die Sicherheit der 43 Jahre alten Antonow bestand nach der Kollision mit der mutmaßlichen Drohne offenbar nicht. "Die Besatzungsmitglieder gaben in ihren Aussagen an, dass sie während des gesamten Fluges keine Veränderungen in der Steuerbarkeit des Flugzeugs festgestellt und dass alle Systeme ohne Beanstandungen normal funktioniert hätten", schreiben die Rosawiazija-Ermittler. Allerdings deckten sie im Zuge ihrer Recherchen nach eigenen Angaben ein fahrlässiges Fehlverhalten der Besatzung auf: Diese habe sich nach eingehender Untersuchung des Schadens und nach Rücksprache mit einem Techniker entschieden, mit der Beule im Flügel wieder zurück nach Petropawlowsk-Kamtschatski zu fliegen, "da die tragenden Elemente des Flugwerks nicht beschädigt waren."
"Missachtung der Betriebsanweisungen"
Weder die Piloten noch der Leiter der Wartungsabteilung in Tilitschiki meldeten laut Luftfahrtbehörde die festgestellten Schäden jedoch vorschriftsmäßig. Auch entsprechende Einträge in die technischen Unterlagen der RA-26122, die erst Ende 2024 nach dreijähriger Überholung in den Dienst zurückgekehrt war, nahmen sie nicht vor. "Infolgedessen traf die Besatzung unter Missachtung der Betriebsanweisungen für die An-26 die unbegründete Entscheidung, den Rückflug mit einem nicht in der Liste aufgeführten Defekt anzutreten, mit dem die Beendigung des Fluges zum Heimatflughafen nicht zulässig ist", protokollieren die Unfallermittler abschließend.