Es ist bestimmt nicht das einzige Nadelöhr im Gesamtprogramm – aber eins der wichtigsten: Nach wie vor wartet der "russifizierte", auf links gekrempelte Superjet SJ-100 auf den ersten Flug mit seinen maßgeschneiderten Triebwerken "made in Russia". Doch das dafür ausgewählte PD-8 von Awiadwigatel erfüllte lange die Erwartungen nicht. Eigentlich war es 2023 schon fertig, doch bei Tests traten Probleme auf, das Triebwerk überhitzte. Vor einem Jahr kündigte die Motoren-Holding UEC deshalb die Fertigung neuer Triebwerksschaufeln für das PD-8 "aus modernsten hitzebeständigen Legierungen" an. Das Sorgenkind wurde zur Chefsache: Der damalige Industrie- und Handelsminister Denis Manturow bezeichnete "Probleme im Zusammenhang mit der Erprobung des PD-8-Motors" im Februar 2024 als "eines der schwierigsten Themen, auf die wir achten müssen."
Tatsächlich gaben sich die Verantwortlichen gut ein halbes Jahr danach, im Herbst 2024 optimistisch, die Probleme im Griff zu haben. Man warte nur noch auf die Freigabe, so Manturows Nachfolger im Ministeramt, Anton Alichanow. Spätestens 2025 werde man mit den Flugtests des PD-8 am Superjet beginnen.

Der neue Superjet SJ-100 flog zwar bereits 2023 - allerdings noch mit russisch-französischen SaM-146-Triebwerken.
Ein sichtbarer Fortschritt
Zwar sagt die Erfahrung, dass Terminzusagen in Russlands Flugzeugbau eher selten mit der Realität zusammenfallen, doch dieses Mal könnte aus dem baldigen Beginn der Flugtests wirklich etwas werden. Immerhin lieferte Hersteller UEC nach eigenen Angaben Anfang dieser Woche den ersten Satz modifizierter PD-8-Triebwerke zur Superjet-Endmontagelinie in Komsomolsk am Amur. Das deutet darauf hin, dass die Bodentests auf dem Prüfstand erfolgreich abgeschlossen sind und die Russen ihren neuen Motor endlich bereit dazu sehen, in die nächste Stufe der Erprobung einzutreten.
"Die PD-8-Triebwerke wurden an unsere Flugzeugbauer in Komsomolsk am Amur übergeben, die gemeinsam mit Vertretern von UEC die Endarbeiten direkt im Werk vornehmen und das Flugzeug auf seinen Erstflug mit einheimischen Triebwerken vorbereiten werden", schreibt der UEC-Mutterkonzern Rostec in einer Pressemitteilung. Rostec-Vizechef Wladimir Artjakow unterstrich im Zusammenhang mit der PD-8-Lieferung, man wolle "so bald wie möglich" mit der Flugerprobung des vollständig russifizierten Superjets beginnen. Um die Zertifizierung des Antriebs zu beschleunigen, wollen die Verantwortlichen verstärkt auch Ergebnisse aus Computermodellen in das Verfahren einfließen lassen. Das offizielle Ziel bleibt es weiterhin, 2026 die ersten neu zugelassenen Superjets an Kunden auszuliefern.
Mammutprojekt "Russifizierung"
Damit läge man zwar drei Jahre hinter dem eigentlichen Zeitplan, doch selbst der neue Termin scheint aus der Ferne betrachtet ziemlich optimistisch: Neben den Triebwerken muss Russland bei der rein russischen Neuauflage des unter der Marke Jakowlew vermarkteten Superjet SJ-100 knapp 40 ausländische Systeme und Komponenten gegen einheimische Pendants tauschen. Das betrifft weitere Schlüsselbereiche wie die Avionik, Fahrwerk und Hilfsgasturbine, das Steuerungssystem und die gesamte Stromversorgung, den Brandschutz, die Kabinenausstattung sowie die Klimaanlage. Andererseits laufen die Arbeiten an diesem Mammutprojekt mindestens seit 2019, als Rostec erstmals eine "russifizierte" Variante des Superjet ankündigte.
Das für den neuen Superjet entwickelte PD-8-Triebwerk soll überdies bei einer Reihe weiterer Flugzeug- und Hubschraubermuster zum Einsatz kommen. So will Russland etwa den Löschbomber Berijew Be-200 sowie den weltgrößten Hubschrauber Mil Mi-26 mit dem neuen Turbofan bestücken.