Neuer Schub für Boeing - Schafft der Airliner-Gigant die Trendwende?

Schafft der US-Gigant die Trendwende?
Neuer Schub für Boeing

Veröffentlicht am 31.05.2025

Es klingt wie die Mutter aller Schnäppchen: eine noch fast ungebrauchte Boeing 747-8, umgebaut zum fliegenden VIP-Palast der katarischen Königsfamilie. Dieses etwa 400 Millionen Dollar teure Geschenk hat die Regierung Katars der US-Regierung gemacht, um Präsident Trump einen Gefallen zu tun. Denn wegen des immer aufwendigeren Umbaus zweier fabrikneuer Transaero-Jumbos muss dieser viel länger als erwartet auf seine schon bestellten, künftigen VC-25B warten. Mindestens bis nach der laufenden Amtszeit dauert es angeblich, bis die nächsten "Air Force One" in Dienst gehen können. Deswegen will der Präsident die 2015 in Dienst gestellte 747-8 mit der Werknummer 1449, einen aufwendig ausgestatteten Boeing Business Jet (BBJ), übernehmen, und "kurzfristig" umbauen bis die endgültigen Air-Force-Jumbos einsatzbereit sind. Mit rund 1100 Flugstunden und etwa 300 Flugzyklen ist der Vierstrahler noch fast fabrikneu. Laut der Sprecherin des Weißen Hauses, Karoline Leavitt, ist die Übernahme durch die US Air Force gesetzeskonform, was jedoch vielfach bezweifelt wird. Die Boeing war Ende Mai angeblich bereits in San Antonio, Texas, in einer abgeschotteten, militärischen Spezialwerft.

Boeing 747-8 BBJ aus Qatar für die Nutzung als interim Air Force One
AirTeamImages / John Ballantyne

Rekordauftrag

Bei einer Nahost-Reise von Präsident Trump kündigte Katar Mitte Mai zudem einen Rekordauftrag für Boeing-Großraumflugzeuge an: Nicht weniger als 130 Boeing 787 und 30 Boeing 777-9, alle mit amerikanischen GE-Triebwerken, sollen bestellt werden, plus 50 Optionen. Gesamter Auftragswert: 96 Mrd. Dollar. Für weitere 42 Milliarden Dollar bestellte das durch riesige Erdgasvorkommen steinreiche Katar außerdem in den USA Rüstungsgüter. Für Boeing stabilisiert sich mit dem Rekordauftrag die Finanzlage erfreulich. Auch wenn der Konzern seit 2019 Verluste schreibt, alleine im Geschäftsjahr 2024 waren es 11,8 Milliarden Dollar, und noch 53,6 Mrd. Schulden mitschleppt, scheint endlich eine Trend-wende erkennbar. Nicht zuletzt auch, weil das Unternehmen mittlerweile den Zuschlag für das lukrative, nächste US-Jagdflugzeug-Programm F-47 gewann.

Porträt von Boeing Konzernchef Kelly Ortberg
Boeing

Karten-Töchter verkauft

Noch Ende April hatte der Boeing-Konzern sein ziviles Luftfahrtkartengeschäft, darunter Jeppesen und ForeFlight, an die Softwarefirma Thoma Bravo verkauft, und damit gut 10,5 Mrd. Dollar er- löst. Das Geld kann Boeing gut gebrauchen, um Lücken durch Programmverluste und -verzögerungen beim 767-Tanker KC-46A, bei der VC-25B und bei den verspäteten Zulassungen der 737-7, 737-10 und 777-9 zu stopfen und um das Kreditrating zu verbessern. Immerhin kommt die Flugerprobung der 777-9 wieder erkennbar ins Laufen. Mitte Mai teilte der Hersteller mit, dass nun wieder alle vier Testflugzeuge der 777-9 in der Luft seien. Die Flotte habe bisher bei 1400 Flügen fast 4000 Flugstunden erreicht. Die auffällig hohe Flugstundenzahl deutet darauf hin, dass die wieder viel strenger prüfende FAA das 777-9-Programm mittlerweile wie eine Neuzulassung behandelt. Dennoch scheint die FAA-Zulassung des größten Zweistrahlers der Welt, möglicherweise zum Jahresende 2025, nun in greifbare Nähe zu rücken. Damit würden endlich auch die ersehnten Auslieferungen im Jahr 2026 realistisch erreichbar.

Boeing 777-9 Prototyp im Flug
AirTeamImages / Matthieu Douhaire

Einigung über MAX-Schuld?

Unterdessen steckt Boeing bei der 737 MAX noch mitten in heiklen juristischen Verhandlungen mit dem US-Justizministerium, ob der Hersteller mit einem Vergleich einem Schuldspruch und einem Strafverfahren wegen der MAX-Krise entgehen kann. Der Vorwurf lautet, Boeing habe die US-Zulassungbehörden seinerzeit über die Tragweite von Än-derungen an der Steuerung der MAX getäuscht. Bei zwei Abstürzen waren 346 Menschen ums Leben gekommen. Falls Boeing ein Vergleich gelingt, könnte der Hersteller mit Schadensersatzzahlungen an die Angehörigen der Absturzopfer vergleichsweise glimpflich davonkommen.

Boeing 787-9 von Yuneyao Airlines im Landanflug
AirTeamImages / Lauri Nieminen

Brisanter Streit mit China

Dagegen könnte Boeing von US-Regierungsseite neues politisches und finanzielles Ungemach wegen des Zollstreits, insbesondere mit China, drohen. Zwar waren die angedrohten Strafzölle (angedroht sind bis zu 145 Prozent Zoll seitens der USA und bis zu 125 Prozent Zoll seitens China) bei Redaktionsschluss noch ausgesetzt, aber China, einer der wichtigsten Flugzeugabnehmer weltweit, hatte bereits mit der Nichtabnahme von bestellten Boeing-Flugzeugen gedroht. Selbst Boeing-Stammkunde Ryanair denkt wegen der undurchschaubaren Zollduelle über ein Abwandern zur Konkurrenz nach, falls mögliche Abgaben die Boeing-Preise zu sehr verteuern. Immerhin kann Boeing wohl einen Betrugsprozess im Zusammenhang mit den beiden tödlichen 737-Abstürzen 2018/ 2019 vermeiden, muss aber nach der Einigung mit dem US-Justizministerium 1,1 Milliarden Dollar Strafe zahlen. Die 737-MAX-Fertigung stagniert derweil bei 38 Flugzeugen im Monat. Diesen Höchstwert hatte die FAA verordnet, nachdem eine schlampig montierte 737 MAX von Alaska Airlines im Flug eine Türabdeckung verloren hatte. Boeing würde die Rate am liebsten auf 42 Flugzeuge pro Monat erhöhen, was einen schnelleren Abbau der Auftragshalde und schnellere Geldeingänge dank früherer Auslieferungen bewirken würde.

Konzept des X-66A-Projekts von NASA und Boeing als VS-1 und VS-2
Boeing, Forschungsprogramm X-66A, NASA, Transonic Truss Braced Wing

Testprojekt X-66A endet

An vielen Stellen muss der Hersteller noch immer eisern sparen, um die langwierige Finanzkrise zu überwinden und um wieder handlungsfähiger zu werden. Dazu gehörte auch eine Bestandsaufnahme beim Forschungsprojekt X-66A. Der gemeinsam mit der NASA entwickelte zweistrahlige Schulterdecker mit abgestrebtem, extrem schlankem und widerstandsarmem Flügel sollte unter anderem aus den Teilen zweier gebrauchter MD-90-Rümpfe entstehen und eine Testplattform für Verkehrsflugzeuge der nächsten Generation werden. Jetzt hat Boeing dieses Projekt auf Eis gelegt, für das ab 2028 die Flugerprobung vorgesehen gewesen war. Windkanalversuche sollen erhebliche Verbrauchsverbesserungen durch die schlanken Flügel bereits nachgewiesen haben. Dagegen war unklar, ob mögliche Airline-Kunden das zerbrechlich wirkende Tragwerk – seine Außenflügel wären vermutlich zum Parken am Boden hochklappbar gewesen – für alltagstauglich und ausreichend robust halten würden. Der Abbruch des Forschungsprogrammes könnte Boeing aber jetzt genau die hochkarätigen Ingenieur-Personalreserven verschaffen, die der Hersteller braucht, um seine noch laufenden Verkehrsflugzeug-Zulassungsprogramme schnell zu einem glücklichen Ende zu bringen.