Russifizierter Passagierjet: Erster "Langstreckenflug" für neue MS-21

Teil-russifizierter Passagierjet
Erster „Langstreckenflug“ für Russlands neue MS-21

Zuletzt aktualisiert am 09.05.2025

Viele Gerüchte begleiten die Entwicklung der "russifizierten" Jakowlew MS-21-310, die eine vollständige Abkehr des A320-großen Zweistrahlers von Komponenten aus dem Westen zum Ziel hat. Viel zu schwer sei der neu aufgelegte Entwurf. Fast sechs Tonnen Übergewicht wegen der "Verwendung einheimischer Verbundwerkstoffe und neuer Flugzeugsysteme" würden die Flugleistungen der neuen MS-21rus dramatisch einschränken. In Zahlen ausgedrückt, bescheinigten anonyme Insider in russischen Medienberichten dem Jet vor gut einem Jahr nur noch rund 2.000 Kilometer Reichweite und eine Dienstgipfelhöhe von lediglich 7.000 Metern. Das staatliche Hersteller-Konsortium UAC, das den Airliner seit 2023 unter dem Markennamen Jakowlew vermarktet, hielt seinerzeit dagegen, die neue MS-21 sei noch gar nicht fertig, und man habe durchaus vor, "das Verkehrsflugzeug auf Parameter zu bringen, die den höchsten Anforderungen der Fluggesellschaften entsprechen."

Umso spannender dürfte es in den kommenden Monaten werden, die Flugerprobung der auf links gekrempelten MS-21 zu verfolgen. Denn sollten die kolportierten Daten der "Insider" zutreffen, wäre man fast geneigt zu sagen: "Dann könnt Ihr es auch bleiben lassen!" Zwar ist die "Vollversion" der komplett substituierten MS-21rus noch nicht geflogen – das soll erst im Sommer dieses Jahres geschehen. Ein zumindest teilweise umgerüsteter Prototyp hob allerdings am 29. April mit russischen Komponenten ab – und brachte nun, am 7. Mai, seinen ersten langen Streckenflug hinter sich.

Jakowlew MS-21-310, Erstflug mit russischen Komponenten-
UAC (OAK)

Reiseflug gen Moskau

Das umgebaute Testflugzeug 73055 startete am besagten Tag um kurz nach 14 Uhr Ortszeit vom Flugplatz des Flugzeugwerks Irkutsk in Richtung Westen. Ziel war der Flughafen Schukowski vor den Toren von Moskau, wo Russland die Flugerprobung der Jakowlew MS-21 konzentriert. Für die 4.100 Kilometer lange Strecke brauchte die 73055 sechs Stunden und neun Minuten, bei einer Geschwindigkeit von bis zu 800 km/h und einer Reiseflughöhe von knapp 11.000 Metern (36.000 Fuß). Am Ende der Reise seien noch viereinhalb Tonnen Kerosin in den Tanks gewesen, erklärte Cheftestpilot Roman Taskajew nach der Landung. Das Flugzeug habe den Flug gut überstanden. "Alles hat perfekt geklappt, wir sind zufrieden", so Taskajew weiter.

Was ist jetzt "russifiziert"?

Für die 73055 war es eine Rückkehr an ihre alte Wirkungsstätte, denn der Prototyp war dort zwischen 2021 und Juli 2023 bereits in die MS-21-Flugtests involviert. Ihren Erstflug hatte die Maschine im Dezember 2020 gefeiert, als erste MS-21 mit russischen PD-14-Triebwerken anstelle der US-amerikanischen Getriebefans von Pratt & Whitney. Ansonsten wohnte dem Flugzeug seinerzeit aber noch sehr viel "Westliches" inne.

Am 7. Juli 2023 flog die 73055 daher wieder nach Schukowski, um sich dort unters Messer zu legen und ihre West-Komponenten mehrheitlich gegen russische Pendants zu tauschen. Laut Angaben von UAC besitzt die MS-21-310 nach erfolgtem Umbau jetzt eine russische Stromversorgung (inklusive APU), eine russische Klima- und Kabinendruckanlage und russische Avionik – "einschließlich der Steuerungs-, Funkkommunikations- und Navigationssysteme", wie es heißt. "Inländische Komponenten" sind laut UAC ferner im Hydrauliksystem und dem Fahrwerk enthalten, auch die Systemkonsolen stammen aus russischer Produktion. Eine Kabinenausstattung fehlt der 73055 dagegen mutmaßlich noch, ebenso stammen die Kohlefaser-Tragflächen dieses MS-21-Exemplars noch nicht aus Russland. Die kamen erst bei der Schwestermaschine 73057 zum Zug, die als erste MS-21 komplett ohne West-Bauteile fliegen soll und derzeit in Irkutsk komplettiert wird.

Was aber lässt sich aus dem Überführungsflug der teil-russifizierten MS-21-310 von Irkutsk nach Schukowski und den dabei gezeigten Flugleistungen herauslesen? Im Grunde nicht allzu viel, denn ein Flug ohne Kabinen-Interieur, ohne Gepäck und ohne Passagiere ist für spätere Liniendienste mit nennenswerter Nutzlast wenig repräsentativ – zumal die 73055 noch den ursprünglichen Flügel aus dem Ausland besitzt. Ein kleiner Fingerzeig, dass die MS-21rus nicht so schlecht ist, wie eingangs beleuchtet, könnte es dennoch sein. Schließlich kann man davon ausgehen, dass die Jakowlew-Piloten ihr noch nicht ausgereiftes Flugzeug nicht in die Nähe seiner Leistungsgrenzen prügelten. 800 km/h im Reiseflug und Flugfläche 360 muten für einen Airliner dieser Größe dennoch relativ "normal" an. Fraglich ist, wie sich das in Kombination mit dem russischen Verbundflügel verhält, der in der nächsten Testmaschine verbaut ist. Wenn sich die Russen hierbei und beim Einbau der Kabine nicht komplett vergaloppieren, könnte die russifizierte MS-21 also zumindest nicht ganz solch eine Krücke werden, wie von manchem Kritiker befürchtet.

Um das weiter zu eruieren, hat UAC nun 220 bis 230 Testflüge Zeit – dann soll zum Sommerende 2026 die Zulassung der MS-21-310rus durch die russische Zivilluftfahrtbehörde erfolgen.